Wiederwahl zur NRW-Ministerpräsidentin Neun Stimmen aus der Opposition für Kraft

Düsseldorf · Bei ihrer Wiederwahl zur Ministerpräsidentin erhielt Hannelore Kraft (SPD) mehr Stimmen, als ihre Koalition Sitze hat – vermutlich von den Piraten. Die Regierungschefin genoss den Erfolg. Vor zwei Jahren hatte sie alles auf eine Karte gesetzt. Jetzt kann sie mit eigener Mehrheit Politik gestalten.

Juni 2012: Hannelore Kraft als Ministerpräsidentin wiedergewählt
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Bei ihrer Wiederwahl zur Ministerpräsidentin erhielt Hannelore Kraft (SPD) mehr Stimmen, als ihre Koalition Sitze hat — vermutlich von den Piraten. Die Regierungschefin genoss den Erfolg. Vor zwei Jahren hatte sie alles auf eine Karte gesetzt. Jetzt kann sie mit eigener Mehrheit Politik gestalten.

Um 11.47 Uhr legt Udo Kraft die Videokamera auf seinen Schoß, um mit beiden Händen Beifall klatschen zu können. Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) stellt seiner Frau die entscheidende Frage: "Nehmen Sie die Wahl an?" — "Ja", antwortet Hannelore Kraft. Zum zweiten Mal ist die SPD-Politikerin zur Ministerpräsidentin von NRW gewählt worden. Die Politiker im Plenum und die Ehrengäste auf der Tribüne spenden Applaus.

Die Sitzung des Düsseldorfer Landtags hatte am Mittwoch nur zwei Tagesordnungspunkte: "Wahl der Ministerpräsidentin" und "Vereidigung der Ministerpräsidentin". Weil es keinen Gegenkandidaten gab, hatte die Landtagsverwaltung auf die maskuline Form verzichtet. Es war klar, dass Kraft im ersten Wahlgang gewählt werden würde. Schließlich verfügen SPD und Grünen zusammen über 128 von 237 Stimmen, also über eine satte absolute Mehrheit.

Der Wahlakt verläuft reibungslos, wie erwartet. SPD-Fraktionschef Norbert Römer, ein enger Vertrauter Hannelore Krafts, tritt ans Rednerpult und schlägt sie als Ministerpräsidentin vor. In alphabetischer Reihenfolge werden die Abgeordneten zur Stimmabgabe aufgerufen. In der Wahlkabine darf nur der dort ausliegende dokumentenechte Stift verwendet werden. Auch Kraft kreuzt ihren Stimmzettel an und wirft ihn in die Urne.

Neuer Dresscode im Gespräch

Als der Buchstabe M an der Reihe ist, zieht die CDU-Abgeordnete Andrea Milz alle Blicke auf sich: Wie so oft, hat sie sich auch diesmal schrill gekleidet. Sie trägt ein kunterbuntes Kleid und einen roten Kopfschmuck. "Modell Farbenfroh" nennt die Unions-Politikerin (Milz besitzt nach eigenen Angaben 364 selbstgestrickte Pullover) ihr Aussehen. Landtagspräsidentin Gödecke hatte noch am Vortag die Abgeordneten gemahnt, die Würde des Hohen Hauses zu wahren und sich angemessen zu kleiden. Der neue "Dresscode" hatte Diskussionen ausgelöst.

Vor der Abstimmung hat sie mit Milz gesprochen und ihr bescheinigt, dass ihr Outfit in Ordnung sei. Schließlich trage die Abgeordnete keinen Hut, auch die Schultern seien bedeckt. Milz sei schon immer ein "bunter Vogel" gewesen, sagt Gödecke versöhnlich. An ihrer sozialpolitischen Seriosität und Kompetenz bestehe kein Zweifel.

Nach 20 Minuten ist der Wahlgang beendet, und schon bald darauf kann die Präsidentin das Ergebnis bekannt geben. Von 235 anwesenden Abgeordneten (zwei fehlten krankheitsbedingt) gaben 234 ihre Stimme ab. Davon entfallen 137 auf Hannelore Kraft. Das sind neun Stimmen mehr, als Rot-Grün im Landtag Sitze hat. Es herrscht kein Zweifel, dass ein Teil der Piraten für Kraft gestimmt hat. Die 94 Nein-Stimmen kommen von CDU und FDP; außerdem werden drei Enthaltungen gezählt.

Endlich die stabile Mehrheit

Krafts Wiederwahl ist ein persönlicher Triumph. 2010 war sie das Risiko eingegangen, das schwarz-gelbe Bündnis durch eine Minderheitsregierung abzulösen. Jetzt, zwei Jahre später, verfügt Rot-Grün nach der Neuwahl über eine stabile eigene Mehrheit. Beim Empfang im Landtagsfoyer nach Krafts Vereidigung herrscht bei vielen Koalitionspolitikern Euphorie. "Schwarz-Gelb wird nur eine Episode der Landesgeschichte bleiben", frohlockt Arbeitsminister Guntram Schneider.

Unter den zahlreichen Ehrengästen ist auch der ehemalige Vizekanzler Franz Müntefering. Kraft erinnere ihn an den ehemaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau, sagt "Münte". Auch Rau sei eine Persönlichkeit gewesen, der die Menschen vertraut hätten. Die Wahlergebnisse der nordrhein-westfälischen SPD seien "ein Hoffnungsschimmer" auch mit Blick auf die Bundestagswahl 2013. Viele Menschen wünschten sich eine vorsorgende Sozialpolitik, gekoppelt mit einer vernünftigen Energie- und Industriepolitik.

Reiner Priggen, Fraktionschef der Grünen, zollt Kraft großen Respekt. "Sie hat die SPD-Fraktion 2005 übernommen, als die nach der Wahlniederlage in ein tiefes Loch gefallen war." Damals seien fast alle Spitzenpolitiker der NRW-SPD nach Berlin abgewandert. "Es ist eine hervorragende Leistung, dass sie die Partei so schnell aus dem Tief geholt und zurück zur Macht geführt hat", sagt Priggen.

"Auch die beste Ehefrau"

Froh ist auch die Familie der Ministerpräsidentin. Wie 2010 sitzen Sohn Jan, Mutter Anni, Schwester Angelika sowie Neffen und Nichten auf der Tribüne. Nach der Wahl nimmt Udo seine Frau vor dem Plenarsaal in den Arm und gibt ihr einen Kuss. Später stellt sich die Familie zum Gruppenbild auf. Jan ist stolz auf seine Mutter und fachsimpelt ein wenig. Der Juso glaubt, das Regieren werde jetzt "eine Spur sicherer". Und Udo Kraft sagt über seine Hannelore: "Sie ist nicht nur die beste Ministerpräsidentin, sie ist auch die beste Ehefrau."

(RP/felt/sap)
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