Nach tödlichen Schüssen von Dortmund NRW-Innenminister Reul denkt an Bodycam-Pflicht für Polizisten im Einsatz

Düsseldorf · Der Landesinnenminister will eine Tragepflicht der Bodycams prüfen lassen. Das Signal: Polizisten im Einsatz hätten nichts zu verbergen. Außerdem sollen alle relevanten Dienstvorschriften der Polizei jetzt „Seite für Seite“ durchgegangen werden.

Eine Polizeibeamtin präsentiert eine Bodycam. Eine Verpflichtung, sie einzuschalten, gibt die Rechtslage bislang nicht her.

Eine Polizeibeamtin präsentiert eine Bodycam. Eine Verpflichtung, sie einzuschalten, gibt die Rechtslage bislang nicht her.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) will eine Trage- und Einsatzpflicht von Bodycams bei Polizeieinsätzen prüfen lassen. Man müsse „dafür sorgen, dass die Kameras getragen werden und möglichst auch eingeschaltet sind“, sagte Reul am Donnerstag im Innen-Ausschuss des Düsseldorfer Landtages. Sie sollten aufzeichnen, wann immer das rechtlich möglich sei. Der Fall von Dortmund, bei dem ein 16-Jähriger erschossen wurde, habe gezeigt, wie wichtig solche Aufnahmen seien, um Abläufe nachzuvollziehen. Er will seinen Vorstoß auch als Signal verstanden wissen: „Polizistinnen und Polizisten haben im Einsatzalltag nichts zu verbergen.“ Die derzeitige Rechtslage gibt eine Pflicht zum Einschalten der Kameras nicht her; es gibt dagegen auch Widerstände seitens des Personals.

Ferner kündigte Reul eine Prüfung aller relevanten Handreichungen, Dienstvorschriften und Leitfäden der Polizei an – etwa zu Einsatztrainings, zum Gebrauch von Schusswaffen, Tasern und Pfefferspray, zum Wachdienst, zum Umgang mit psychisch labilen Menschen. „Die gehen wir jetzt Seite für Seite durch“, versprach Reul. Und nicht zuletzt räumte er zum Dortmunder Fall eigene Skepsis ein: „Da drängt sich bei mir schon der Eindruck auf, dass bei diesem Einsatz einige Dinge nicht einwandfrei gelaufen sein könnten“, sagte er.

Zugleich ließ der Minister durchblicken, dass das System der Nachforschungen seiner Meinung nach funktioniere. Wie Politik und Öffentlichkeit warte auch er auf Antworten: „Es ist eben Ermittlung und kein Wunschkonzert“, sagte er.  „Der wichtigste Auftrag ist, so zu ermitteln, dass am Ende die Fakten klar sind und Konsequenzen gezogen werden können.“

In Dortmund hatte ein Betreuer einer Jugendhilfeeinrichtung am 8. August die Polizei gerufen,  weil ein 16-jähriger Bewohner, ein unbegleiteter Geflüchteter, sich offenbar suizidgefährdet mit einem Messer im Hof befand. Beamte brachten im Laufe des Einsatzes Pfefferspray und Taser zum Einsatz, dann starb der Jugendliche durch  Schüsse aus einer Maschinenpistole. Die Bodycams der Einsatzkräfte waren nicht eingeschaltet.

Losgelöst vom konkreten Fall warb Innenminister Reul um Verständnis für die Situation von Polizisten. „Das sind Profis, die nur im Notfall und auf gesetzlicher Grundlage die Schusswaffe ziehen“, sagte er und wollte dies mit Zahlen untermauern. In 2021 habe es 4,5 Millionen Polizeieinsätze gegeben; in lediglich 13 davon seien Schusswaffen genutzt worden. In den fünf Jahren von 2016 bis 2020 habe es insgesamt 99 Schusswaffen-Einsätze gegeben. Nach 51 dieser Vorkommnisse seien danach Verfahren gegen die Schützen eingeleitet worden, davon wiederum seien 46 eingestellt worden. 

Suizidversuche beschäftigten die  Polizei statistisch 42 Mal am Tag in NRW, führte Reul weiter aus. Ob man es in Dortmund  mit eine Notwehr-Lage zu tun gehabt habe und ob das polizeiliche Handeln angemessen gewesen sei, müsse die Staatsanwaltschaft noch herausfinden. Unmut und Kritik gibt es in der Politik vor allem darüber, dass es auch einen Monat nach dem Geschehen noch zahlreiche unbeantwortete Fragen zu den Details des Polizeieinsatzes gibt.

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