Häusliche Gewalt Notbetreuung in NRW auch für gefährdete Kinder

Düsseldorf · Schulen und Kitas müssen ab sofort von häuslicher Gewalt Betroffene aufnehmen.

 Leere Kita-Notbetreuung. Foto: Uwe Anspach/dpa

Leere Kita-Notbetreuung. Foto: Uwe Anspach/dpa

Foto: dpa/Uwe Anspach

Die CDU/FDP-Landesregierung will auch Kinder aus problematischen Elternhäusern in den Notbetreuungen der Kitas und Schulen aufnehmen lassen. Das sieht eine Rechtsverordnung vor, die am heutigen Freitag in Kraft treten soll. „Der Schutz aller unserer Kinder ist eine besonders wichtige Aufgabe. Darum haben wir mit den Beteiligten vor Ort intensiv diskutiert, wie wir gerade in der Krise Kinder vor Gewalt, Vernachlässigungen und Übergriffen bewahren können“, sagte NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP). Die Jugendämter erhielten die Möglichkeit, die Notbetreuung zu nutzen, wenn Kindeswohlgefährdung nicht anders ausgeschlossen werden könne. Die Entscheidung treffe die Jugendamtsleitung oder eine von ihr benannte Person, hieß es aus dem Ministerium. Die Betreuung für diese Kinder sei trotz des zurzeit in Kitas geltenden Betretungsverbots möglich.

Nach den bisherigen Regelungen steht die Notbetreuung nur Kindern offen, deren Eltern etwa als Ärzte oder Pfleger in „systemrelevanten Berufen“ arbeiten. In den Kitas müssen im Landesdurchschnitt derzeit nur zwei Prozent der Kinder betreut werden, in den Schulen nur ein Prozent. Kapazitäten seien daher ausreichend vorhanden, hieß es. Es gebe jedoch auch einige Einrichtungen, etwa in der Nähe von Universitätskliniken, wo der Bedarf deutlich darüber liege.

Wie aus informierten Kreisen verlautete, sollen die Jugendämter bei Hinweisen auf eine Gefährdung des Kindeswohls möglichst in jenen Kitas und Schulen unterbringen, die diese auch sonst besuchen. Die meisten der gefährdeten Kinder seien den Ämtern ohnehin bekannt. Es soll künftig offenbar ausnahmsweise auch möglich sein, die empfohlene Gruppengröße von fünf Kindern in den Kitas zu überschreiten. Das individuelle Kindeswohl sei höher zu bewerten als der Infektionsschutz, hieß es. Im seltenen Fall müssten auch neue Gruppen gegründet werden.

„Die Regelung ist zwingend notwendig und richtig“, sagte Ferdinand Claasen, zuständig für Bildungspolitik im Katholischen Büro NRW, unserer Redaktion. Ähnlich äußerte sich Helga Siemens-Weibring, Leiterin des Vorstandsstabes beim Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe: Es gebe zahlreiche Hinweise, dass die Kita- und Schulschließungen zurzeit die Lage gefährdeter Kinder verschlimmerten.

Zur Zahl betroffener Kinder gibt es derzeit keine landesweiten Statistiken. Allein in Dortmund seien es 75. Offiziellen Zahlen zufolge geht die Gewalt in den Familien angeblich zurück. Fachleute führen dies aber darauf zurück, dass die Kinder quasi unsichtbar werden, während Auffälligkeiten sonst von Erziehern und Lehrern gemeldet würden. Kinderschutzverbände rechnen infolge der Kontaktsperre hingegen mit zunehmender häuslicher Gewalt.

Der Lehrerverband VBE begrüßte die Ausweitung der Betreuung. „Die Schwächsten zu schützen, ist in der jetzigen Situation nötiger denn je“, sagte der Landesvorsitzende Stefan Behlau. Schon jetzt versuchten Pädagogen, den Kontakt zu Kindern aufrechtzuerhalten.

(kib)
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