Rechtswidrige Räumung Neuer Streit um den Hambacher Forst

Düsseldorf · Grünen- und SPD-Opposition fordern Ministerpräsident Wüst auf, den Konflikt zu lösen und sein Versprechen einzuhalten, im Braunkohlerevier so viele Dörfer wie möglich zu retten. Die Bauministerin erklärt den Streit hingegen für beendet.

 Polizisten stehen bei der Räumung des Hambacher Forsts im September 2018 hinter einer Barrikade. Foto Henning Kaiser/dpa

Polizisten stehen bei der Räumung des Hambacher Forsts im September 2018 hinter einer Barrikade. Foto Henning Kaiser/dpa

Foto: dpa/Henning Kaiser

Im Rechtsstreit um die Räumung des Hambacher Forsts zeichnen sich neue Konfliktlinien ab. In einer erregt geführten Auseinandersetzung im Düsseldorfer Landtag erhob die Opposition am Donnerstag schwere Vorwürfe gegen die Landesregierung. „Der mit über 50 Millionen Euro teuerste Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes war völlig sinnlos“, sagte SPD-Fraktionsvize Christian Dahm in einer von der Opposition beantragten Aktuellen Stunde und fügte hinzu: „Als Polizist würde ich mich von der Landesregierung auf den Arm genommen fühlen.“ Indem Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) nun auch noch einen demokratischen Ratsbeschluss in Kerpen ignoriere und der Stadt eine weitere Anweisung erteile, habe sie sich erneut für die „Holzhammer-Methode“ entschieden.

Grünen-Fraktionsvize Wibke Brems warf der CDU-/FDP-Landesregierung vor, „auf Gedeih und Verderb“ Gründe für die Räumung der Baumhäuser gesucht und damit Rechtsbeugung betrieben zu haben. Sie forderte den neuen NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf, für eine Befriedung des Konflikts zu sorgen. Brems schlug vor, den Hambacher Wald in öffentliches Eigentum zu überführen. Wüst müsse sein Versprechen aus der Regierungserklärung vom Vortag einlösen, im Braunkohlerevier so viele Dörfer wie möglich zu retten.

Anlass für die Aktuelle Stunde im Landtag waren die Folgen der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln, wonach die Räumung der Baumhäuser im September 2018 rechtswidrig war. Die Begründung der Landesregierung, dies sei aus Gründen des Brandschutzes erforderlich, hatte das Gericht als bloßen Vorwand bezeichnet. Auch habe die Weisung des Bauministeriums gegen das in der Verfassung garantierte Bestimmtheitsgebot verstoßen. Die Landesregierung will dieses Urteil nun von einer höheren Gerichtsinstanz, dem Oberverwaltungsgericht (OVG), überprüfen lassen.

Dazu hatte die Bauministerin der Stadt Kerpen, die 2018 als untergeordnete Behörde auch schon die Räumung der Baumhäuser gegen ihren Willen hatte vollziehen müssen, erneut eine Anweisung erteilt - trotz eines anderslautenden Ratsbeschlusses. Ob dieses Vorgehen der Landesregierung überhaupt rechtens ist, hatte eine OVG-Sprecherin infrage gestellt.

Die Landesregierung begründet ihren Erlass für Kerpen nach unserer Redaktion vorliegenden Informationen unter anderem damit, das Urteil des Verwaltungsgerichts führe zu erheblicher Rechtsunklarheit. 

Scharrenbach erklärte im Landtag den Streit im Forst für beendet und wies den Vorwurf juristischer Winkelzüge zurück: „Der Rechtsstaat erlaubt Rechtsmittel.“ Sie habe ernstliche Zweifel an dem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts. Die Landesregierung habe zuvor überall Beiladung zu den Gerichtsverfahren beantragt, dies sei ihr aber nicht gewährt worden, bekräftigte Scharrenbach. Daher könne das Land den Antrag auf Berufung nicht selbst stellen, sondern nur die Stadt Kerpen. Dieser Darstellung hatte ein Sprecher des Kölner Verwaltungsgerichts gegenüber unserer Redaktion kürzlich widersprochen: „Nach Rücksprache mit der zuständigen Kammer kann ich Ihnen mitteilen, dass es eine Bitte der Landesregierung auf Beiladung in dem Verfahren gar nicht gegeben hat.“

„Ich bin gespannt, ob die Anweisung an die Stadt Kerpen rechtens ist“, sagte der SPD-Abgeordnete Hans-Willi Körfges im Landtag. Es sei „pure Arroganz der Macht“, wenn die Landesregierung mit einer juristischen Niederlage nicht umgehen könne: „Wir haben glücklicherweise einen Rechtsstaat, der darauf besteht, dass es eine verlässliche Rechtsgrundlage geben muss, wenn Zwang angewandt wird.“

Der FDP-Abgeordnete Stephen Paul ließ hingegen die Frage außen vor, ob es eine zulässige Rechtsgrundlage für den Einsatz gab oder nicht. Er argumentierte, die Baumhäuser seien illegal errichtet worden, in den Hütten habe echte Gefahr für Leib und Leben bestanden. 

Scharrenbach schlug am Ende der Debatte allen Fraktionen vor, einen gemeinsamen Appell an die Waldbewohner zu richten, den Forst zu verlassen: „Gehen Sie aus dem Wald und nehmen Sie Ihren ganzen Müll gleich mit.“

(kib)
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