NRW-Landtagswahl 2022 Diese Wahlkreise lohnt es, im Blick zu haben

Düsseldorf · Enge Rennen, grüne Direktkandidaten und Minister als Landtagsanwärter - wir sagen Ihnen, wo Sie am Wahlabend noch einmal genau hinschauen sollten.

Auch wenn die offiziellen Wahlkampfabschlüsse der Mehrheit der Parteien schon am Freitag waren, wurde vor allem in den 128 Wahlkreisen zwischen Aachen und Olpe noch bis zur letzten Minute um jede Stimme gekämpft. Mehrere Minister strebten ins Parlament, darunter zwei der beliebtesten Kabinettsmitglieder. Wir analysieren, wo in der Region es besonders spannend war.

Köln III Das mit Abstand spannendste Rennen lieferten sich drei prominente Politiker in einem der heterogensten Wahlbezirke Kölns. Um die Stimmen der Bürger in Lindenthal, Ehrenfeld und Nippes kämpften der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), der Grünen-Verkehrspolitiker Arndt Klocke und der bildungspolitische Sprecher der SPD, Jochen Ott. Liminski hatte zuvor vergeblich versucht, im für die CDU aussichtsreicheren Rhein-Sieg-Kreis anzutreten, musste sich aber bei der Kandidatenaufstellung dem Lokalpolitiker Sascha Lienesch geschlagen geben. Abgesichert ist der frühere Laschet-Vertraute und begnadete Strippenzieher über Listenplatz 12 – allerdings zog die Liste bei der Wahl 2017 für die CDU gar nicht. Der angriffslustige Bildungspolitiker Ott muss weniger zittern, weil er auf Listenplatz fünf steht. Election.de sah den früheren Fraktionschef und heutigen Fraktionsvize Klocke vorn – als einen direkt gewählten Abgeordneten der Grünen.

Köln VI Die Wahlplakate mit ihrem Foto sind bereits verschwunden. Zudem hat die frühere Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) bereits erklärt, sie werde auch im Falle einer Wahl das Mandat nicht annehmen. Abgesichert wäre sie über die Landesliste auf Platz sechs. Heinen-Esser war nur scheibchenweise mit den Umständen ihres Mallorca-Aufenthalts während der Flutkatastrophe herausgerückt. Nachdem sie sich in Widersprüche verstrickt hatte und bekannt geworden war, dass zur Geburtstagsfeier ihres Mannes auch weitere Kabinettsmitglieder auf die Baleareninsel gereist waren, trat sie zurück. Damit lief das Rennen zwischen dem Volkswirt Florian Schuster (SPD) und der integrationspolitischen Sprecherin der Grünen, Berivan Aymaz. Wegen ihrer klaren Kante gegen die Politik von Recep Tayyip Erdogan bezeichneten staatstreue Medien sie als „Feindin der Türkei“. Sie hat die besten Aussichten, den Wahlkreis zu gewinnen, weil die Grünen sowieso im ganzen Land massiv zulegten.

Köln IV Im Rennen um das Direktmandat für Köln-Nippes spielt NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer zwar keine Rolle. Doch dürfte spannend werden, wie sich ihre Amtsführung auf das Wahlergebnis niederschlägt. Bei der Landtagswahl 2017 schaffte sie 8,3 Prozent. Diesmal dürfte das deutlich schwieriger werden, wird ihre Schulpolitik doch für das schlechte Abschneiden der FDP verantwortlich gemacht. Dennoch wird Gebauer dem Landtag angehören, sofern die FDP nicht an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Sie steht auf Listenplatz zwei.

Steinfurt III Ein Mann klarer und markiger Worte ist NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Er hat schon früh gesagt, dass er sein Ministeramt nach der Wahl gerne behalten würde. Außerdem möchte der Maschinenschlosser und Bundesvorsitzende des Arbeitnehmerflügels CDA zurück in den Landtag, dem er von 2005 bis 2013 angehörte, davon drei Jahre als Oppositionsführer. Der Wahlkreis an der niedersächsischen Grenze wurde seit 2010 aber stets vom Sozialdemokraten Frank Sundermann gewonnen, der in der Fraktion das Amt des wirtschaftspolitischen Sprechers innehat. Die Wahlkreisprognosen waren noch nicht eindeutig: Während Election.de den SPD-Mann vorne sah, war es bei Wahlkreisprognose.de der Minister.

Rheinisch-Bergischer Kreis II Noch höhere Vertrauenswerte als Laumann hat in der Bevölkerung der „Sheriff von NRW“, Innenminister Herbert Reul (CDU). Kaum eine Wahlkampfrede des Spitzenkandidaten Wüst vergeht, ohne dass der Name des Law-and-Order-Mannes fällt. Ihm wurden auch Ambitionen auf das Amt des Ministerpräsidenten nachgesagt, doch im richtigen Moment fehlte ihm das Mandat. Denn laut Artikel 52 der Landesverfassung wird der Ministerpräsident aus der Mitte des Landtags gewählt. Reul gehörte dem hohen Haus schon einmal von 1985 bis 2004 an, ging dann aber ins Europaparlament. Seinen Wahlkreis hat Reul sicher gewonnen.

Aachen IV In den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Flut ist Stefan Kämmerling von der SPD entsandt worden, um die Landesregierung zu attackieren. Der kommunalpolitische Sprecher war selbst Betroffener der Hochwasserkatastrophe und damit geborener Obmann. Dass er den Wahlkreis Aachen IV gegen den CDU-Lokalpolitiker Daniel Scheen-Pauls, Projektleiter beim Aachener Verkehrsverbund, gewinnt, ist nicht ausgemacht. Election.de sah den Genossen knapp vorne.

Borken I Auch wenn er ob seiner kurzen Amtszeit keinen echten Amtsbonus haben dürfte, im westlichsten Zipfel des Münsterlands sind sie stolz auf „ihren“ Hendrik Wüst. 2017 schaffte er stattliche 52,9 Prozent. Sein bislang bestes Ergebnis fuhr er beim Einzug in den Landtag im Jahr 2005 mit 58,3 Prozent der Stimmen ein. Nun war zu erwarten, dass es ihm diesmal gelingt, dieses Traumergebnis noch zu übertreffen. Nina Andrieshen (SPD), Listenplatz 10, und Heinrich Rülfing (Grüne), traten gegen ihn an.

Essen I Vergleichbar ungefährdet steht SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty im Norden seiner Heimatstadt Essen da. Der frühere Justizminister und heutige Spitzenkandidat der Sozialdemokraten sitzt wie Wüst seit 2005 im Düsseldorfer Landtag, gewann den Wahlkreis seitdem immer direkt. Bestes Ergebnis war 202 mit 58 Prozent – eine weitere Parallele zu seinem Kontrahenten. Dreimal trat er dabei übrigens gegen den CDU-Politiker Thomas Kufen an, dem heutigen Oberbürgermeister der Ruhrgebietsmetropole.

Dortmund III Ein prominentes Duell lieferten sich auch die Kandidatinnen in Dortmund: Ina Brandes (CDU), Amtsnachfolgerin von Hendrik Wüst im Verkehrsministerium, will in ihrer Geburtsstadt die Generalsekretärin der NRW-SPD, Nadja Lüders, schlagen. Dortmund wird gemeinhin zur Herzkammer der Sozialdemokratie gezählt. Lüders hat den Wahlkreis in der Arbeiterstadt seit 2010 stets direkt geholt, zuletzt mit 43,7 Prozent.

Die Parteien CDU und SPD haben Grossflächenplakate in der Nähe des Landtags platziert.

Die Parteien CDU und SPD haben Grossflächenplakate in der Nähe des Landtags platziert.

Foto: dpa/Roberto Pfeil


Unna II Um ins Ministerinnenamt zu kommen und den Regionalproporz zu wahren, war für Ina Scharrenbach bei der Wahl 2017 kein Landtagsmandat vorgesehen. Die Landesvorsitzende der Frauen-Union, die als fachlich kompetent und bienenfleißig gilt, war zuletzt wegen ihrer Teilnahme an der Mallorca-Geburtstagsfeier für Ursula Heinen-Essers Ehemann in die Kritik geraten, fand dieser doch inmitten der Flutkatastrophe statt. Oppositionsführer Kutschaty legte ihr den Rücktritt nahe. Scharrenbach, die auf Platz zwei der Landesliste steht, muss sich gegen einen früheren Arbeits- und Gesundheitsminister behaupten: Rainer Schmeltzer hatte das Amt zwei Jahre bis zur letzten Landtagswahl inne. Seit 2000 gehört er dem Landtag pausenlos an, den Wahlkreis Unna II hat er stets direkt gewonnen.

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