Personalmangel in Finanzverwaltung Schonzeit für Steuertrickser in NRW

Düsseldorf · Der Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen läuft das Personal davon. Die Ämter könnten deshalb nicht mehr jede Steuererklärung gründlich prüfen, warnt die Gewerkschaft. Das sei ungerecht.

 Vorlagen zur Steuererklärung (Symbolfoto).

Vorlagen zur Steuererklärung (Symbolfoto).

Foto: Armin Weigel

Die Arbeit in den NRW-Finanzämtern ist so unbeliebt wie schon lange nicht mehr. 1434 Beamte haben seit 2014 freiwillig den Dienst quittiert. Das geht aus einer aktuellen Statistik des NRW-Finanzministeriums für den Landtag hervor, in der Minister Norbert Walter-Borjans (SPD) von "verstärkten außerordentlichen Abgängen" berichtet.

Weil sich immer mehr Arbeit auf immer weniger Schreibtischen stapelt, können die Beamten Steuererklärungen nach Einschätzung der Gewerkschaft nicht mehr mit der gewohnten Sorgfalt prüfen: "Die Finanzbeamten haben gar nicht mehr die Chance, so genau wie früher hinzuschauen", sagte der NRW-Chef der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG), Manfred Lehmann. Die DSTG vertritt das Personal der Finanzverwaltung. Welche Steuerzahler von dem Mangel profitieren, hängt auch von Zufällen ab. Lehmann: "Im Ergebnis leidet darunter die Steuergerechtigkeit in NRW."

Weniger kritische Rückfragen

Fachleute bestätigen diesen Eindruck. "Wir verzeichnen wesentlich weniger kritische Rückfragen als vor einigen Jahren. Fragwürdige und komplizierte Steuerspar-Konstruktionen werden leichter durchgewinkt", sagte ein Steuerberater aus einer mittelgroßen Kanzlei im Rheinland. Er möchte zum Schutz seiner Mandanten anonym bleiben.

Die NRW-Finanzbehörden beschäftigen rund 29.000 Menschen. Für die Steuerfahndungsämter, Konzern- und Großbetriebsprüfungen gibt es feste Soll-Personalstärken, die jährlich überprüft und eingehalten werden müssen. Die 1190 unbesetzten Stellen, die Walter-Borjans zum Jahresanfang 2017 ausweist, belasten deshalb fast nur die Festsetzungsämter. Dort bearbeiten gut 20.000 Beamte die normalen Steuererklärungen. "Wahrscheinlich haben viele Bürger schon gemerkt, dass es weniger Nachfragen und Beanstandungen gibt als früher", berichtete Lehmann.

Der Gewerkschafter erkennt die Bemühungen des Landes an, gegenzusteuern. So weise NRW 2017 mit über 1200 so viele neue Finanzverwaltungsstellen wie seit 30 Jahren nicht mehr aus. Neue Stellen sind aber noch nicht neue Finanzbeamte: Die Ausbildung dauert mindestens zwei Jahre. Außerdem gehen laut Gewerkschaft bis 2022 pro Jahr bis zu 1400 Beamte planmäßig in den Ruhestand. Hinzu kommt das Problem der außerplanmäßig ausscheidenden Beamten. Lehmann rechnet nicht mit einer Trendwende: "Dass so viele Mitarbeiter die Finanzverwaltung freiwillig verlassen, hängt mit der hohen Arbeitsbelastung zusammen." Mittelfristig werde der Mangel eher zunehmen.

Eine Frage der Steuergerechtigkeit

Auch die Opposition im Landtag ist alarmiert. "Der Finanzminister hat sich mit der Ankündigung mehrjähriger Nullrunden und der Einführung der leistungshemmenden Frauenquote viele Motivationsprobleme selbst eingebrockt", kritisierte FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel. Der NRW-Chef des Bundes der Steuerzahler, Heinz Wirz, sagte: "Schlimm genug, dass wir so viel Steuern zahlen müssen. Aber dann darf die Steuergerechtigkeit nicht auch noch von Personalproblemen in den Finanzämtern abhängen."

Walter-Borjans bestreitet, dass die Situation die Arbeit der Ämter gefährdet. "Im Gegenteil handelt es sich um ein Handlungsfeld im Rahmen des Projektes Finanzverwaltung der Zukunft", so der Minister. Unter dem Stichwort will er die maschinelle Prüfung von Steuererklärungen verstärken, die mit weniger Personal auskommt. Ob und wann dieses Projekt das fehlende Personal ersetzen kann, ist aber noch unklar.

(tor)
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