NRW-Dienstrecht CDU klagt doch gegen Frauenförderung

Düsseldorf · Jetzt will auch die Union gegen das neue NRW-Dienstrecht klagen. Das ist eine erstaunliche Kehrtwende nur wenige Wochen vor der Wahl. Offenbar hält sie die Attacken von FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner nicht mehr aus.

 Frauenförderung - nicht nur in Unternehmen, sondern auch in der NRW-Landesverwaltung ein Thema.

Frauenförderung - nicht nur in Unternehmen, sondern auch in der NRW-Landesverwaltung ein Thema.

Foto: dpa

Die CDU-Fraktion im NRW-Landtag will nun doch gegen das neue Dienstrecht vor den Verfassungsgerichtshof ziehen. Mehr als ein halbes Jahr lang hatten die Christdemokraten eine entsprechende Forderung der FDP mit unterschiedlichen Begründungen zurückgewiesen.

Gestern erklärte der personalpolitische Sprecher der Union im Landtag, Werner Lohn, überraschend: "Wir sind der Überzeugung, dass die geltende gesetzliche Regelung zur Frauenförderung gegen das Grundgesetz verstößt. Uns bleibt nur noch der Weg zum Verfassungsgericht in Münster, um die Verfassungswidrigkeit dieser Regelung feststellen zu lassen."

Seit Juli 2016 schreibt ein neues Dienstrecht von Rot-Grün für die Landesverwaltung vor, dass Frauen selbst bei geringerer Qualifikation innerhalb einer bestimmten Bandbreite bevorzugt befördert werden müssen. Verschiedene Verwaltungsgerichte sehen darin den Grundsatz der Bestenauslese verletzt und halten das rot-grüne Gesetz in ersten Instanzen für verfassungswidrig. Wegen der unsicheren Rechtslage wird in großen Teilen der Landesverwaltung aktuell überhaupt niemand mehr befördert. Auch die Gewerkschaften laufen gegen das neue Dienstrecht Sturm.

 In einer früheren Version dieser Grafik wurde die Frauenquote in Führungspositionen irrtümlich mit 58,7 Prozent ausgewiesen. Diese Zahl beschreibt den Frauenanteil in der Landesverwaltung insgesamt.

In einer früheren Version dieser Grafik wurde die Frauenquote in Führungspositionen irrtümlich mit 58,7 Prozent ausgewiesen. Diese Zahl beschreibt den Frauenanteil in der Landesverwaltung insgesamt.

Foto: Anna Zörner

Noch im Februar hatte Lohn für die CDU im Landtag den Gang zum Verfassungsgericht als "Symbolantrag" abgetan. Landespolitik solle "nicht versuchen, politische Verantwortung in Richtung Münster wegzudrücken". Auch CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet hatte den Gang nach Münster immer wieder abgelehnt. Unter anderem wegen der damit verbundenen Risiken einer Niederlage. Aber auch, weil er annahm, ein solcher Streit würde sich über Jahre hinziehen.

Nach übereinstimmender Auffassung von Experten ist diese Sorge aber unbegründet. Denn für ein Normenkontrollverfahren, in dem lediglich geprüft wird, ob die rot-grünen Vorgaben mit dem Grundgesetz und der Landesverfassung vereinbar sind, brauchen die Richter in Münster nach aller Erfahrung nur Monate. "Hätte sich die CDU schon im Sommer unserer Forderung nach einer solchen Verfassungsklage angeschlossen, hätten wir längst eine Klärung vorliegen", sagt deshalb der FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel. Die FDP alleine konnte die Verfassungsklage bislang jedoch nicht erzwingen, weil einem solchen Schritt ein Drittel des Landtags zustimmen muss.

Lohn begründete die späte Kehrtwende seiner Partei damit, dass die CDU vor einer Verfassungsklage alle parlamentarischen Möglichkeiten habe ausschöpfen wollen. So brachte die CDU tatsächlich noch am Mittwochabend einen Gesetzentwurf zur Abstimmung ein, der die rot-grüne Frauenförderung zurückdrehen sollte. Erwartungsgemäß scheiterte sie am Widerstand der rot-grünen Mehrheit im Landtag. Erwartungsgemäß deshalb, weil NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) noch im Februar angekündigt hatte, die Landesregierung werde die neue Frauenförderung zur Not bis zum Europäischen Gerichtshof verteidigen. Auch die Landesregierung strebt eine Normenkontrolle durch das Verfassungsgericht an.

Insider aus dem Umfeld des CDU-Fraktionsvorstandes räumen hinter vorgehaltener Hand aber einen ganz anderen Grund für die plötzliche Kehrtwende ein: "Laschet hat das Thema total unterschätzt", heißt es. Tatsächlich hat FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner aus der bisherigen Weigerung der CDU, sich an einer solchen Klage zu beteiligen, einen Wahlkampfschlager gemacht: An dem Beispiel zeige sich, dass die CDU gar keine echte Opposition sei und mit Blick auf künftige Koalitionsoptionen Streit mit SPD und Grünen vermeide - so erklärt Lindner es derzeit fast allabendlich bei seinen Wahlkampfterminen. Lindners Botschaft: Die CDU kneift, nur die FDP ist echte Opposition. "Das schadet uns mehr, als wir dachten", sagt ein CDU-Insider, "deshalb ergreifen wir mit der Klage jetzt die Flucht nach vorn." Lohn bestreitet diesen Zusammenhang.

Dass die CDU sich nur sechs Wochen vor der Landtagswahl einen derart auffälligen Kurswechsel leistet, scheint in der Tat den Druck zu belegen, unter den sie beim Thema Frauenförderung geraten ist. Es ist nicht die erste Kehrtwende der CDU in diesem Wahlkampf: Auch ihre früheren Pläne zur Liberalisierung des Nichtraucherschutzgesetzes in NRW und zur Wiedereinführung von Studiengebühren hat die CDU in den vergangenen Wochen schon korrigiert.

(tor)
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