Programmanalyse der NRW-Parteien FDP und Grüne sehen Start-ups zur Landtagswahl am meisten im Fokus

Düsseldorf · Ohne neue Firmen keine guten Jobs. Darum propagieren fast alle Parteien eine weitere Förderung von Start-Ups nach der Landtagswahl. Bei einer Partei kommt das Thema aber seltsamerweise gar nicht vor. Das zeigt der Check ihrer Programme.

 NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (Mitte) hat sich unter anderem für Gründerstipendien eingesetzt (Archivfoto).

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (Mitte) hat sich unter anderem für Gründerstipendien eingesetzt (Archivfoto).

Foto: RP/© MWIDE NRW/R. Sondermann

Der Sieg nach Punkten geht an die FDP: 19-mal nennen die NRW-Liberalen den Begriff „Start-up“ in ihrem Programm zur Landtagswahl am Sonntag. Dahinter folgen Grüne (12 Nennungen) und CDU (11). Bei der SPD taucht das Wort immerhin noch zwei Mal auf, bei der AfD kein einziges Mal. Ein erstaunliches Gefälle, haben doch eigentlich alle Parteien in den vergangenen Jahren die Gründerszene als relevantes Klientel für sich entdeckt. Start-ups versprechen innovative Technologie, zusätzliche Arbeitsplätze und neue Chancen für manche Standorte. NRW solle zum „Keyplayer“ in der bundesweiten Start-up-Landschaft werden, schreibt die CDU. „Werden wir als Gründerland Nummer 1 noch erfolgreicher“, gibt die FDP als Ziel aus. „Wir machen NRW zum Start-up-Spitzenreiter“, sekundieren die Grünen.

Zugleich sind Gründerinnen und Gründer jedoch auch selbstbewusster geworden – sie wenden sich mit ihren Forderungen nach besseren Fördermöglichkeiten und weniger Bürokratie direkt an die Politik. Ein Blick in die Wahlprogramme aller aktuell im Landtag vertretenen Parteien zeigt: Grundsätzlich wollen viele die Gründerszene im Bundesland stärken. Wenn es um konkrete Konzepte geht, muss man jedoch genauer hinschauen. Und im Gegensatz zur Abstimmung am Sonntag zählen bei den Inhalten eher Klasse statt Masse.

Starthilfe

Für den Start ist gesorgt: Mit dem Gründerstipendium konnten seit 2018 fast 3000 junge Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützt werden, vermeldet die FDP stolz – vorangetrieben wurde das Programm maßgeblich von Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart. Zukünftig sollen pro Jahr mindestens 1000 solcher Stipendien vergeben werden, die bis zu zwölf Monate lang 1000 Euro auszahlen, damit sich Gründer auf ihre Idee fokussieren können. Man wolle diesen Weg „konsequent ausbauen und weitergehen“, heißt es im Programm der Liberalen. Auch die CDU spricht sich für eine Erweiterung dieses Bausteins aus. Die Grünen wollen es „verbessern“ – ohne Details aufzuführen.

Finanzierung

Das Stipendium mag auf den ersten Metern helfen. Dann aber brauchen Start-ups Risikokapital – von privaten Investoren oder öffentlichen Stellen. Sonst besteht die Gefahr, dass Tech-Firmen in andere Bundesländer abwandern. Im Fokus steht hier zum einen die NRW-Bank als landeseigene Förderbank: Die Grünen zielen darauf, Mikrokredite und Mezzanine-Kapital, eine Zwischenform von Eigen- und Fremdkapital, bereitstellen. Unter der Dachmarke „NRW.Venture“ hat die Förderbank ihre Start-up-Aktivitäten im vergangenen Jahr gebündelt, betont die FDP. Zum anderen geht es jedoch darum private Investoren für NRW zu begeistern – trotz einiger Fortschritte ein anspruchsvolles Vorhaben. Die FDP setzt darauf, den Standort „auch international noch attraktiver zu machen“. Die CDU will eine Strategie erarbeiten, um „Börsengänge unserer Technologie-Start-ups zu erarbeiten“ – bislang ist die Börse Düsseldorf nicht als erste Anlaufstelle für Tech-Firmen bekannt. Die Grünen planen einen Wagniskapitalfonds, abgesichert mit Bund- und Landesmitteln, der Innovationen in nachhaltige Bereichen – von der Mobilität bis zu Biotechnologie – fördern soll.

Standorte

Als regionaler Anker, um Gründer mit Mittelstand und Konzernen zu vernetzen, gibt es in NRW die „Digital Hubs“ – aktuell existieren fünf solcher Einrichtungen, in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Münster und Essen. Die FDP will dieses System nach eigenen Angaben weiter ausbauen. Ebenso die Grünen: Die planen, zusätzliche Hubs auch im ländlichen Raum einrichten – über konkrete Standorte schweigen sich aber beide Parteien aus. Darüber hinaus schlagen die Grünen sogenannte „Transformationsnetzwerke“ vor. Die sind in den NRW-Regionen geplant, in denen die Automobilbranche unter die Räder kommt – und sollen dort Start-ups beim Markteinstieg unterstützen. Geld dafür könnte aus dem Zukunftsfonds des Bundes kommen.

Hochschulen

Von der Bachelorarbeit zum Businessplan: Viele Start-up-Ideen nehmen an Hochschulen ihre Form an. In den vergangenen Jahren ist hier schon viel passiert. In Aachen, Bochum, Dortmund, Köln, Münster und Paderborn entstehen „Exzellenz-Start-up-Center“. Die Grünen wollen die Beratungsstrukturen ausbauen, auch hier stehen Hochschulen im ländlichen Raum im Fokus. Der CDU schwebt ein Wettbewerb vor, um das Unternehmertum an NRW-Unis und Fachhochschulen in den Vordergrund zu stellen. Und die FDP möchte den Transfer von Wissenschaft in die Wirtschaftswelt noch einmal erleichtern – dafür soll eine eigene Institution in Selbstverwaltung entstehen.

Öffentliche Aufträge

Von der Behörden-IT bis zum Bauprojekt: Das Land selbst investiert jedes Jahr viel Geld. Oft sind Start-ups aber durch Vergabekriterien ausgeschlossen, weil sie beispielsweise noch nicht rentabel arbeiten oder keine Referenzprojekte vorweisen können. Einige Parteien nehmen sich das Thema vor: Die CDU spricht davon, dass das Land seine „Einkaufsmacht nutzen“ müsse, um Start-ups zu fördern. Auch die FDP möchte es Start-ups erleichtern, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen.

Social-Start-ups

Zunehmend entstehen Start-ups, die auf eine möglichst breite gesellschaftliche Wirkung zielen – und die finanzielle Rendite hintenanstellen. Die CDU plant die eigene Plattform „Impact.NRW“, um dieses soziales Unternehmertum zu fördern. Die FDP möchte vor allem die Gründungsberatung in diesem Bereich ausbauen. Explizit strebt die SPD an, „sozial-ökologische Kriterien“ für öffentliche Ausschreibungen zu berücksichtigen. Auch die Grünen wollen gemeinwohlorientierte Start-ups bei diesem Schritt helfen. Sogenannte Social-Start-ups fordern diesen Schritt schon seit langem, um an staatliche Aufträge und damit relevante Umsätze kommen zu können.

Zusätzliche Förderungen

Ebenso finden sich Initiativen, um bestimmte Bevölkerungsgruppen zu stärken. Die CDU plant eigene Programme, um sowohl Gründerinnen als auch Gründerteams mit Migrationshintergrund zu unterstützen – beide gelten laut Start-up-Statistiken als erheblich unterrepräsentiert. Die FDP nennt das an der Bergischen Universität Wuppertal angesiedelte Projekt „Women Entrepreneurs in Science“, das landesweit ausgerollt werden könnte. Die SPD will ein spezielles Förderprogramm für Frauen aufsetzen – und die bestehende Gründungsförderung geschlechtergerechter gestalten.

Wahlentscheidung?

Die Abstimmung am Sonntag wird möglicherweise sehr knapp. Denkbar wäre laut einigen Umfragen, dass CDU und Grüne eine gemeinsame Mehrheit schaffen, gerade weil die Grünen wohl sehr stark sein werde mit einem Anteil von mehr als 15 Prozent. Zumindest frühere Umfragen zeigten, dass eine solche Konstellation bei vielen Gründern eventuell gut ankommt, weil Grüne und CDU bei ihnen die beliebtesten Parteien waren. Bei einer Umfrage im Herbst 2020 für den Start-up-Monitnor kamen sie auf 37 Prozent, die Union auf 28 Prozent. Allerdings kam damals auch die FDP auf einen Anteil von 20 Prozent. Falls es zu einer Dreier-Kombination in der Landesregierung käme, wären dann wohl Grüne und FDP darin vertreten – entweder gemeinsam mit der Union oder mit den Sozialdemokraten.

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