Krise bei der Ökopartei Linke stößt in die grüne Lützerath-Flanke

Düsseldorf · Weil sich viele Klimaaktivisten enttäuscht von der einstigen Klimapartei abwenden, wittert die Linke Morgenluft. Sie zeigt massive Präsenz bei Protesten gegen den politischen Mitbewerber.

Bei den Protesten vor der Landesparteizentrale der Grüne waren in der vergangenen Woche erkennbar auch Sympathisanten der Linken dabei.

Bei den Protesten vor der Landesparteizentrale der Grüne waren in der vergangenen Woche erkennbar auch Sympathisanten der Linken dabei.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Die Räumung von Lützerath ist schon jetzt zum veritablen Problem für die Grünen in NRW geworden. Erste Kommentatoren sprechen in Analogie zur SPD schon vom „Hartz IV der Grünen“. Die Klima-Aktivistin Greta Thunberg sagte der ARD, es sei sehr heuchlerisch, was gerade passiere: „Erst an den Demos für Lützerath teilzunehmen und dann Lützerath zu opfern.“ Man kann dem grünen Spitzenpersonal der Partei förmlich ansehen, wie belastend die Räumung ist. Und auch wenn vom heutigen Umweltminister Oliver Krischer bis hin zur Co-Fraktionsvorsitzenden Wibke Brems alle ihre Forderungen nach einem Erhalt der Dörfer immer mit dem Nebensatz garnierten, RWE dürfe keine Fakten schaffen, bevor – wie inzwischen geschehen – der Fall Lützerath nicht ausgeurteilt sei, hat die Partei es bislang nicht geschafft, mit den Errungenschaften des vorgezogenen Kohleausstiegs und dem Erhalt der Dörfer zu den Aktivisten durchzudringen.

Die Flanke bei den Grünen steht sperrangelweit offen. Und genau in diese Öffnung drängt nun mit aller Macht die Linke. Bei einer Demonstration vor der Landesparteizentrale am vergangenen Dienstag waren auffallend viele Linken-Plakate zu sehen. Am 8. Januar zog zudem die Steinfurter Linken-Bundestagsabgeordnete und NRW-Landessprecherin Kathrin Vogel ins besetzte Lützerath ein. Schützenhilfe lieferte zudem die Bundesvorsitzende Janine Wissler, die ebenfalls ins Rheinische Revier reiste. „Zusammen mit der CDU haben die Grünen in NRW ihr eigenes Programm verraten auch die Menschen in der Region verraten und verkauft an RWE. Und das nehmen wir nicht hin“, sagt Vogler in die Kamera.

Sie sei von Sonntag bis Mittwoch in Lützerath gewesen und habe dort sehr viele, sehr entschlossene Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund getroffen, sagte Vogler unserer Redaktion. „Für mich gehört die Klimapolitik schon lange zum Programm der Linken. Ich war schon im Hambacher Wald dabei, habe leider auch miterlebt wie der Journalist bei dem Absturz ums Leben kam.“ Für sie sei der Klimaschutz eine Frage von sozialer Gerechtigkeit.

„Die Grünen haben wohl wegen ihrer DNA den Kompromiss zu sehr verinnerlicht“, sagt Vogler. „Zugleich haben sie sich aber hingestellt und gesagt, alle Dörfer bleiben. Und dazu noch ein Landesparteitag an der Abbruchkante abgehalten.“ Viele hätten sich deshalb darauf verlassen, dass die Braunkohle bei einer grünen Regierungsbeteiligung endgültig Geschichte wäre und man sich den wirklichen Zukunftsthemen zuwenden könne. „Aber stattdessen verraten die Grünen ihre eigene Wählerschaft. Sich hinzustellen und zu sagen, das sei alles ausgeurteilt und die Besitzverhältnisse seien klar, und dann stellt sich heraus, für viele Grundstücke gilt das gar nicht, das erschüttert das Vertrauen. Den Grünen scheint ja der Machterhalt wichtiger zu sein als Artikel 20a des Grundgesetzes, der einen Schutz der natürlichen Lebensgrundlage vorgibt.“

Lützerath Räumung: Die letzten Tage des Dorfes im Braunkohlerevier - eine Chronologie
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Die letzten Tage von Lützerath – eine Chronologie

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Foto: dpa/Henning Kaiser

Sie hoffe, sagt die Linken-Landesvorsitzende, dass sich die Klimaaktivisten jetzt nicht enttäuscht komplett von der Politik abwenden. „Wir machen deshalb jetzt ein kompetentes Gegenangebot. Die Klimakrise ist einem Maß angekommen, dass es keine Zeit mehr für faule Kompromisse mit der Industrie gibt.“

Ihr Co-Landessprecher Sascha Wagner hat bereits personelle Konsequenzen für die Landesregierung gefordert: „Reul und Neubaur müssen ihren Hut nehmen und ihre Ministerposten umgehend niederlegen“, sagte er. Eine Regierung, die sich bei der teilweise brutalen Räumung von Lützerath stets auf rechtsstaatliche Prinzipien berufe, hätte zuvor prüfen müssen, ob der Energiekonzern RWE überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen für die Erweiterung des Kohlefeldes erfülle.

Dass die Linke mit aller Kraft versucht, das Thema zu besetzen, ist allerdings auch eine Verzweiflungstat. War die Partei 2017 noch mit 4,9 Prozent knapp am Wiedereinzug in den Düsseldorfer Landtag gescheitert, schaffte sie bei der jüngsten Landtagswahl im Mai 2022 gerade einmal 2,1 Prozent. Die Partei schaffte es zuletzt vor allem durch interne Querelen, Vorstandsrücktritte und Sexismusvorwürfe in die Schlagzeilen.

Die NRW-Grünen selbst wollten sich zu den Ambitionen der politischen Konkurrenz im Übrigen auf Anfrage unserer Redaktion nicht äußern.

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