Bertelsmann-Studie NRW fehlen mehr als 100.000 Kitaplätze
Düsseldorf · Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt, wie schwer es für Eltern von Kleinkindern im kommenden Jahr werden wird, einen Platz zu bekommen. Um den Bedarf zu decken, müssten 24.400 Erzieher zusätzlich eingestellt werden.
Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zu frühkindlicher Bildung zeigt: In NRW fehlen im kommenden Jahr 101.600 Kitaplätze. Bundesweit sind es 384.000. Der Städte- und Gemeindebund NRW sprach von alarmierenden Ergebnissen: „Die Daten zeigen, dass die Ansprüche schneller wachsen, als wir sie umsetzen können“, sagte Hauptgeschäftsführer Christof Sommer. Die Kommunen hätten das Angebot massiv ausgebaut: „Wir haben beim pädagogischen Personal einen Zuwachs von 40.000. Selbst dieser Kraftakt reichte nicht aus, um dem wachsenden Betreuungsbedarf gerecht zu werden.“ Der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule ab 2026 und die Zuwanderung würden die Situation noch deutlich verschärfen.
NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) übte Kritik an der Vorgängerregierung: „Die beschriebenen Befunde sehen wir nicht erst seit gestern, allerdings wurden in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Ausbau und Weiterentwicklung bei allen qualitativen und quantitativen Entwicklungen nicht mit der notwendigen politischen Priorität verfolgt.“ Paul verwies als Gegenmaßnahme auf die in ihrem Hause angesiedelte Koordinierungsstelle zum Fachkräfteausbau in Kitas: „Zudem haben wir das Kita-Helfer-Programm fortgeschrieben und streben eine Verstetigung dieses erfolgreichen Programms an.“ Weiter sei es wichtig, den Seiteneinstieg zu stärken und Ausbildungskapazitäten auszubauen.
Die Studienautoren bemängeln, dass 68 Prozent der Kita-Kinder in zu großen Gruppen betreut würden. Doch um den Betreuungsbedarf in NRW zu decken, müssten der Studie zufolge 24.400 neue Fachkräfte eingestellt werden. Mit dem Kita-Qualitätsgesetz stellt die Bundesregierung in den kommenden zwei Jahren jeweils bis zu zwei Milliarden Euro bereit, die Mittel würden jedoch nicht reichen, sagte Anette Stein, Expertin für frühkindliche Bildung der Bertelsmann-Stiftung: „Die größte Hürde auf dem Weg zu genügend Plätzen und mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung ist und bleibt der enorme Fachkräftemangel. Es muss jetzt sehr schnell gelingen, viel mehr Personen für das Berufsfeld zu gewinnen.“
„Seit Jahren fordern wir eine Ausbildungsoffensive und deutlich mehr Kapazitäten in den Fachschulen“, kritisierte Kommunalvertreter Sommer, begrüßte zugleich aber die Fachkräfteinitiative des Landes: „Doch führt kein Weg daran vorbei, dass wir kurzfristige Lösungen für die Kitas brauchen. Meines Erachtens werden wir nicht daran vorbeikommen, unsere Ansprüche vorübergehend herunterzuschrauben und unsere Standards infrage zu stellen. Hohe Qualität und gleichzeitig ein immer größeres Betreuungsangebot, das ist nicht auf einen Schlag zu haben.“
Auch wenn es dauere, bis die benötigten Fachkräfte eingestellt würden, müssten die jetzigen Arbeitskräfte schon heute entlastet werden, forderte Bertelsmann-Expertin Stein. Dazu müsse das aktuelle Aufgabenspektrum der Erzieherinnen und Erzieher überprüft werden, die schon jetzt zu viele Aufgaben übernähmen.
Familienministerin Paul versprach Entlastungen für die Fachkräfte – etwa im Bereich Verwaltung sowie Hauswirtschaft, damit sich das pädagogische Personal stärker auf die Kinder konzentrieren könne. „Ich halte den Vorschlag der Stiftung für sinnvoll, das Aufgabenspektrum zu überprüfen und zu priorisieren.“ Wichtig bleibe aber, dass im Zentrum aller Bemühungen stehen müsse, Kindern Bildung, Teilhabe und ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen.
Die SPD-Fraktion im Landtag warnte vor einer Bildungskatastrophe in der frühkindlichen Bildung. Die Refinanzierung der Mietkosten für die Träger sei unzureichend, kritisierte der familienpolitische Sprecher Dennis Maelzer. Auch die Landeszuschüsse für den Bau neuer Kitas sind angesichts explodierender Baukosten zu gering. Deshalb müssen die zugesagte Kibiz-Reform und eine Anpassung der Baukostenzuschüsse jetzt schnell auf den Weg gebracht werden: „Ohne weitere Unterstützung durch das Land werden die Kita-Träger die finanziellen Herausforderungen nicht stemmen können. Die Folge werden noch weniger Kitaplätze sein.“