Wahlkampfreden der Kandidaten Redenschreiber küren Stamp zum rhetorischen Sieger
Exklusiv | Düsseldorf · Der Verband der professionellen Redenschreiber hat die Wahlkampfreden analysiert, die die Spitzenkandidaten der fünf im NRW-Landtag vertretenen Parteien in den vergangenen Wochen gehalten haben.
Während es für die Liberalen zuletzt im bevölkerungsreichsten Bundesland eher düster aussah, gibt es kurz vor der Landtagswahl ein Trostpflaster aus Berlin. Der Redenschreiberverband VRdS hat die Wahlkampfreden der fünf im Landtag vertretenen Spitzenkandidaten analysiert und Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) zum rhetorischen Sieger gekürt.
„Stamp hat eine klar strukturierte Rede gehalten, bei der er sich an den drei liberalen Kernthemen Bildung, Freiheit und Wachstum orientierte, persönlich gefärbtes Storytelling einband und anschaulich argumentierte. Auch stimmlich, gestisch und mimisch hinterließ er mit der frei vorgetragenen Rede einen überzeugenden Eindruck, der über gelegentliche Stolpermomente in der Syntax oder einige holprige Übergänge hinwegtröstete“, sagte VRdS-Analystin Julienne Frenger unserer Redaktion. Nach Guido Westerwelle im Bundestagswahlkampf 2009 und Christian Lindner (Bundestagswahlen 2017 und 2021) sei Stamp der dritte Sieger aus den Reihen der FDP.
Platz zwei ging demnach an Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD). Er brenne zwar keine rhetorischen Feuerwerke ab, sei aber besser darin, durch anschauliches Storytelling und eine verständliche Sprache die Aufmerksamkeit seiner Zuhörerschaft zu gewinnen. Bronze ging an Hendrik Wüst. Der Ministerpräsident mache nichts falsch, bleibe aber hinter den Möglichkeiten eines Landesvaters im Krisenmodus zurück. Gemäß dem eigenen Slogan mache er „worauf es ankommt“ – aber nicht mehr.
Auf dem vierten Platz landet Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur. Zwar halte auch sie im Wahlkampf solide, kraftvolle Reden. Punktabzüge gibt es von den Redenschreibern aber in den Disziplinen Argumentation und Profilschärfung: An die Stelle einer echten argumentativen Herleitung ihrer politischen Positionen setze Neubaur größtenteils eine Aufzählung des grünen Wahlprogramms. Auffallend sei zudem die fast völlig fehlende Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner.

So lief der Wahlkampfabschluss der großen Parteien
Schlusslicht wurde AfD-Kandidat Markus Wagner. Dessen Auftritt sei ein Lehrstück in Sachen Demagogie. Scheinargumente und inhaltlich abwegige Suggestionen stellten bestenfalls einen Missbrauch rhetorischer Techniken dar. Wer etwa die Bankenrettung aus der Eurokrise für die Höhe der aktuellen Inflationsrate verantwortlich macht, und damit objektiv falsche Kausalzusammenhänge vorgibt, führt seine Zuhörer in die Irre. Dafür gab es – trotz formal guter Leistungen etwa bei Verständlichkeit, Auftritt und Stimmführung – deutliche Punktabzüge.
Unterm Strich lagen die Kandidaten allesamt nicht weit auseinander. „Sie lieferten solide Leistung in Pflichtkategorien wie Verständlichkeit oder Klarheit in den Botschaften ab“, erläutert VRdS-Analyst Peter Sprong, der die Bewertungen der Analysten koordinierte. „Auch in puncto Auftritts und Inszenierung gab es keine Ausreißer nach unten. Eine herausragende Figur allerdings machte keiner der Kandidaten.“