Diskussion um die Noten Mehr Einser-Abis – Unis vermuten neue Strategien in den Klassenzimmern

Düsseldorf · In den letzten zwei Jahren hat es mehr Spitzen-Noten im Abitur gegeben – an Bildungsniveau und Reife der jungen Leute hat sich aber offenbar nicht viel verändert. Die Universitäten fürchten, dass sich die Standards verschieben.

 Junge Leute in der Abiturprüfung (Symbolbild). Die Vorbereitung läuft heute womöglich anders als in früheren Jahren.

Junge Leute in der Abiturprüfung (Symbolbild). Die Vorbereitung läuft heute womöglich anders als in früheren Jahren.

Foto: dpa/Sina Schuldt

Auch die Hochschulen in Kostenpflichtiger Inhalt Nordrhein-Westfalen beobachten die Zunahme von Spitzennoten im Abitur und ziehen ihre Schlüsse daraus. „Wir sehen mit Sorge, dass sich die Standards verschieben, ohne das die Leute wirklich besser sind“, sagte Professor Johannes Wessels, Rektor der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Universitäten, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir hatten bei uns in Münster bei Bewerbungen um das Medizinstudium seit 2020 eine Zunahme der Einsnuller-Abiturienten von 74 Prozent. Es ist aber nicht zu spüren, dass die Bildungsqualität oder Reife der jungen Leute in der Coronazeit überproportional zugenommen hätte.“

Im vergangenen Jahr hatten 3,2 Prozent aller Prüflinge in NRW im Abi die Spitzennote 1,0 bekommen, und fast 30 Prozent lagen im Bereich bis 1,9.  Schon 2021 hatte es einen deutlichen Anstieg bei der Zahl der Bestnoten gegeben. Das hat eine Diskussion um den Wert und die Vergleichbarkeit der Noten ausgelöst, und somit um die Gerechtigkeit des Systems. Schülervertreter plädieren dafür, für die Vergabe von Studienplätzen einen anderen Weg zu finden als einen Numerus clausus, beispielsweise über Aufnahmeprüfungen oder Interviews.

Dieser Ansatz wäre auch aus Sicht der Hochschulen grundsätzlich nicht verkehrt, erklärte dazu Johannes Wessels. Allerdings würde man das Problem möglicher Ungerechtigkeiten damit nicht lösen, gab er zu bedenken: „Was wären denn dann die richtigen vergleichbare Kriterien, nach denen man die Leute in Prüfungen und Interviews auswählen könnte?“ Richtig sei aber, dass  die Abiturnote erfahrungsgemäß in der Tat nur begrenzt über einen voraussichtlichen Studienerfolg entscheide.

Der Hochschulrektor erklärt sich die Zunahme an Spitzen-Abis mit einer veränderten Zielsetzung. „Es findet in den Schulen eine starke Fokussierung auf das statt, was ich wirklich unverzichtbar wissen muss, um gut durch das Abitur zu kommen. Anderes, was auch wünschenswert wäre, wird weniger gelehrt.“ Zum Beispiel die breitere Allgemeinbildung, das selbstständige Erschließen von Inhalten, aber auch menschliche Reife oder Empathie flössen in keine Abiturnote ein.

Größere Sorge als die Zunahme von Abi-Bestnoten bereite den Hochschulen aber die Quote der jungen Menschen, die ihr Studium abbrächen.

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