Stichwahl in Frankreich Was Le Pen und Macron in Sachen Wirtschaft und Europa trennt

Paris · In Frankreich wird es erneut eine Stichwahl zwischen dem liberalen Präsidenten Emmanuel Macron und der Rechten Marine Le Pen um das höchste Staatsamt geben. Was von dem Kandidaten und der Kandidatin mit Blick auf Wirtschaft und Europa zu erwarten wäre.

 Die Franzosen und Französinnen entscheiden am 24. April in einer Stichwahl darüber, wer ihr Land in den kommenden fünf Jahren führen wird.

Die Franzosen und Französinnen entscheiden am 24. April in einer Stichwahl darüber, wer ihr Land in den kommenden fünf Jahren führen wird.

Foto: AFP/ERIC FEFERBERG

Der wirtschaftsfreundliche Präsident Emmanuel Macron oder die rechtsgerichtete Herausforderin Marine Le Pen: Die Französinnen und Franzosen entscheiden am 24. April in einer Stichwahl darüber, wer ihr Land in den kommenden fünf Jahren führen wird. Nachfolgend ein Überblick, was von den beiden in der Wirtschaftspolitik sowie in Europa- und Sicherheitsfragen zu erwarten ist:

Die Wirtschaft

Le Pen: Sie hat den rechtsextremen Front National in Rassemblement National umbenannt und die marktwirtschaftliche, kleinstaatliche Partei ihres Vaters in eine ausgabenfreudige, protektionistische Partei verwandelt. Sie möchte eine "Kauft Französisch"-Politik für öffentliche Ausschreibungen einführen und das Mindestrentenalter auf 60 Jahre für diejenigen senken, die vor 20 Jahren angefangen haben zu arbeiten. Auch sollen die Einkommenssteuer für Personen unter 30 Jahren abgeschafft und die Mehrwertsteuer auf Energie von 20 auf 5,5 Prozent gesenkt werden.

Außerdem will Le Pen über einen Zeitraum von fünf Jahren rund zwei Milliarden Euro für die Anhebung der Gehälter von Krankenhausmitarbeitern und die Einstellung von 10.000 zusätzlichen Beschäftigten ausgeben. Die Gehälter der Lehrerinnen und Lehrer sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren um 15 Prozent angehoben werden. Das Wirtschaftsprogramm ihrer Partei sei so weit links wie seit Jahrzehnten nicht mehr, sagt der Politikwissenschaftler an der Sciences-Po, Gilles Ivaldi.

Macron: Er will die Reformen aus seiner ersten Amtszeit vorantreiben. Das wichtigste Element seines Programms ist die Anhebung des Mindestrentenalters von 62 auf 65 Jahre. Macron verspricht zudem, einige Sozialleistungen von einer 15- bis 20-stündigen Ausbildung abhängig zu machen, ähnlich wie in Ländern wie den USA oder Großbritannien.

Die Arbeitslosenversicherung, die Arbeitnehmern bei Jobverlust derzeit bis zu zwei Drittel ihres Gehalts für zwei Jahre garantiert, soll an die Stärke der Wirtschaft gekoppelt werden. Um seinem Motto "weder links noch rechts" treu zu bleiben, hat Macron außerdem versprochen, die Leistungen automatisch an diejenigen auszuzahlen, die sich dafür qualifizieren. Bislang wird von den potenziellen Empfängern lediglich verlangt, einen Antrag zu stellen.

Europa

Le Pen: Frühere Pläne, aus dem Euro auszusteigen und die Schulden Frankreichs in neu geschaffenen Francs zu bezahlen, hat sie aufgegeben. Nun verspricht sie, die französischen Zahlungen in die Kassen der Europäischen Union zu senken. Ein solcher Schritt würde Frankreich auf Kollisionskurs mit der EU-Kommission und anderen EU-Mitgliedern bringen. Le Pen besteht zudem darauf, dass französisches Recht Vorrang vor den EU-Regeln haben soll. Die EU soll durch ein "Europa der Nationen" ersetzt werden, wobei sie nicht genau sagt, wie das konkret aussehen soll.

Le Pen will auch Tausende Zollbeamte einstellen. Diese sollen Waren bei der Einreise nach Frankreich kontrollieren, und zwar auch die aus anderen EU-Ländern. Angeblich soll damit Betrug bekämpft werden. Analysten meinen, dies würde den EU-Binnenmarkt untergraben.

Macron: Der glühende Europäer würde sich weiterhin für eine "strategische Autonomie" Europas in den Bereichen Verteidigung, Technologie, Landwirtschaft und Energie einsetzen und die Abhängigkeit der EU von anderen Mächten verringern. In den vergangenen fünf Jahren hat Macron versucht, die EU in Richtung einer protektionistischeren Haltung umzuorientieren. So hat er einige Freihandelsabkommen wie etwa das mit den Mercosur-Staaten blockiert und einen Mechanismus geschaffen, der die Kontrolle von Übernahmen strategischer EU-Unternehmen durch Dritte verstärkt.

Macron dürfte auch auf eine stärkere Regulierung der US-Tech-Giganten dringen. Er hat angekündigt, ein "europäisches Metaversum" schaffen zu wollen, um mit dem von Facebook zu konkurrieren.

Das westliche Bündnis

Le Pen: Sie will Frankreich aus dem integrierten Kommando des transatlantischen Militärbündnisses Nato herausziehen. Das würde die westliche Sicherheitsarchitektur, die nach dem Kalten Krieg etabliert wurde, infrage stellen. Ihre Gegner werfen ihr vor, der Führung in Moskau zu nahe zu stehen. Ihre Partei erhielt 2014 einen Kredit von einer russischen Bank. Kurz vor den Wahlen 2017 wurde sie vom russischen Präsidenten Wladimir Putin im Kreml empfangen. Sie hat den Einmarsch Russlands in die Ukraine zwar verurteilt. Zugleich sagt sie aber auch, Moskau könnte nach dem Krieg wieder ein Verbündeter sein.

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters sagte Le Pen, sie werde eine Außenpolitik mit gleicher Distanz zu Washington und Moskau verfolgen. Auf die Frage, ob sie eine Botschaft an Frankreichs traditionelle Verbündete Großbritannien und die USA habe, antwortete sie: "Lasst die vorgefassten Meinungen über mich fallen."

Macron: 2019 sorgte er im gesamten transatlantischen Bündnis und insbesondere in Osteuropa und Deutschland für Aufregung, als er die Nato als "hirntot" bezeichnete. Der russische Einmarsch in der Ukraine habe diese aber "wieder zum Leben erweckt", sagt er nun. Nichtsdestotrotz dürfte er versuchen, die Europäer in Sachen Sicherheit weniger abhängig vom US-Militär zu machen.

Macron drängt die EU dazu, sich stärker auf den indopazifischen Raum und den wachsenden Einfluss Chinas in dieser Region zu konzentrieren. Auch geriet er mit den Regierungen in Washington, London und Canberra aneinander, nachdem Australien ein umfangreiches U-Boot-Geschäft mit Frankreich aufgekündigt hatte. Zurückhaltend ist er in der Frage, ob er mit dem neuen Sicherheitsbündnis zwischen den USA, Großbritannien und Australien - Aukus genannt - gegen China zusammenarbeiten oder die EU zu einer eigenständigen Politik gegenüber der Volksrepublik bewegen will.

(mcv/rtr)
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