Schärfere Regeln für Dünger-Einsatz Ein Drittel der Anbaufläche von NRW wird zum „Roten Gebiet“

Düsseldorf · Am 1. Dezember tritt in NRW die neue Düngeverordnung in Kraft. Dann dürfen viele Bauern erheblich weniger düngen, Ernten werden geringer ausfallen. Was Landwirte, Umweltschützer und die Landesregierung zu der Neuerung sagen.

 Ein Landwirt verteilt Gülle (Symbolbild). Zu viel Stickstoff und - in der Folge - Nitrat in Boden und Wasser schädigen Mensch und Umwelt. Dem will die EU Einhalt gebieten.

Ein Landwirt verteilt Gülle (Symbolbild). Zu viel Stickstoff und - in der Folge - Nitrat in Boden und Wasser schädigen Mensch und Umwelt. Dem will die EU Einhalt gebieten.

Foto: dpa/Philipp Schulze

Rund ein Drittel der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in NRW gilt ab Dezember nach einer neuen Verordnung als „nitratbelastet“, also überdüngt. Bauern dürfen dort künftig deutlich weniger Dünger nutzen als bisher. Ernten werden deshalb wohl schlechter ausfallen. Erste Details zu den neuen Regeln hat das Land jetzt bekanntgegeben.

Die belasteten „Roten Gebiete“ auf der Landkarte werden demnach insgesamt rund 860.000 Hektar umfassen. Davon werden gut 507.000 Hektar landwirtschaftlich genutzt. Nach der bisher geltenden Verordnung galten weniger als 164.000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen in NRW als überdüngt; der Wert wird sich also mehr als verdreifachen.

Auf betroffenen Feldern müssen Landwirte künftig 20 Prozent „unter Bedarf“ düngen. Anders ausgedrückt: Sie dürfen nur noch 80 Prozent des Materials ausbringen, das rechnerisch notwendig wäre, damit sie ihre Erträge stabil halten. Für die Anwendung von Gülle und Mist gibt es zusätzlich Obergrenzen. Außerdem gelten verlängerte Sperrfristen, in denen überhaupt nicht gedüngt werden darf, und weitere Vorschriften.

Auf der Karte, die das Landesumweltamt erstellt hat, sind die nitratbelasteten "roten Gebiete" nach der neuen Düngeverordnung dargestellt.

Auf der Karte, die das Landesumweltamt erstellt hat, sind die nitratbelasteten "roten Gebiete" nach der neuen Düngeverordnung dargestellt.

Foto: Land NRW

Landwirte kritisieren die Neuregelung scharf. „Alle Kulturen werden darunter leiden“, sagte der Präsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbands, Bernhard Conzen, unserer Redaktion. „Wenn wir nicht mehr fruchtspezifisch düngen können, sind Qualität und Ertrag nicht mehr gegeben.“ Bei zu geringer Nährstoffzufuhr könne zum Beispiel Getreide nicht den Eiweißgehalt entwickeln, den Mühlen und Bäckereien verlangen: „Dann haben Sie Weizen, den Sie als Tierfutter in den Trog kippen können.“ Das bedeute nicht nur finanzielle Verluste; es sei auch angesichts von Krieg und Versorgungskrisen eine falsche Entscheidung.

„Die Erweiterung der Roten Gebiete trifft die Bäuerinnen und Bauern hart“, räumte NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) ein und versicherte: „Wir lassen die Landwirtinnen und Landwirte nicht alleine. Wir brauchen eine leistungsfähige und wettbewerbsstarke Landwirtschaft, gerade im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherheit müssen Hand in Hand gehen.“

Das Land NRW ist nämlich keineswegs angetan von den neuen Vorgaben, ist aber dazu verpflichtet, sie aufzustellen. Denn die Regeln richten sich nach den Leitlinien der Europäischen Kommission. Diese wiederum dienen dem Umweltschutz. Überdüngung schädigt Gewässer, und Nitrat ist gesundheitsschädlich, weshalb erhöhte Werte ein Problem für private Brunnen und die Trinkwasserversorgung sind.

Umweltverbände bewerten die Neuerung deshalb auch positiv. „Nordrhein-Westfalen wird endlich von der Europäischen Union dazu gezwungen, unsere Böden und unser Trinkwasser zu schützen, und damit unsere Ökosysteme und die ökologische Vielfalt“, sagte Holger Sticht, Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz in NRW. In der Vergangenheit seien die europäischen Vorschriften einfach blockiert worden: „Das wird jetzt korrigiert.“

Die Nitratbelastung sei ein „brennendes Problem in vielen Kreisen in Nordrhein-Westfalen“, betonte auch der Umweltverband VSR-Gewässerschutz. Die Organisation untersucht fortlaufend Wasser aus privaten und landwirtschaftlichen Brunnen. Ihren Daten nach hätten sich die Nitratwerte binnen der letzten fünf Jahre nicht mehr verbessert, sagte Sprecher Harald Gülzow. „Wir wissen seit 1990, das wir was tun müssen“, stellte er fest. „Die Politik hat das 30 Jahre lang verschlafen. Jetzt muss man ziemlich hart durchgreifen, um das auszugleichen.“

 Die landwirtschaftlich genutzten, belasteten Flächen nach der alten Düngeverordnung.

Die landwirtschaftlich genutzten, belasteten Flächen nach der alten Düngeverordnung.

Foto: Land NRW

Der Bund hat auf EU-Ebene lange um die Methode verhandelt, nach der die Nitrat- und auch Phosphatbelastung von Böden ermittelt wird. Nach der neuen Maßgabe dürfen nur noch die Messwerte an den Grundwasserteststellen zugrundegelegt werden, erläutert das Land: Sind die Werte erhöht, gilt der Bereich als gefährdet.

Früher hingegen habe das Land NRW noch mittels Berechnungen nachvollzogen, woher die Stoffe im Wasser jeweils kamen, um dann die dortigen Verursacher in die Pflicht zu nehmen, erklärte Jons Eisele, zuständiger Referent im Landwirtschaftsministerium. Der Grund: „Betriebe, die eigentlich vorbildlich düngen und auch gar nicht mehr die Möglichkeit haben, Dinge zu verbessern, die sollte man befreien können von zusätzlichen Maßnahmen.“

Die landwirtschaftlich genutzten, belasteten Flächen nach der neuen Düngeverordnung.

Die landwirtschaftlich genutzten, belasteten Flächen nach der neuen Düngeverordnung.

Foto: Land NRW

Man habe sich auf Bundesebene dafür starkgemacht, wieder zu einer differenzierteren, kleinteiligen Betrachtung zu kommen, führte Eisele weiter aus. Kurzfristig wird daraus aber keinesfalls etwas. Für eine Neuregelung müssten Gesetze geändert, Kriterien festgelegt, Daten erhoben werden. Bis es zu einer Änderung komme, dürften Jahre vergehen, heißt es.

„Wir drängen schon lange auf Ausnahmegenehmigungen für die vorbildlichen Betriebe und deren Befreiung von einzelnen düngerechtlichen Maßnahmen. Wir sind aber darauf angewiesen, dass der Bund die rechtlichen Voraussetzungen dazu schafft“, sagte Ministerin Gorißen.

Die neue Düngeverordnung tritt am 1. Dezember in Kraft. Detaillierte Karten, auf denen Betriebe genau prüfen können, welche Areale in den roten Bereichen liegen, werden am 30. November veröffentlicht.

Neue NRW-Verordnung: Bauern dürfen nicht mehr so viel düngen
Foto: grafik

Bei der Landwirtschaftskammer wurde eine zentrale Infostelle für Betriebe eingerichtet, die per Mail erreichbar ist. „Ich werbe dafür, die fachkundige und sehr fundierte Beratung der Landwirt­schaftskammer bei betrieblichen Einzelfragen zur Düngungsstrategie gerade jetzt gezielt zu nutzen“, warb Ministerin Gorißen.

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