Landtagswahl 2017 Das Ende der Ära Kraft

Düsseldorf · Es ist ein Schicksalsabend für Hannelore Kraft: Unmittelbar nach der Wahlniederlage tritt die einstige Hoffnungsträgerin der SPD von ihren Parteiämtern zurück und übernimmt die Verantwortung. Ihre Parteifreunde suchen die Gründe für das Debakel bei den politischen Gegnern.

Landtagswahl 2017 NRW: Lange Gesichter bei SPD-Wahlparty mit Hannelore Kraft
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Enttäuschung bei der SPD und Hannelore Kraft

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Foto: dpa, pgr

Um 18.18 Uhr tritt Hannelore Kraft vor die Genossen. Sie eilt durch den Saal, abgeschirmt von Sicherheitsleuten, ihr Mann Udo folgt mit einigem Abstand. Eigentlich sind sie alle hierhergekommen, um zu feiern. Verhaltener Applaus. Die Ministerpräsidentin stellt sich vor das Mikrofon, sie schaut in den Saal, in die bitter enttäuschten Gesichter. Sie schluckt schwer, presst die Lippen zusammen und beginnt: "Liebe Genossinnen und Genossen, das ist kein guter Tag für die Sozialdemokratie." Dann gratuliert sie Armin Laschet, wünscht ihm "eine gute Hand für unser Land". Und fährt fort: "Es hat nicht gereicht", die SPD habe das Vertrauen der Wähler verloren. Auf eigenen Wunsch habe sie den Wahlkampf so angelegt, dass er vor allem landespolitische Themen in den Mittelpunkt stellte.

Und dann spricht sie den Satz, der eine Ära beendet: "Für die Entscheidungen, die getroffen wurden, übernehme ich persönlich die Verantwortung. Und deshalb trete ich mit sofortiger Wirkung von meinem Amt als Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende zurück." Ein letztes Mal schaut sie in den Saal, presst noch einmal die Lippen aufeinander und verlässt die Bühne. In ihren Augenwinkeln blitzen Tränen auf. Das Leben im Saal scheint für Sekunden stillzustehen.

Dass es für Hannelore Kraft knapp werden würde, hatte sich in den Tagen vor der Wahl abgezeichnet. Nicht aber, dass die Wähler ihre Politik so hart und eindeutig abstrafen. Sie, die einstige Hoffnungsträgerin der SPD, bringt der Partei das schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit in NRW ein. Es gibt nichts, was noch schönzureden ist. Kraft ist lange genug in der Politik, um zu wissen, dass es nur eine Konsequenz aus einer solchen Niederlage gibt: den sofortigen Rücktritt.

Die entscheidenden Minuten kurz vor 18 Uhr hatte sie in der Staatskanzlei verbracht. Den Moment, in dem der rote Balken der SPD auf dem Bildschirm langsam kletterte und dann viel zu früh stehenblieb. Dann hatte sie den schweren Gang zur Wahlparty der SPD angetreten, die sich im Henkel-Saal des Quartier Bohème in der Altstadt versammelt hat. Ein "angesagter Hotspot", wie es im Internet heißt, wo Düsseldorfer am Wochenende exzessiv tanzen und feiern. Unpassender könnte der Ort kaum sein.

Noch als die erste Prognose um 18 Uhr über die Bildschirme flackert, ist der Henkel-Saal in dunkelrotes Party-Licht getaucht. "30,5 Prozent für die SPD - schlechtestes Ergebnis", sagt der Moderator. Erschreckte Ausrufe werden laut, dann herrscht Stille. Als das starke Ergebnis für die FDP bekannt wird, ertönt höhnisches Gelächter. "Dann sollen sie doch", stößt eine ältere Frau trotzig hervor. "Das maximal Schauderhafte ist eingetreten", sagt Georg Groth, ein Herr in mittleren Jahren, seit über 40 Jahren Parteimitglied.

Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat sich unter die Parteifreunde gemischt. "Die Negativ-Kampagne der CDU hat gefruchtet", ist sie überzeugt. Aus ihrer Sicht war es ein Fehler, sich die Rot-Rot-Grün-Debatte "aufsetzen zu lassen, mit der Linkspartei, die gar nicht im Landtag vertreten war". Wenig später im Landtag wird NRW-Bauminister Michael Groschek (SPD) sagen: "Es ist FDP und CDU gelungen, aus Stimmungen Stimmen zu erzeugen." Dann kommt auf einmal der 86-jährige Burkhard Hirsch auf Groschek zu. Der frühere FDP-Innenminister in NRW und Bundestagsvizepräsident flüstert Groschek etwas ins Ohr: "Kaufmannsgut hat Ebbe und Flut."

Hannelore Kraft erreichen diese Worte nicht mehr, sie hat den Landtag durch den Hintereingang verlassen.

(RP)
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