Neues Programm in NRW Mehr Chancen für Vertretungslehrer an Schulen

Düsseldorf · Im Kampf gegen Lehrermangel will das Land mehr Vertretungslehrkräfte in Festanstellungen nehmen. Für die Arbeitnehmer bietet das Chancen. Kritiker sehen aber fachliche und pädagogische Probleme. Außerdem komme dadurch wieder kein zusätzliches Personal ins Schulsystem.

Vertretungslehrkräfte sollen Fehlzeiten festangestellter Kollegen abdecken. Viele werden aber eigentlich ständigt gebraucht, so reiht sich ein befristeter Vertrag an den anderen.

Vertretungslehrkräfte sollen Fehlzeiten festangestellter Kollegen abdecken. Viele werden aber eigentlich ständigt gebraucht, so reiht sich ein befristeter Vertrag an den anderen.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Wie viele Vertretungslehrkräfte heute vor nordrhein-westfälischen Klassen stehen, weiß niemand. Die Schulen stellen sie in Eigenregie ein, das Land führt darüber keine Statistik. Klar ist aber: Es gibt sie in nennenswerter Größenordnung. 19.433 befristet Beschäftigte waren nach Angaben des Landes im Januar insgsamt erfasst. Darunter fallen Vertretungskräfte, die normal unterrichten, aber auch Mitarbeitende in Projekten.

Die Vertretungskräfte ersetzen an den Schulen festangestellte Kollegen, die länger ausfallen, etwa durch Krankheit oder Schwangerschaft. Naturgemäß sind diese Stellen immer befristet. Einheitliche Vorgaben für die Besetzung gibt es dabei nicht: Schulleitungen entscheiden eigenverantwortlich, ob ein Bewerber für das besagte Aufgabenfeld geeignet ist oder nicht. So können Menschen mit Lehramts- oder sonstigem Studium vor den Kindern stehen, oder aber, wenn die Schule das für richtig hält, auch Leute aus Handwerks- und anderen Berufsfeldern.

Nach den Plänen von Schulministerin Dorothee Feller (CDU) sollen manche von ihnen jetzt die Chance auf eine Festanstellung bekommen. „Ziel ist es, qualifizierte und geeignete Kräfte mit mehrjähriger Unterrichtserfahrung, die ihre berufliche Zukunft im Schuldienst sehen, für eine Dauerbeschäftigung als Lehrkraft zu gewinnen“, hieß es aus ihrem Ministerium.

Das Angebot richtet sich an Vertretungslehrkräfte an Grund- und Förderschulen sowie an Schulformen ohne Oberstufe, die unter anderem mindestens einen Bachelorabschluss und drei Jahre Unterrichtserfahrung haben. Sie sollen voraussichtlich ab Mai entsprechende Anträge stellen können. Wie viele Leute man auf diese Weise gewinnen könnte, davon gibt es beim Land zunächst keine Vorstellung.

Elternvertretungen sehen den Ansatz positiv. „In den nächsten sieben Jahren sind wir froh über jede Hand, die uns hilft“, sagt der Vorsitzende der Landeselternkonferenz NRW, Christian Beckmann. Die Schulen könnten selbst entscheiden, was in Personalfragen für sie sinnvoll ist. „Und das Arbeitsklima verbessert sich auch, wenn Leute nicht mehr um ihre Posten bangen müssen.“

Die Bildungsgewerkschaft GEW warnt allerdings vor Fehlentwicklungen. „Wir brauchen die Menschen“, sagt die Landesvorsitzende Ayla Çelik. Aber wenn ungelernte Kräfte Stellen belegten, auf denen eigentlich ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sitzen sollten, dann sei das ein Problem. „Wir müssen darauf achten, dass keine Deprofessionalisierung stattfindet“, so Çelik. Die Leute müssten zumindest gut nachqualifiziert werden.

Positiv sieht man bei der Gewerkschaft die arbeitnehmerrechtlichen Aspekte. Die GEW hat Klagen von Vertretungslehrkräften unterstützt, die sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen gefangen fanden. So gibt es in dem System viele Kettenverträge: Eine befristete Anstellung reiht sich an die nächste. Wegen des unsicheren Status könnten sich Betroffene zudem schlechter gegen Überforderung wehren, erklärt Markus Peiter, Fachmann bei der GEW für die Thematik. Besonders schwierig sei das gerade dort, wo die Personalnot am größten sei: „Das erhöht natürlich den Druck auf die Schwächsten in der Kette, und das sind die Referendare und Vertretungslehrkräfte.“ Auch litten viele unter dem Gefühl, ihren Aufgaben fachlich und pädagogisch nicht gewachsen zu sein. „Ohne Fortbildungen wird ein Großteil dieser Menschen überlastet“, fürchtet Peiter.

Die Opposition im Düsseldorfer Landtag bemängelt, dass durch Entfristungen unterm Strich nicht für mehr Lehrende gesorgt wird. „Es kommt kein neues Personal ins System, sondern bereits vorhandene Beschäftigte bekommen eine dauerhafte Perspektive“, erklärt die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dilek Engin. Auch, wenn das für die Betroffenen natürlich wichtig sei. „Schwierig ist es, dass die Vertretungslehrkräfte oft nur ein Unterrichtsfach abdecken und keine didaktisch-pädagogische Ausbildung haben.“

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