NRW-Justiz Künstliche Intelligenz soll Suizide in Haft verhindern

Düsseldorf · Seit 2017 haben sich 33 Häftlinge in NRW das Leben genommen. Der Justizminister will Suizide mit Algorithmen reduzieren.

 Will Suizide in der Haft reduzieren: NRW-Justizminister Peter Biesenbach.

Will Suizide in der Haft reduzieren: NRW-Justizminister Peter Biesenbach.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Es ist 6 Uhr am Montag, als die Beamten in der Düsseldorfer Justizvollzugsanstalt den Toten in seiner Einzelzelle entdecken. Ein Mann, 61, wegen Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung am Samstag festgenommen, hatte sich offenbar erhängt. Es war der neunte Suizid in einem nordrhein-westfälischen Gefängnis in diesem Jahr.

Suizide in Haftanstalten sind keine Seltenheit, an der Tagesordnung stehen sie aber auch nicht. 2018 gab es in NRW elf, 2017 13 Suizide. Dabei sind rund 16.000 Menschen im Land inhaftiert. Für Justizminister Peter Biesenbach (CDU) ist die Zahl der Suizide trotz sinkender Tendenz zu hoch. Der Staat habe die Aufgabe, Leben zu schützen, insbesondere von Menschen, für die der Staat die Fürsorge trage – wie bei Strafgefangenen, sagte der Minister. Er setzt deshalb auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, die Suizidversuche erkennen und somit verhindern soll. Er hat ein Chemnitzer Unternehmen beauftragt, ein derartiges Programm zu entwickeln. 160.000 Euro lässt sich Biesenbach dieses Forschungsprojekt kosten, das er am Dienstag vorstellte und das in einem Jahr in einer Testphase starten soll.

Die Künstliche Intelligenz soll die Aufnahmen von Videokameras analysieren: Besitzt der Häftling gefährliche Gegenstände, etwa ein Messer? Baut der Häftling sich gerade eine Schlinge? Wenn die Algorithmen ein Verhalten erkennen, das auf einen Suizidversuch schließen lässt, schlägt das Programm Alarm. Anschließend bekommen die Justizangestellten das Geschehen in der Zelle auf einem Monitor zu sehen und können so entscheiden, ob sie eingreifen müssen. Weil Messer, Feuerzeuge und andere gefährliche Dinge je nach Situation unterschiedlich aussehen können, muss das Programm lernen, welche Suizidmethoden es in Haft geben kann.

Bislang unklar ist, in welchem Ausmaß das Programm tatsächlich Suizide in Justizvollzugsanstalten verhindern wird. Gelten Gefangene als suizidgefährdet, werden sie in speziellen, videoüberwachten Räumen untergebracht oder alle 15 Minuten über eine Türklappe kontrolliert. In den besonders gesicherten Hafträumen für stark suizidgefährdete Gefangene hat es in den vergangenen fünf Jahren in NRW keinen Suizid gegeben. Die Künstliche Intelligenz müsste also Häftlinge überwachen, die nicht als stark suizidgefährdet eingestuft wurden, um Suizide etwa in einfachen Hafträumen verhindern zu können. Es soll nicht in jeder Zelle Videokameras geben.

Den Tod des Syrers in der Klever Justizvollzugsanstalt im Herbst 2018 hätte das neue Programm wohl nicht verhindert. Amad A. war an den Folgen eines Brandes in seiner Zelle gestorben. Feuer soll die Künstliche Intelligenz bislang aber nicht erkennen können.

Hilfe Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar: Tel. 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222.

(her)
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