Bildungspolitik Lehrermangel an jeder zweiten Schule

Düsseldorf · Einer Studie zufolge fühlen sich viele Schulleiter in Deutschland überfordert. Oftmals müssen Seiteneinsteiger im Unterricht einspringen.

 Schulunterricht in Deutschland

Schulunterricht in Deutschland

Foto: dpa, awe cul jai jol

Die Not an den Schulen scheint noch immer groß: Jede zweite ist von Lehrermangel betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage unter Schulleitungen, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) am Freitag in Düsseldorf vorgestellt hat. 55 Prozent der Schulleitungen bezeichneten den Mangel demnach als ihr größtes Problem. In NRW liegt der Wert bei 61 Prozent. Dies ist eine leichte Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr (64 Prozent in NRW, 57 Prozent im Bund). Allerdings gaben 60 Prozent der Schulleitungen in NRW bei einer anderen Frage an, an der eigenen Schule mit Lehrkräftemangel und unbesetzten Stellen „zu kämpfen zu haben“. 2018 waren es noch 44 Prozent. Im Bund lagen die Werte bei 50 (2019) und 36 Prozent (2018).

Der Lehrermangel führe vor allem zur Einstellung von Seiteneinsteigern. 45 Prozent der befragten Schulleitungen in Deutschland sind auf sie angewiesen. In NRW sind es 58 Prozent (plus fünf Punkte). Zwei von drei Schulleitungen gaben an, dass die Seiteneinsteiger nicht angemessen qualifiziert werden. „Der Lehrermangel ist kein Randphänomen“, sagte VBE-Chef Udo Beckmann, „er ist bestimmend für die Schullandschaft geworden“. Insbesondere Schulen in schwierigen sozialen Stadtteilen griffen auf Seiteneinsteiger zurück.

„Hier setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang, die bald nicht mehr aufzuhalten ist. Und es gibt sogar eine doppelte Abwärtsspirale, denn die originär ausgebildeten Lehrkräfte werden in Zeiten des Lehrermangels immer stärker beansprucht“, sagte Beckmann. Psychische Erkrankungen durch Stress und Überbelastung könnten die Folge sein. Beckmann warf der Politik vor, sie spare Lehrkräfte kaputt.

Als größte Probleme neben dem Lehrermangel nannten die Schulleitungen laut Umfrage die Herausforderung durch Inklusion und Integration (26 Prozent), die Ausstattung (19 Prozent), den Zustand von Gebäuden (21 Prozent), aber auch Schwierigkeiten mit den Eltern sowie Zeitmangel (jeweils 18 Prozent). Die unzureichende Ausstattung ist vor allem in NRW ein zunehmendes Problem: Hier lag der Wert bei 25 Prozent, ein Anstieg um zwölf Prozentpunkte im Vergleich zu 2018. Auch die „Zusammensetzung der Lehrerschaft“ sehen vor allem in NRW die Schulleitungen als wachsende Herausforderung (neun Prozent). Im vergangenen Jahr gab nicht eine Schulleitung derartige Probleme an.

Als größten „Belastungsfaktor“ bezeichneten 91 Prozent der bundesweiten Schulleitungen ein stetig wachsendes Aufgabenspektrum. 86 Prozent bemängelten, „dass Politiker bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend beachten“. Die Politik erhält auch insgesamt kein gutes Zeugnis von den Lehrern. Nur zehn Prozent der Schulleiter fühlen sich durch den jeweiligen Bildungsminister persönlich unterstützt. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) vermittelt nur sechs Prozent das Gefühl der Unterstützung. Als Note gibt es für die hiesige Schulpolitik im Mittelwert eine 3,9.

Der VBE-Landesvorsitzende Stefan Behlau sagte: „Unsere Umfrage zeigt deutlich, was die Experten aus der Praxis benötigen. Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die Zukunft. Bildung ist nach wie vor Ländersache, insofern sind wir sehr gespannt auf den nächsten Haushaltsentwurf in NRW. Weltbeste Bildung ist wertvoller als eine schwarze Null.“

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