Rot-Grün in NRW Nach einem Jahr bleiben viele Baustellen

Düsseldorf (RPO). Studiengebühren, WestLB, Schulpolitik, Landeshaushalt - es gab viel zu streiten in den vergangenen Monaten in NRW. Ein Jahr ist Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nun schon im Amt und mit ihr die rot-grüne Minderheitsregierung. Und immer wieder schwebte das Damoklesschwert der Neuwahlen über dem Düsseldorfer Landtag. Aber es gab auch bewegende Momente.

Als "ein Wagnis" hatte Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann das rot-grüne Minderheitsexperiment in NRW bezeichnet, als die Koalition vor zwölf Monaten endlich stand. Vorausgegangen waren diesem Moment unzählige Verhandlungsrunden aller Parteien. Rot-Grün mit Tolerierung durch die Linke, Rot-Schwarz oder vielleicht sogar eine Ampel mit der FDP? Doch schließlich blieb es bei der Entscheidung für die Minderheitsregierung, der eine Stimme im Parlament für die Mehrheit fehlt.

Und so betonte Löhrmann damals auch: "Wir können nicht wissen: Hält das für fünf Monate oder für fünf Jahre? Aber wir werden es versuchen." Und die Ministerpräsidentin selbst appellierte an das Verantwortungsbewusstsein aller Parteien im Landtag. Nur Fundamentalopposition sei nicht möglich. Bislang hat das jenem funktioniert – bis zu jenem Moment Ende Juni, als Rot-Grün einen kräftigen Warnschuss kassierte.

Abstimmungs-Skandal bei WestLB

Ausgerechnet bei einem so wichtigen Thema wie der WestLB und wie es mit der Landesbank weitergeht, verzettelte sich der Landtag derart in Kleinigkeiten, dass das mühsam ausgehandelte Restrukturierungsprogramm für die Bank zu kippen drohte.

Da die Linke diesmal - im Gegensatz zu vorherigen Abstimmungen - nicht für Rot-Grün stimmte, war die Regierung auf die Union angewiesen. Und die ließ die erste Abstimmung platzen, weil die SPD nicht einer parlamentarischen Fairnessregel gefolgt war. Denn wenn ein Abgeordneter krank ist, bleibt auch von der Gegenseite ein Abgeordneter der Abstimmung fern.

Letzlich kam es doch noch zu einer Einigung. Aber die Abstimmung zeigte deutlich wie nie zuvor auf, auf welchen wackeligen Füßen diese NRW-Minderheitsregierung steht. Doch angesichts der aktuellen Umfragewerte ist an Neuwahlen niemandem gelegen. Und so wird das mühsame Konstrukt wohl doch noch eine ganze Weile halten.

Denn nach einer Forsa-Befragung liegt die SPD mit 33 Prozent vor der CDU mit 32 Prozent. Rot-Grün käme demnach auf 54 Prozent der Stimmen. Das Risiko von Neuwahlen dürfte also eher die Opposition als die Regierung belasten. Hier dürfte sich lediglich die SPD angesichts des bundesweiten Trends in Richtung Grün Sorgen um ihr Abschneiden machen.

Drohung mit Neuwahlen

Das hält Ministerpräsidentin Kraft aber nicht davon ab, gelegentlich mit Neuwahlen zu drohen. So wie Anfang des Jahres, als die Abschaffung der Studiengebühren - ein wichtiger Punkt im Koalitionsvertrags - wegen der Linken auf der Kippe stand. Dass Union und FDP nicht dafür stimmen würden, war von vornherein klar, schließlich hatten sie die Gebühren als Vorgängerregierung eingeführt. Letzlich beruhigten sich auch hier die Gemüter, die Studiengebühren sind Geschichte.

Unmut droht heute aber noch an ganz anderen Stellen. So etwa hinsichtlich des Haushaltes, den die CDU für verfassungswidrig hält und deshalb Klage eingereicht hatte. Schon den Nachtragshaushalt von Rot-Grün hatte das Landesverfassungsgericht in Münster gekippt - die erste große Schlappe für Kraft und ihre Mannschaft.

Auch die Schulproblematik ist noch lange nicht gelöst. Die FDP jedenfalls warnte am Mittwoch die CDU, den Konsens zur Gemeinschaftsschule mitzutragen. Das wäre ein "historischer Fehler", wie Landesparteichef Daniel Bahr sagte. Doch trotz aller Streitigkeiten haben alle Parteien - auch die der Opposition - letzlich bewiesen, dass Blockade allein nichts bringt und eine Einigung im gewissen Rahmen trotz aller Parteipolitik nötig ist, um das Land nicht zum Stillstand zu bringen.

Und so würde Hannelore Kraft auch eine Direktwahl gegen den CDU-Landesvorsitzenden Norbert Röttgen laut der Forsa-Umfrage gewinnen - mit 51 Prozent. Auch, weil sie in einigen Momenten die richtigen Worte fand. Wie nach der Love-Parade-Katastrophe in Duisburg, als sie eine bewegende und von Tränen erstickte Trauerrede hielt, mit der sie den Opfern und den Angehörigen der Toten und vielen Menschen in NRW aus der Seele gesprochen hatte.

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