Bundesinnenminister Friedrich im Gespräch "NRW ist im sozialistischen Dilemma"

Düsseldorf · Bundesinnenminister und CSU-Präsidiumsmitglied Hans-Peter Friedrich spricht im Interview mit unserer Redaktion über die Richtungsentscheidung bei der Landtagswahl am Sonntag, über die aktuelle Terrorgefährdung in Deutschland, ein mögliches Salafisten-Verbot und den Konflikt mit seiner FDP-Justizkollegin über die Vorratsdatenspeicherung

Wenn Rot-Grün aus der Wahl in NRW am Sonntag gestärkt hervorgeht — wäre das nach den Abstimmungen in Paris, Athen und Kiel ein weiterer Linksruck?

Friedrich Ich glaube nicht, dass man die ganz unterschiedlichen Wahlen so vergleichen kann. Aber ohne Frage ist die Wahl in Nordrhein-Westfalen von großer Bedeutung, weil das Land groß und ökonomisch wichtig ist. Am Ende darf das Signal nicht heißen: Schleusen auf für noch mehr Schulden. Daher gilt: Eine starke CDU bedeutet auch eine solide Haushaltspolitik.

Gleichzeitig läuft in Europa die Debatte, ob wir Wachstumsprogramme brauchen, damit wir mehr Steuern einnehmen und Schulden zurückzahlen können.

Friedrich Die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass Konjunkturprogramme mittel- und langfristig noch nie etwas gebracht haben. Sie sind immer ein Strohfeuer, das letztlich zu noch geringeren Bewegungsspielräumen in der Zukunft führt. Deshalb ist eine Schuldenpolitik grundsätzlich falsch.

Die FDP scheint es doch wieder in den Landtag zu schaffen — wie klug wäre es, wenn sie sich auf eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen einließe?

Friedrich Die FDP wird von ihren Wählern als bürgerliche Alternative zu einer sozialistischen Politik angesehen. Sie täte sich keinen Gefallen, wenn sie das bürgerliche Lager nach links verlassen würde.

Ist es wieder Zeit für den Slogan "Freiheit statt Sozialismus"?

Friedrich Zumindest stehen sich zwei Politikansätze gegenüber. Auf der einen Seite: solides Haushalten und Wirtschaften. Auf der anderen: neue Schulden und die diffuse Hoffnung, dass das irgendwann irgendwer schon bezahlen wird. Es ist das alte sozialistische Dilemma. Ich hoffe, dass die NRW-Wähler das durchschauen.

Wie ist die Sicherheitslage in Deutschland?

Friedrich Wir haben eine unveränderte Gefährdungslage, es gibt keine Entwarnung. Wir sind nach wie vor im Fadenkreuz des Terrors. Al Qaida auf der arabischen Halbinsel stellt sicherlich derzeit die gefährlichste Bedrohung dar.

Al Qaida verfügt über Sprengstoff, den Detektoren nicht entdecken. Brauchen wir doch die Nacktscanner?

Friedrich Wir versuchen immer alles, um die Technik zu verbessern. Und auch das Thema Scanner ist nicht zu den Akten gelegt. Der Hamburger Versuch endete mit der Erkenntnis, dass wir große Investitionen in den Flughäfen nicht verantworten konnten. Denn es musste zu häufig nachkontrolliert werden, womit in der Sache gar nicht viel gewonnen war. Wenn es ausgereifter ist, wird es sicherlich wieder ein Thema für uns sein.

Wie bedrohlich ist der Salafismus?

Friedrich Nach Erkenntnis unserer Experten ist die Nähe der Salafisten zu Al Qaida unverkennbar. Es gibt zumindest eine große ideologische Nähe. Die politische Ideologie ist darauf ausgerichtet, unsere freiheitliche Ordnung zu beseitigen. Sie wenden sich klar gegen unsere Verfassung und versuchen, ihre Ideologie mit Gewalt durchzusetzen. Deshalb sind sie unter strenger Beobachtung unserer Sicherheitsbehörden. Wir werden in Bund und Ländern alles tun, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.

Das klingt nach Vereinsverbot.

Friedrich Wir haben bei der Gruppe "Einladung zum Paradies" (EZP) ja schon mal ein Verfahren eingeleitet, das zur Selbstauflösung der EZP führte. Selbstverständlich ist das Verbot von Vereinigungen und Organisationen auf der Tagesordnung. Aber es gilt dafür auch: Darüber spricht man nicht, das macht man, wenn es so weit ist.

Gehört denn nun der Islam zu Deutschland?

Friedrich Um es noch einmal deutlich zu machen, was ich bei meinem Amtsantritt gesagt habe: Es ist völlig klar, dass die Menschen islamischen Glaubens, die hier leben, zu unserer Gesellschaft gehören. Ein Blick allein auf die vielen Kirchen in Deutschland zeigt, was die Identität unseres Landes seit Jahrhunderten prägt.

Der SPD-Innenminister versucht in NRW, das Zeigen von Mohammed-Karikaturen zu verhindern. Was ist, wenn Christen verunglimpft werden?

Friedrich Die Verletzung von religiösen Gefühlen ist ein sehr sensibles Thema. Was wir da unter dem Stichwort Kunstfreiheit alles in Deutschland erlebt haben, ist auch bisweilen für gläubige Christen grenzüberschreitend gewesen. Genauso hoffe ich, dass den muslimischen Gemeinden die Mohammed-Karikaturen erspart bleiben.

Wie geht es am Ende beim NPD-Verbot aus?

Friedrich Das lässt sich erst sagen, wenn die Beweise, Belege und Hinweise ausgewertet sind. Wenn das Material eine aggressiv-kämpferische Vorgehensweise der NPD gegen diesen Staat überzeugend nachweist, dann sollten wir nicht zögern, diesen Antrag zu stellen. Wenn das eher auf Kopfwiegen und Skepsis stößt, dann dürfen wir der NPD keinen erneuten Triumph durch ein weiteres gescheitertes Verfahren gönnen. Allerdings glaube ich, dass die NPD ohnehin auf dem absteigenden Ast sitzt. Mir macht dagegen große Sorgen, dass Neonazis, die ganz offen für nationalsozialistisches Gedankengut werben, einen sehr dynamischen Zulauf haben.

Wo müssen Sie nachsteuern?

Friedrich Wir verstärken die Beobachtung, auch im Internet. Wir brauchen auch einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, damit Jugendliche gar nicht erst in die Situation geraten, Extremisten auf den Leim zu gehen. Jeder muss seinen Beitrag dazu leisten, dass den Radikalisierern der Boden entzogen wird. Das gilt für rechtsextreme, linksextreme und islamistische Kräfte gleichermaßen.

Wird es im Dauerstreit um die Vorratsdatenspeicherung noch einen Kompromiss geben mit der FDP?

Friedrich Es geht nicht um einen Kompromiss, es geht um eine klare Rechtslage, die von der Europäischen Richtlinie und vom Urteil des Verfassungsgerichtes vorgegeben ist und die aus Sicht der Sicherheitsbehörden dringend notwendig ist. Die gilt es umzusetzen. Danach müssen Datenkommunikationsdaten zwischen sechs Monaten und zwei Jahren gespeichert werden. Ich will nur die Mindestspeicherfrist von sechs Monaten, und ich will auch die Vorgaben des Verfassungsgerichtes zur Frage, wer wann auf die Daten zugreifen darf, peinlichst genau einhalten. Insofern haben wir gar keine Spielräume. Also müssen Sie die Justizministerin fragen, ob und wann sie sich an die rechtlichen Vorgaben halten will.

Womit können Sie Ihre Kollegin überzeugen?

Friedrich Wir haben viele Beispiele. Etwa als ein Kinderpornografie-Ring aufgeflogen ist, wir aber die beteiligten Computerbesitzer nicht mehr aufklären konnten, weil alles gelöscht worden war. Wir würden auch gerne wissen, mit wem die Zwickauer Terrorzelle Telefon- und Internetkontakt hatte. Die Vorratsdatenspeicherung ist einfach notwendig für eine effiziente Verbrechensbekämpfung.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger will Sie für eine gemeinsame Überarbeitung der EU-Richtlinie gewinnen...

Friedrich ... weil der Datenschutz nicht ausreichend geregelt sei, meint sie. Das ändert nichts daran, dass es eine Richtlinie gibt, die jetzt umgesetzt werden muss. Und für den Datenschutz hat das Bundesverfassungsgericht klare Vorgaben gemacht, die bei der Umsetzung des Gesetzentwurfs selbstverständlich berücksichtigt werden.

Gregor Mayntz fasste das Gespräch zusammen.

(RP/nbe/csi/jh-/rm)