Nathanael Liminski im Porträt Wer ist Armin Laschets Schattenmann?

Düsseldorf · Früher tourte der erzkonservative Katholik durch Talkshows. Heute scheut der Maschinist der Macht das Rampenlicht. Nathanael Liminski organisiert als Chef der Staatskanzlei die Regierungsgeschäfte in NRW – und erkennbar auch den Ministerpräsidenten selbst.

 Nathanael Liminski (r.) ist Armin Laschets (l.) Schattenmann. Als Chef der Staatskanzlei organisiert er die Regierungsgeschäfte.

Nathanael Liminski (r.) ist Armin Laschets (l.) Schattenmann. Als Chef der Staatskanzlei organisiert er die Regierungsgeschäfte.

Foto: dpa

Armin Laschet hat Glück, dass Nathanael Liminski nicht zehn Jahre älter ist. Noch genügt ihm die Rolle als rechte Hand des Ministerpräsidenten. Aber schon bald wird Deutschlands jüngster Staatskanzlei-Chef mehr eigenen Willen haben und sich nicht mehr unterordnen. Vielleicht wird aus dem heute 32-Jährigen eines Tages sogar einmal Laschets Konkurrent.

Wo Laschet spricht, ist Liminski nicht weit. Meist steht er mit verschränkten Armen am äußersten Rand und verfolgt, mehr noch als seinen Chef, die gesamte Szene. Mit wachen Augen, seitlich geneigtem Kopf – und grundsätzlich mit Krawatte. Wenn Laschet kritisch befragt wird, hat Liminski die Antworten längst vorausberechnet. Er kennt die Gegner und deren Schwächen, aktualisiert permanent seine Analysen – und schweigt.

Das, was er sagt, betont seine untergeordnete Rolle

An Laschets Kabinettstisch ist Liminski der einzige, der gerne unsichtbar bleibt. Obwohl das achte von zehn Kindern eines ehemaligen Deutschlandfunk-Redakteurs druckreif spricht, schlagfertig ist und gewitzt, lässt er sich ungern zitieren. Unserer Redaktion stand er für dieses Porträt zwar für ein Hintergrundgespräch zur Verfügung. Aus dem Gespräch durften wir jedoch keinen einzigen Satz verwenden.

Wenn Liminski sich überhaupt zitieren lässt, dann am liebsten mit Sätzen, die seine untergeordnete Rolle betonen: „Die Gegensätze, die beschrieben werden, zwischen Armin Laschet und mir, erleben wir beide, glaube ich, im Alltag nicht. Er ist der Chef. Er entscheidet“, sagte er einmal im Deutschlandfunk.

Trotzdem gibt es diese Gegensätze. Während Laschet zum Beispiel gerne mit den Grünen flirtet, steht Liminski fest im konservativen Flügel seiner Partei. Laschet trägt sein Herz auf der Zunge und lässt sich zu angreifbaren Spontan-Äußerungen hinreißen. Liminski nie. Wenn Laschet der nahbare Polit-Kumpel von nebenan ist, der den Witz riskiert und den Konflikt scheut, ist Liminski „eine politische Präzisionsmaschine“, wie die WAZ ihn beschreibt. Laschets Chef-Stratege weiß genau, wie seine Sätze wirken. Und richtet sie konsequent danach aus. Ist die Wirkung unkalkulierbar, beißt Liminski sich auf die Zunge.

Liminski ist tief gläubiger Katholik

So neulich bei einem Empfang im Landtag. In bierseliger Runde zog der Chef eines Landesunternehmens plötzlich über die Kanzlerin her. Deren Flüchtlingspolitik sei ein Fiasko, schlecht organisiert und ein historischer Fehler. Der tief gläubige Katholik Liminski, der das Gebot der Nächsten- und sogar Feindesliebe nach Kräften wörtlich nimmt, schluckte. Für ihn hat Angela Merkel nur ihre Christenpflicht erfüllt. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, den Angriff zu parieren. Inhaltlich wie rhetorisch. Aber Liminski schwieg. Zu viele Beobachter. Das Risiko eines öffentlichen Streits zwischen dem Chef der Staatskanzlei und einem angestellten Manager des Landes schien ihm zu groß.

Sein Weg an die Spitze der Staatskanzlei, wo er die Regierungsgeschäfte und erkennbar auch den Regierungschef sortiert, wirkt wie auf Umwegen. Und doch gibt es eine rote Linie im Lebenslauf des scheinbaren Leisetreters, dessen Zurückhaltung so dröhnend ist, dass sie sein Markenzeichen wurde. Liminski hat sich auf die Rolle des Schattenmanns spezialisiert. Bislang.

Entdeckt hat ihn der damalige Ministerpräsident des Landes Hessen, Roland Koch (CDU). Seinen ersten Job als dessen Redenschreiber beschrieb Liminski später einmal als „Riesenvorteil, der damit verbunden ist, dass Sie sehr eng an sehr erfahrenen, führenden Persönlichkeiten arbeiten und unglaublich viel lernen können“. Dirk Metz war Liminskis Chef. Kochs damaliger Regierungssprecher erinnert sich: „Nathanael Liminski war blitzgescheit. Wenn man die grobe Richtung vorgab, brachte Liminski ohne weitere Worte ein gutes Ergebnis.“

Mitbegründer der „Generation Benedikt“

Metz erinnert sich nur an eine Begebenheit, bei der es „Korrekturbedarf“ gab, wie er es formuliert. Liminski war damals gefragter Talkshow-Gast, weil er als Mitbegründer der papsttreuen Organisation „Generation Benedikt“ Sex vor der Ehe für sich ausschloss und auch anderen davon abriet. Er vertrat damit eine ähnliche Position wie sein Vater Jürgen, der – anders als Nathanael selbst – Mitglied im ebenso umstrittenen wie erzkatholischen Laienorden „Opus Dei“ ist. „Aber als Medien ihn dann als ‚Mitarbeiter von Roland Koch‘ bezeichneten, habe ich ihn gebeten, das auszuschließen“, erzählt Metz. Er habe nicht gewollt, „dass er als verlängerter Arm des Ministerpräsidenten dargestellt wurde“. Liminski habe das sofort verstanden und befolgt.

Und so saß Liminski mit 22 bei Sandra Maischberger auf dem Sofa, neben sich die Porno-Rapperin Lady Bitch Ray. Seine Position gegen vorehelichen Sex begründete Liminski so: „Das ist eine Haltung. Ich bin überzeugt, dass sie zutiefst dem entspricht, was glücklich macht.“ Maischberger: „In Wahrheit wissen Sie ja gar nicht, wovon Sie reden, da Sie es ja noch nicht ausprobiert haben.“ Liminski: „Ich muss auch nicht von einer Brücke springen, um zu wissen, wie das ist.“ Zärtlichkeit, erklärte Liminski der Talkmasterin, sei „dazu da, um jemandem zu zeigen: Du, nur Du, und Du für immer.“

„Er genießt großen Respekt – vielleicht zu viel“

Sein „Du für immer“, eine Wirtschaftspsychologin, heiratete Liminski fünf Jahre später. Sein erster Sohn wurde allerdings schon drei Jahre später geboren. Den pikanten Widerspruch zu seiner „Generation Benedikt“-Haltung räumt Liminski ein. Aber daran lässt er keinen Zweifel zu: Er ist froh, dass es Paul gibt.

Nach einem Umweg über das Bundesverteidigungsministerium folgte Liminski einem Ruf nach NRW. Der damalige Oppositionsführer Armin Laschet suchte händeringend nach einem Geschäftsführer für die tief zerstrittene CDU-Landtagsfraktion.

Das Bild, das die Parlamentarier aus dieser Zeit von ihm zeichnen, ist eindeutig. „Seine Tür war immer offen. Aber wehe dem, der an ihm vorbei Alleingänge versuchte“, heißt es bei damaligen Weggefährten. Die meisten reden nur ungern über ihn. Jedenfalls nicht, wenn sie befürchten, dass ihre Erinnerungen und Einschätzungen öffentlich werden. Ein Ex-Kollege sagt über Liminski: „Er genießt großen Respekt. Vielleicht zu viel. Jedenfalls möchte den keiner zum Gegner haben.“

Liminski formierte die desolate Fraktion mit Weitblick und Strenge zu neuer Schlagkraft. Seine Autorität behauptete der damals nicht einmal 30-Jährige mit einfachen Regeln und einer Souveränität, die in diesem Alter selten ist. Wie er es im zwölfstimmigen Wirrwarr seines Elternhauses gelernt hatte, unterband er keineswegs den Streit. Aber er definierte den Ring, in dem Streit stattfinden darf: Die Fraktionssitzung hinter verschlossener Tür.

Die Streitkultur in Liminskis Elternhaus, ein geräumiges Gebäude am Hangelarer Niederberg bei Sankt Augustin, haben Nathanaels Eltern Martine und Jürgen 2002 in ihrem Buch „Abenteuer Familie“ beschrieben. Dort stand ein großer Esstisch, wegen der zehn Kinder eine Spezialanfertigung. An ihm hielten die Liminskis wöchentlich „Familienrat“, Da kamen alle Probleme kamen auf den Tisch, und die Aufgaben wurden verteilt. Bruder Thomas war zuständig für alle Handwerksarbeiten, die Brüder David und Arnaud sollten für Ordnung im Spielzimmer sorgen. Nathanael, den damals alle „Momo“ nannten, war eine Art Privatsekretär des Vaters.

Zeit für Hobbys – und die Persönlichkeit

Einmal sollte „Momo“ für die Schule eine Mühle basteln. Er kränkelte, die Mühle wollte nicht gelingen. Schließlich musste die Mutter das Werk vollenden. Als Dank malte der kleine Nathanael seiner Mama Blumen und schrieb dazu: „Liebe Mama, danke, dass Du mir geholfen hast. Du hilfst mir immer, wenn ich krank bin.“ Und dann schrieb Nathanael angeblich noch zwei Sätze, die man Schülern im Mühlenbau-Alter kaum zutraut: „Du gibst mir Mut zum Leben. Auch Hoffnung.“

Zweimal boten Lehrer ihm an, eine Klasse zu überspringen. Er lehnte ab. Laut Eltern mit der Begründung: „Nicht weil ich dann um ein oder zwei Noten abfiele, das kann man aufholen. Es geht mir um die Zeit, die ich für meine Hobbys brauche.“ Auch, was „Momo“ darunter verstand, kolportiert das Buch: „Er meinte seine Persönlichkeitsbildung, dafür brauche man Zeit, die könne man schlecht überspringen.“ Mit seiner Abi-Note 1,1 studierte Liminski Geschichte in Bonn und Paris.

Paul Ziemiak, Chef der Jungen Union, ist Patenonkel des jüngsten der drei Kinder, die die Liminskis inzwischen haben. „Einer der wenigen echten Freunde, die ich in der Politik habe“, sagt Ziemiak über Liminski. Er besucht die Familie häufig in ihrer Altbau-Wohnung in Düsseldorf-Benrath. Als „nicht steril, sondern sehr häuslich“ beschreibt Ziemiak das private Umfeld.

Machtmensch und Menschenfreund zugleich

Auffallend sei, wie schnell Liminski daheim abschalten könne. „Wenn er nicht in die Politik gegangen wäre, gäbe Liminski auch einen hervorragenden Journalisten ab“, ist Ziemiak überzeugt, „er kann den großen Bogen auf den Punkt bringen.“ Liminskis politische Karriere hat aus Ziemiaks Sicht noch erhebliches Potenzial. „Nathanael ist jemand, der in unserem Land noch ganz andere Sachen machen kann“, sagt Ziemiak.

Außer seinen politischen Gegnern verliert niemand ein kritisches Wort über Liminski. Ist er noch zu jung, um Feinde zu haben? Oder fürchten ihn seine Feinde? Wahrscheinlich ist Liminski Machtmensch und Menschenfreund in einer Person. Für diese seltene Mischung gibt es keine Schublade, deshalb ist seine Persönlichkeit schwer zu greifen. Was sein öffentliches Umfeld wiederum zwingt, mit Liminskis Inhalten Vorlieb zu nehmen. Vielleicht ist das der Kern seines politischen Talents.

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