Analyse zur NRW-CDU Laschets Aufholjagd startet mit dem Landesparteitag

Fazit · Nie stand Rot-Grün schlechter da als jetzt. Aber kann die NRW-CDU die Schwäche der Landesregierung bei der nächsten Wahl in einen Sieg verwandeln? Das Debakel von 2012 scheint überwunden, aber es gibt noch Probleme. Eine Bestandsaufnahme.

 NRW-CDU-Chef Armin Laschet (links) beobachtet Bundestagspräsident Norbert Lammert beim Aufräumen seiner Papiere, die er bei seiner Rede hoch gehalten hatte.

NRW-CDU-Chef Armin Laschet (links) beobachtet Bundestagspräsident Norbert Lammert beim Aufräumen seiner Papiere, die er bei seiner Rede hoch gehalten hatte.

Foto: dpa, cas lof

Elf Monate vor der Landtagswahl behauptet Armin Laschet sich am Samstag auf dem Landesparteitag in Aachen mit einer fulminanten Rede und einem Wahlergebnis von 93,4 Prozent an der Spitze der NRW-CDU. Kann er die rot-grüne Koalition, die NRW seit sechs Jahren regiert, am 14. Mai 2017 schlagen?

Mitglieder Neben dem Spitzenkandidaten sind die Parteimitglieder der wichtigste Faktor. Sie müssen die Ideen einer Partei in die Fläche tragen, müssen Prospekte verteilen, Plakate kleben, Freunde und Nachbarn mobilisieren. Mit 132.500 Mitgliedern ist die NRW-CDU der bundesweit größte Landesverband der Christdemokraten. Ende 2014 hatte sie 141.000 Mitglieder. Aber trotzdem hat die NRW-CDU auch im Arbeiterland NRW, wo die SPD von 1980 bis 1995 sogar die absolute Mehrheit hatte, noch rund 21.000 Mitglieder mehr als die SPD.

Spitzenkandidat Laschet war nicht immer der Wunschkandidat seiner Partei. Nach dem Absturz der NRW-CDU unter Norbert Röttgen 2012 galt er als Verlegenheitskandidat. Auch im Kampf um den Fraktionsvorsitz im Landtag konnte Laschet sich nur knapp durchsetzen. Danach eckte er intern mit einem autoritären Führungsstil an, galt als fahrig und machte mit im Ehrenamt als Hochschul-Dozent verschlampten Klausuren auch bundesweit entsprechende Schlagzeilen.

Bei einem Geheimtreffen mit NRW-CDU-Granden kurz vor Weihnachten in Düsseldorf gelobte er Besserung. Er versprach ein schärferes politisches Profil und eine engere Abstimmung mit den Parteifunktionären. "Seitdem liefert er", sagt heute einer, der damals dabei war. Seit Jahresanfang reist Laschet auch in entlegene Winkel des Landes, um die Basis selbst bei nachrangigen Ereignissen zu unterstützen. Im Landtag punktet der einstige Aktenmuffel jetzt mit Detailkenntnissen. Die Fraktion fühlt sich inzwischen weniger von ihm gegängelt. Entsprechend stiegen seine Wahlergebnisse in der Partei von 80,3 (2012) über 87 Prozent (2014) auf aktuell 93,4 Prozent. In der Bevölkerung hat die alles umarmende NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) trotzdem noch höhere Sympathiewerte.

NRW-CDU: Armin Laschet startet Aufholjagd mit dem Landesparteitag
Foto: Schnettler

Stimmung Rot-Grün wirkt ausgelaugt. Kölner Silvesternacht, Einbruchsrekorde und brutale Prügel-Attacken wie kürzlich in Bonn: Selbst NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) räumt ein, dass das Vertrauen in die Polizei wackelt. Die Haushaltsplanung ist unsolide und muss permanent korrigiert werden, das NRW-Wirtschaftswachstum liegt am Boden, die Kinderarmut wächst. Nie war das Kabinett von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) schwächer als jetzt.

Programm Die politische Alternative zu Rot-Grün hat Laschet aber noch nicht klar genug formuliert. Im gerade verabschiedeten, nur 18 Seiten langen Leitantrag dominieren ordoliberale Allgemeinplätze wie die Forderung nach Bürokratieabbau und Deregulierung, die Wirtschaftswachstum ermöglichen sollen, welches dann Schuldenabbau plus soziale Wohltaten ermögliche. Eine "Zukunftsoffensive für kleine, mittlere und große Unternehmen" wird nicht näher beschrieben.

Inhaltlich konkret wird die CDU beim Thema Wirtschaft nur in wenigen Punkten. Vor allem bei der Benennung von rot-grünen Gesetzen zum Tariftreue-, Klima- und Bodenschutz, die als "Wachstumsbremsen" wieder abgeschafft werden sollen. In den Breitbandausbau soll mehr Geld fließen, das aus der Versteigerung von Mobilfunklizenzen und der auslaufenden Steinkohleförderung kommen soll.

 Der Landesparteitag der CDU am 11. Juni 2016.

Der Landesparteitag der CDU am 11. Juni 2016.

Foto: Thomas Reisener

Privatunternehmen sollen sich stärker am Bundesfernstraßenbau beteiligen - obwohl Fachleute inzwischen daran zweifeln, dass die so genannten "Private Public Partnerships" die Kosten der öffentlichen Hand auch langfristig senken. Polizisten und Lehrer sollen durch preiswerte Verwaltungsassistenten von Bürokratie entlastet werden. Mehr Videokameras und die Wiedereinführung der Schleierfahndung sollen die öffentliche Sicherheit erhöhen. Schulleiter sollen besser bezahlt werden, die Gegenfinanzhierung durch das Streichen von "überflüssigen Förderprogrammen" und den Verzicht auf unnötige Personalaufstockungen in der Ministerialbürokratie erreicht werden. Das ist alles nicht unseriös. Aber der große Wurf zum Mobilisieren von Nichtwählern ist es auch nicht. Laschet hat nicht genug polarisierende Massenthemen.

Koalitionspartner Anders als die SPD mit den Grünen hat die CDU keinen natürlichen Koalitionspartner mehr. FDP-Landeschef Christian Lindner hat die Positionierung als Juniorpartner ausdrücklich abgelehnt und will nicht einmal mehr Leihstimmen von der CDU. Angesichts der in den Landtag drängenden Linken und der AfD gilt eine Große Koalition als wahrscheinlichstes Regierungsbündnis nach 2017. Deshalb kann Laschet Kraft nicht beliebig scharf attackieren, was sein Bemühen um ein eigenes Profil erschwert.

Köpfe Laschet hat sich auch auf Kosten von Parteifreunden etabliert, denen er kaum Raum für eigene Präsenz gelassen hat. Das rächt sich nun. Denn auf die Frage, wer im Falle eines Wahlsieges neben ihm im Kabinett Platz nehmen könnte, fallen selbst den CDU-Granden in Berlin kaum Namen aus NRW ein. Auch Laschet selbst macht keine Vorschläge. Er will den Wahlkampf komplett auf sich personalisieren. Das ist ein hohes Risiko für seine politische Karriere.

Laschets Chancen sind Dank einer persönlichen Kurskorrektur seit Beginn seiner Parteiführung deutlich gestiegen, aber inhaltlich verlässt er sich noch zu sehr auf die Schwächen der Landesregierung. Um im Sympathie-Wettbewerb gegen Kraft zu punkten, darf er nicht nur meckern. Er muss auch mit eigenen Ideen begeistern.

(tor)
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