"Turbo-Abitur" belastet Schüler Lehrer fordern weniger Klassenarbeiten

Düsseldorf · Die Verkürzung der Gymnasialzeit ("Turbo-Abitur") belastet Lehrer und Schüler. Als Gegenmaßnahme empfehlen Philologenverband und Gewerkschaft Abstriche bei den Klassenarbeiten. Das Ministerium reagiert aufgeschlossen.

Eine Woche vor dem Ende der Sommerferien in NRW kommt Bewegung in die Debatte um die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf acht Jahre (G 8). Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbands NRW, schlägt zur Entlastung von Schülern und Lehrern eine Reduzierung der Zahl der Klassenarbeiten in Unter- und Mittelstufe vor. "Warum sollen nicht vier Arbeiten pro Schuljahr reichen?", fragte Silbernagel.

Derzeit sind in Klasse fünf bis sieben je sechs, in Klasse acht fünf, in Klasse neun dann vier bis fünf Arbeiten pro Schuljahr vorgesehen. "Das darf keinen Qualitätsabbau bedeuten, sondern soll zur Entspannung beitragen", sagte Silbernagel. Allerdings müsse dann die mündliche Mitarbeit einen höheren Stellenwert für die Zeugnisnote bekommen, um Schülern die Möglichkeit zum Ausgleich schlechter schriftlicher Noten zu geben.

2005 hatte Nordrhein-Westfalen die Schulzeit am Gymnasium von neun auf acht Jahre verkürzt; 2013 wird der erste komplette G 8-Jahrgang die Schulen verlassen. Seither gab es immer wieder Beschwerden von Eltern, Schülern und Lehrern über zu hohe Arbeitsbelastung.

Silbernagel regte neben einer weiteren Straffung der Lehrpläne und anderen Prüfungsformen, etwa in Gruppen, auch eine Verkürzung der Klausuren in der Oberstufe an: "Die Länge sollte der im Studium entsprechen. Sechs Stunden sind zu viel. Und Klausuren sollten auch nicht vier Stunden dauern, wenn drei möglich sind."

Unterstützung kam von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Landesvorsitzende Dorothea Schäfer sagte, auch eine Fachgruppe der GEW habe die Senkung der Zahl der Arbeiten vorgeschlagen.

Außerdem könnten Aufgaben verändert werden: "In Deutscharbeiten könnten etwa gezieltere Fragen gestellt werden, ohne ganz auf die Formulierung freier Texte zu verzichten." Eine erneute grundlegende G 8-Reform lehnen aber sowohl Philologenverband als auch Gewerkschaft ab.

Kritik an den Plänen übte der Elternverein NRW. "Eine Senkung der Zahl der Klassenarbeiten würde nur die Lehrer entlasten; die Kinder hätten dagegen weniger Gelegenheit zur Übung", sagte die Vorsitzende Regine Schwarzhoff: "Das würde auch zu mehr Konflikten bei der Notengebung führen."

Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) zeigte sich grundsätzlich offen für die Vorschläge. "Wir sind im konstruktiven Dialog mit den Lehrerverbänden bereit, Entlastungsmöglichkeiten zu prüfen, was Anzahl und Umfang der Klassenarbeiten angeht", sagte sie. Dabei dürfe es aber keine Abstriche bei den Bildungsstandards geben: "Die Anforderungen an die Qualität und die Sicherung der Vergleichbarkeit im Verbund der Kultusministerkonferenz stehen nicht zur Disposition."

(RP/csi/rm)
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