Umstrittener Besuch in Köln Liminski nennt Taliban-Auftritt „gezielte Provokation“
Düsseldorf · Der Chef der NRW-Staatskanzlei und Minister für Internationales, Nathanael Liminski, hat mit deutlichen Worten auf den vielfach kritisierten Auftritt eines Vertreters der radikalislamischen Taliban in einer Kölner Moschee reagiert.
Bei dem vielfach kritisierten Auftritt eines Vertreters der radikalislamischen Taliban in einer Kölner Moschee sind NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zufolge nach bisherigem Kenntnisstand „keine strafrechtlich relevanten Äußerungen“ gefallen. Die Behörden hätten daher theoretisch auch gar nicht einschreiten können, so Reul. Ihm zufolge „könnte ein solcher Auftritt jederzeit bei uns wieder passieren, das ist nicht zu verhindern“, denn in Deutschland seien Taliban nicht mit einem Betätigungsverbot belegt. Nach den heutigen Bestimmungen könnten Taliban-Vertreter auch direkt nach NRW einreisen.
Der Landesverfassungsschutz äußerte sich nicht zu der Frage, was über den „Kulturverein der Kunar-Jugendlichen e.V.“ bekannt ist, der die Veranstaltung organisiert haben soll, oder ob man der Frage nachgeht, welche Personen bei dem Auftritt am Donnerstag in Köln anwesend waren. „Eine Stellungnahme zum Überwachungsstatus einer Organisation oder Person außerhalb des Jahresberichts lässt Rückschlüsse auf den Untersuchungsbedarf, den Kenntnisstand sowie die allgemeine Arbeitsweise des Verfassungsschutzes zu. Dies hätte nachteilige Auswirkungen auf die Arbeitsweise“, hieß es aus dem Innenministerium.
Der Chef der NRW-Staatskanzlei und Minister für Internationales, Nathanael Liminski (CDU), sagte unserer Redaktion: „Man darf sich nichts vormachen: Der offenkundige Versuch einer Machtdemonstration der Taliban durch den Auftritt ihres Vertreters in Köln ist eine gezielte Provokation. Diese Herausforderung unserer offenen Demokratie müssen wir auf allen Ebenen ernst nehmen und annehmen.“ Die Bundesregierung dürfe es nicht bei Verurteilungen der Taliban belassen. „Es muss das Ziel sein, dass die Sicherheitsbehörden solche Auftritte von Vertretern islamistischer Terrorregime unterbinden.“ Vor dem Hintergrund der Taliban-Propaganda müsse die Bundesregierung auch Hilfen für Afghanistan ernsthaft hinterfragen, so der CDU-Politiker.
Das Bundesinnenministerium erklärte, man habe im Vorfeld keine Kenntnis von dem besagten Auftritt gehabt. Ein Sprecher erklärte, das Ministerium werde gegenüber Ditib auf weitere Klärung des Gesamtsachverhaltes dringen.

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Der Bundesvorstand des Islamverbandes hat sich von dem Taliban-Auftritt distanziert. „Die Ditib lehnt, gemeinsam mit all ihren Verbandsstrukturen, jede – auch nur geistige – Nähe zu Taliban oder anderen Extremisten ab“, heißt es in einer am Montag in Köln verbreiteten Erklärung. „Wir distanzieren uns in aller Entschiedenheit unmissverständlich von Extremismus, Terror und Gewalt. Wir verurteilen den Auftritt der Taliban in Deutschland aufs Schärfste und erwarten von den staatlichen Einrichtungen ebenfalls eine lückenlose Aufklärung.“
Sven Wolf, Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Landtagsfraktion, sagte: „Wir dürfen dem Regime der Taliban in NRW keine Bühne bieten.“ Wolf verlangte, die Ditib müsse jetzt umgehend aufklären, wie es zu dem Besuch eines hochrangigen Taliban-Funktionärs kommen konnte, um einen Vortrag über das Kalifat zu halten. „Das passt nicht zu unseren Werten von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat.“ Die SPD hat zu dem Thema für diesen Donnerstag eine aktuelle Viertelstunde im Innenausschuss beantragt.
Marc Lürbke, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, sagte: „Wir müssen endlich aufhören, uns von Ditib an der Nase herumführen zu lassen.“ Dass ein Taliban-Funktionär in den Räumen der Moschee mit Applaus empfangen werde und Spenden einwerbe, nannte Lürbke völlig inakzeptabel. „Das muss Konsequenzen für den Veranstalter haben.“
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Julia Höller, wies darauf hin, dass viele Afghaninnen und Afghanen vor dem Taliban-Regime auch nach NRW geflohen seien. Sie warnte, die Taliban dürften nicht normalisiert werden. Die Ditib müsse sicherstellen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen könne. „Ich habe auch keinerlei Verständnis für die Einladung eines Vertreters der Taliban zu einer Tagung der Evangelischen Akademie Villigst, und es ist gut, dass dieser Auftritt nun offenbar aus dem Programm genommen wurde“, so Höller. Die Evangelische Akademie hatte am Montag erklärt, dass sie ihn von der 37. Afghanistan-Tagung ausgeladen habe. Aktuell lasse sich „kein angemessenes Forum für ein offenes und kritisches Gespräch schaffen“, erklärten die Akademie und die Evangelische Kirche von Westfalen in Schwerte.
Auch in den Niederlanden, über die der Taliban-Funktionär Abdul Bari Omar eingereist war, hat der Besuch für Aufregung gesorgt. In Den Haag traf der niederländische Gesundheitsminister Ernst Kuipers den Afghanen auf einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation. Der Afghane hatte ein Foto von sich und dem Minister beim Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter, geteilt. Er schreibt, er habe „ein paar Themen“ mit Kuipers besprochen. Der Minister erklärte, er habe nicht gewusst, mit wem er es zu tun hatte und mit wem er fotografiert wurde. Er entschuldigte sich auf X. „Das war ein Fehler, der absolut nicht passieren sollte, und ich bedauere es. Ich kann mir vorstellen, dass dies für viele verletzend ist. Natürlich möchte ich in keiner Weise mit diesem schrecklichen Regime in Verbindung gebracht werden: Ich trete für die Menschenrechte und insbesondere für die Frauenrechte ein.“
Zu der Frage, wie Omar in die Niederlande einreisen konnte, teilte das niederländische Außenministerium mit, dass „diese Person nicht auf einer Sanktionsliste“ stehe. Dennoch hätte ihm kein Visum erteilt werden dürfen. Mit dem Schengen-Visum reiste er nach Deutschland weiter. Omar selbst schrieb am Samstag auf X, dass er sich immer noch in Europa aufhält.