SPD-Mitarbeiter wollte Tochter von Heinen-Esser ausspähen Freundschaftsanfrage mit Folge

Düsseldorf · Erst entwickelte sich „Mallorca-Gate“ im Sinne der SPD. Doch der Versuch, Einblicke in den Instagram-Account von Ursula Heinen-Essers Tochter zu bekommen, wird für die Sozialdemokraten zum Bumerang.

 Die ehemalige NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser sagte am Freitag erneut im Untersuchungsausschuss zur Flut aus.

Die ehemalige NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser sagte am Freitag erneut im Untersuchungsausschuss zur Flut aus.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Innerhalb von drei Minuten gehen am 6. April beim Instagram-Account der minderjährigen Tochter der damaligen NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) zwei Freundschaftsanfragen ein: die eine vom Account von Sarah Philipp, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion. Wenig später folgt die eines Mitarbeiters, der für Philipp und den SPD-Abgeordneten Ralf Jäger arbeitet.

Der nun bekannt gewordene Fall, über den zuerst der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete, wird für die Genossen auf den letzten Wahlkampfmetern zum Problem. Jetzt stehen sie im Verdacht, über den Privataccount einer 15-Jährigen belastendes Material über deren Mutter gesucht zu haben.

Die CDU schäumt am Donnerstagabend schon kurz nach Bekanntwerden. Von einer Ausspähaffäre ist die Rede. Kutschatys Rücktritt wird gefordert. Am Morgen legt Fraktionschef Bodo Löttgen nach und spricht von Verrohung der demokratischen Kultur. „Ich fordere den SPD-Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidaten Kutschaty auf, die Familie von Frau Heinen-Esser für diesen beispiellosen Einbruch in ihre Privatsphäre förmlich um Entschuldigung zu bitten.“

Tatsächlich ist da der SPD längst klar, wie ernst die Lage ist. Philipp sagte unserer Redaktion zwar, von Ausspähen könne in keiner Weise die Rede sein: „Mein Mitarbeiter hat von sich aus über sein privates Mobiltelefon auch mit meinem persönlichen Account eine Kontaktanfrage an die Tochter von Frau Heinen-Esser gestellt.“ Das sei unsensibel und falsch gewesen. Es habe auch bereits arbeitsrechtliche Konsequenzen gegeben. „Selbstverständlich habe ich dafür bei Frau Heinen-Esser umgehend um Entschuldigung gebeten.“

Tatsächlich sagt Heinen-Esser selbst am Freitagmorgen im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Pua), sie habe ein Schreiben von Philipp erhalten, sich den Inhalt aber noch nicht näher angeschaut, weil sie sich auf ihre Vernehmung habe vorbereiten müssen.

Die Ministerin a.D. ist mit ihrer Anwältin erschienen. Denn wenn sie auch politisch nichts mehr zu verlieren hat, so drohen ihr für vorsätzlich falsche und unvollständige Angaben strafrechtliche Konsequenzen bis hin zu Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Es ist der erste öffentliche Auftritt nach ihrem Rücktritt am 7. April. Sie sei nach der Flutkatastrophe im Juli nach Mallorca zurückgeflogen, weil ihre damals 15-jährige Tochter vier Freunde in ihre Wohnung eingeladen hatte. „Meinem Mann konnte und wollte ich die Betreuung nicht zumuten.“ Es habe auch keine Alternative für die Betreuung gegeben. „Der Geburtstag meines Mannes, der eine Woche später stattfand, spielte bei diesen Überlegungen keine Rolle. Es ging um die Kinder – nichts anderes.“

Als sie die Umstände der Feier den Ausschussmitgliedern schildert, bricht Heinen-Esser in Tränen aus. Neben den bekannten Gästen hätten Freunde und deren Kinder teilgenommen. „Dass diese Gäste dafür öffentlich in der Kritik stehen, tut mir leid“, sagt sie schluchzend. Es habe Anfragen bis weit in das private Leben ihrer Familie gegeben, sagt Heinen-Esser im Rückblick auf die vergangenen Wochen. Als Grenzüberschreitung bezeichnet sie die Versuche, den Account ihrer Tochter auszuspähen. „Das war für mich ein Schritt zu viel“, sagt sie erneut mit tränenerstickter Stimme.

Auffallend sind an diesem Tag auch die Absetzbewegungen der Grünen von der SPD. Ihr Obmann Johannes Remmel drückt Heinen-Esser seinen Respekt dafür aus, dass sie vor dem Ausschuss erschienen sei. „Ich persönlich hätte es gut verstanden, wenn sie im Vorfeld der Sitzung mit Hinweis darauf, was ihrer Tochter widerfahren ist, nicht erschienen wäre.“ Das Vorgehen der SPD sei nicht in Ordnung.

Den zweiten Punkt für die CDU setzt an diesem Tag der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski. Er hatte freiwillig angeboten, im Ausschuss Auskunft über sein eigenes Wissen zu der umstrittenen Mallorca-Reise mehrerer Regierungsmitglieder und der Urlaubsvertretungsregel zu geben. Er finde es schon verwunderlich, wenn Kutschaty in diesen Tagen in einem Interview sage, dass zu seiner Zeit Vertretungsregeln wie im Sommer unvorstellbar gewesen wären. Er habe sich daraufhin die Urlaubsunterlagen der Vorgängerregierung angeschaut, sagt Liminski. Es habe mehrere Fälle gegeben, in denen Kutschaty gleichzeitig mit seinem Staatssekretär im Urlaub gewesen sei. „Nach Aktenlage war also mehrere Tage hinweg kein politischer Verantwortungsträger im Justizministerium – das mal fünf Tage, mal mitten im Jahr elf Tage.“

Fragen dazu, wann er denn selbst von der Feier mit mehreren Ministern und einer Staatssekretärin auf Mallorca erfahren habe, beantwortet Liminski vage. Heinen-Esser habe ihn Ende März im Zuge eines Gesprächs informiert. „Wann das genau war, kann ich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen.“ In den Tagen danach habe er auch Ministerpräsident Hendrik Wüst informiert.

 Staatssekretär Nathanael Liminski.  Foto: DPA

Staatssekretär Nathanael Liminski. Foto: DPA

Foto: dpa/Oliver Berg/DPA

Es wirkt so, als sei die CDU im Wahlkampf aufgewacht und habe keine Lust mehr, sich von der Opposition am Nasenring durch die Manege zerren zu lassen. Für ihren Wahlkampfauftakt am heutigen Samstag in Düsseldorf dürfte das der zuletzt doch arg strapazierten christdemokratischen Stimmung Auftrieb geben.

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