Auf Ursachensuche Das sagen Schulexperten zur Durchfallquote beim Abitur in NRW

Düsseldorf · Der Druck ist groß, die Erwartungshaltung auch: Das Abitur markiert eine wichtige Schwelle im Leben vieler Schüler. Immer mehr fallen durch. Experten aus NRW sind besorgt.

 Abiturprüfung in Englisch an einem Gymnasium in Mecklenburg-Vorpommern.

Abiturprüfung in Englisch an einem Gymnasium in Mecklenburg-Vorpommern.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Immer mehr Schüler scheitern am Abitur – auch in Nordrhein-Westfalen. Das geht aus einer Statistik der Kultusministerkonferenz hervor. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beobachtet diesen Trend mit Besorgnis. „Wir dürfen ein systematisches Scheitern nicht zulassen“, sagt Maike Finnern, stellvertretende Vorsitzende der GEW in NRW, unserer Redaktion.

Ihrer Meinung nach zeigen die gestiegenen Durchfallquoten, dass der Bildungserfolg auch vom Elternhaus abhängt. „Diejenigen mit Unterstützung von zu Hause schaffen es eher als die ohne.“ Deswegen müsse man gerade an den Gymnasien für mehr Fördermöglichkeiten sorgen. Da mache sich aber der Ressourcenmangel bemerkbar. Ihre Forderung: Schulen müssten besser ausgestattet, Lehrer mehr unterstützt und geschult werden. „Der Druck für die Schüler und die Erwartungshaltung an sie sind sehr hoch“, sagt Finnern. Das dürfe nicht allein an ihnen hängen bleiben.

In NRW lag die Quote 2012 noch bei 1,9 Prozent (1611 Schüler). Zwei Jahre später waren es schon 2,8 Prozent. 2017 und 2018 rasselten dann 3,5 Prozent durch die Abiprüfung. „Das hat sicherlich vielschichtige Gründe, die oft auch ganz individuell ausfallen“, sagt Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbands NRW. Ein Erklärungsansatz sei vielleicht, dass die Übergangsquoten von der Grundschule auf das Gymnasium in den vergangenen Jahren auch leicht gestiegen seien. So könne es sein, dass sich der Anteil derjenigen erhöhe, die das Abitur nicht schaffen.

Im Wechsel von G8 auf G9, also dem Abitur nach zwölf statt nach 13 Jahren, sieht er keinen Grund für die höhere Durchfallquote. „In beiden Konstruktionen ist die Oberstufe dreijährig geblieben.“ Auch der Anspruch habe sich nicht verschärft.

„Natürlich hängt es auch von den Aufgaben ab, die das Land stellt“, sagt Silbernagel. Das seien mal anspruchsvollere Aufgaben und mal einfachere. Generell könnten sich die Schüler seiner Meinung nach aber sehr gut auf das Abitur vorbereiten. „Das Format der Aufgaben ist seit dem Zentralabitur viel kalkulierbarer als vorher.“ Man könne sich die Aufgabenstellungen der vorherigen Jahre im Netz anschauen und mit diesen trainieren. „Außerdem setzt das Land stets Akzente, auf die sich die Schüler gut vorbereiten können.“

Darin sieht Silbernagel auch den Grund für die steigende Zahl an Abiturienten mit einem Schnitt von 1,0. In NRW schafften 2014 noch 1,4 Prozent der Schüler diese Note. 2016 waren es schon 1,7 Prozent. 2017 und 2018 lag die Quote bei jeweils 1,8 Prozent (2018: 1523 Schüler).

Für den Verband Bildung und Erziehung (VBE) verdeutlicht das auch die Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom Elternhaus der Kinder. Dem Vorsitzenden Udo Beckmann zufolge könnten Eltern der einen Gruppe die notwendige Förderung und Unterstützung privat organisieren, die anderen fielen „durch den Rost“. „Die Schere öffnet sich immer weiter“, sagt Beckmann.

Bundesweit liegt die Durchfallerquote über der von NRW: Im Abiturjahrgang 2009 fielen 2,39 Prozent der Schüler durch. 2017 waren es schon 3,78 Prozent. „Richtig und wichtig ist, dass im gymnasialen Bildungsgang hohe Ansprüche gestellt werden und diese erhalten blieben“, heißt es seitens des NRW-Schulministeriums. Das beinhalte auch die Qualität der Abiturprüfung. Der ländergemeinsame Aufgabenpool in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch trage dem Rechnung. Man arbeite derzeit daran, diesen gegebenenfalls auf andere Fächer zu erweitern.

Insgesamt sind die Abinoten in den vergangenen Jahren zwar etwas besser geworden, doch nicht stark. Den besten Notendurchschnitt gab es im Jahr 2017 in Thüringen mit 2,18, den schlechtesten in Niedersachsen mit 2,57. In Nordrhein-Westfalen lag er bei 2,45 - und war damit fast genauso hoch wie 2013 (2,46).

Mit Material der dpa.

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