Mitarbeiter der Ministerien 744 Top-Beamte in NRW haben Nebenjobs

Düsseldorf · Sie schreiben Gutachten und Bücher, leiten Seminare und nehmen Prüfungen ab: Die Expertise der Ministerialbeamten in NRW ist auch in der Privatwirtschaft gefragt. Sie wird dort gut bezahlt.

 Der NRW-Landtag in Düsseldorf.

Der NRW-Landtag in Düsseldorf.

Foto: dpa, Martin Gerten

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) mag kein Bargeld. Im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Schwarzgeld fordert er Obergrenzen für Barzahlungen — zum Schrecken vieler Handwerker, Autohändler und Gastronomen. Aber wer beim privaten Weiterbildungsinstitut "taxnews" für 150 Euro das Seminar "Kassenführung in bargeldintensiven Unternehmen" bucht, bekommt Tipps aus erster Hand. Der Dozent ist Betriebsprüfer in der NRW-Finanzverwaltung.

744 Mitarbeiter der zwölf NRW-Ministerien haben Nebenjobs. Im Durchschnitt sogar jeder von ihnen mehr als zwei. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Aufstellung des NRW-Innenministeriums hervor, die FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel angefordert hat. Dem Gros der rund 5000 Beamten und Angestellten in den Ministerien genügt demnach ihr Einkommen. Aber die 744 Umtriebigen, die nebenher arbeiten, dürften in der Spitze jährlich ein paar Tausend Euro zusätzlich einnehmen. Unter 1200 Euro pro Jahr werden die Nebeneinkünfte erst gar nicht erfasst.

Derartige Einblicke in die Nebeneinkünfte von Ministerialbeamten sind selten. "Eine statistische Erfassung der ausgeübten Nebentätigkeiten findet nicht statt", räumt NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) ein. Die Erhebung sei ausschließlich auf Bitten der FDP für den Zeitraum Juni 2013 bis August 2015 angefertigt worden. Interessenskonflikte schließt Jäger aber aus: "Die Regelungen des Nebentätigkeitsrechts stellen sicher, dass dienstliche Belange nicht negativ betroffen sind."

Diese Regelungen unterscheiden zwischen "anzeigepflichtigen" Nebenjobs, die oft nur einfachere Teilzeitjobs sind, und "genehmigungspflichtigen" Jobs, für welche die Ministeriumsmitarbeiter ihre berufliche Qualifikation nutzen. Letztere sind besonders lukrativ. Von den 1827 verzeichneten Nebenjobs fielen 1050 in diese Kategorie.

Besonders ältere Beamte der höchsten Besoldungsgruppen fühlen sich zu den besser bezahlten Nebenjobs hingezogen. Jeder zweite der "genehmigungspflichtigen" Nebenjobs ging an über 49-Jährige, die zu 57,4 Prozent im "höheren Dienst" arbeiten, also in der bestbezahlten Laufbahngruppe. Die sogenannte Besoldungsgruppe B, die im NRW-Finanzministerium beim Ministerialrat beginnt und bis zum Staatssekretär reicht, wird dort nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler mit monatlich 6743,88 bis 11671,78 Euro entlohnt. Dass der Chef mal eine Nebentätigkeit verbietet, kam in den NRW-Ministerien nur ein einziges Mal vor: im Kulturministerium.

Die meisten Nebenverdiener arbeiten im Finanzministerium. Aber auch im Innen-, im Justiz- und im Umweltministerium wird fleißig nebenher gejobbt. Dabei geht es vor allem um das Schreiben von Sachbüchern, Dozenten- und Prüfertätigkeiten oder die nicht näher konkretisierte Mitwirkung in Gremien. Auch als Gutachter sind die Ministerialbediensteten gerne unterwegs.

Das stört Heiner Cloesges vom Bund der Steuerzahler NRW besonders: "Das Land vergibt jährlich Gutachten in Millionenhöhe, weil die eigene Arbeitszeit angeblich nicht ausreicht. Aber privat geht das dann plötzlich doch." FDP-Mann Witzel warnt: "Die dienstliche Vereinbarkeit der Nebentätigkeiten sollte strenger überprüft werden. Das Land darf keine Anreize setzen, dass sich erfahrene Führungskräfte noch stärker auf Nebentätigkeiten konzentrieren." Der Deutsche Beamtenbund NRW war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

(tor)
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