Forsa-Chef Manfred Güllner „Es geht mir um die Glaubwürdigkeit der Meinungsforschung“
Interview | Düsseldorf · Am 15. Mai wählen die Bürger in NRW einen neuen Landtag. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, ordnet erste Ergebnisse zur Stimmung im Land ein und verrät, welche Maßstäbe das Institut im Vergleich zu anderen setzt.
Herr Prof. Güllner, mit dem NRW-Check checken 39 Zeitungshäuser mit Hilfe Ihres Meinungsforschungsinstituts Forsa die politische Stimmung im Land. Neue Ergebnisse gibt es Mitte nächster Woche. Können Sie vorab schon etwas verraten?
Prof. Manfred Güllner: Ja. Die Landtagswahl wird spannend. Die beiden großen Parteien, wenn man SPD und CDU denn noch so nennen will, liegen in etwa gleich auf. Möglicherweise mit einem leichten Vorsprung für die CDU. Dass die CDU ihr Tief nach der verlorenen Bundestagswahl mit Armin Laschet überwunden hat, zeichnete sich bereits in der ersten Erhebungswelle des NRW-Checks ab. Da nun auch die Ampeleuphorie auf Bundesebene schwindet, könnte es sogar ein leichtes Plus für die CDU in NRW geben.
Sind das nur Ihre Ergebnisse von Forsa, oder deckt sich das mit anderen Studien?
Güllner: Das deckt sich mit den Ergebnissen von Infratest Dimap, das als ein seriöses Meinungsforschungsinstitut in dieser Woche unsere Ergebnisse von Mitte Dezember bestätigte. Ein anderes Klick-Tool-Unternehmen, das unter anderem für den Spiegel arbeitet, sieht die SPD dagegen noch bei über 30 Prozent. Die werden ihre Zahlen aber in Kürze wie immer nach unten korrigieren.
Sie gehen gegen andere Institute, die Sie für unseriös halten, juristisch vor. Warum?
Güllner: Es geht mir um die Glaubwürdigkeit der Meinungsforschung. Die ist nach 1945 in Deutschland mühsam wiederaufgebaut worden. Doch heute gibt es Schwarze Schafe in der Branche, die mit irgendwie generierten Zahlen operieren. Damit wird nicht nur auf die Meinungsbildung Einfluss genommen, sondern derartige mit der Realität nicht übereinstimmende Zahlen finden auch Eingang in politische Entscheidungsprozesse. Ein Beispiel: Eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürer sei für die Legalisierung von Cannabis, posaunte vor einiger Zeit ein Unternehmen heraus. Doch Erhebungen seriöser Institute zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist.
Was machen Sie anders als die Schwarzen Schafe?
Güllner: Wir arbeiten methodisch sauber und wir halten die ethischen Maßstäbe ein, die in der empirischen Sozialforschung unbedingt gelten müssen. Meine persönliche Einstellung darf zum Beispiel nicht in meine Arbeit einfließen. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich seit beinahe 60 Jahren Mitglied der SPD bin. Aber davon muss ich mich in meiner Arbeit freimachen.
Sprechen wir über Ihre Methodik: Zu welchen Themen befragen Sie die Menschen für den „NRW-Check“?
Güllner: Wir haben eine ziemlich große Brandbreitevon Themen. Wir fragen nach den größten Problemen im Land, da steht weiterhin Corona ganz oben. Es geht aber auch um Mobilität, um Schul- und Bildungspolitik. Und natürlich fragen wir nach den Wahlabsichten der Menschen. Eine ganz wichtige Frage ist die nach der Ministerpräsidentenpräferenz, wen die Menschen also lieber hätten.
Und? Wen hätten sie lieber?
Güllner: Da müssen wir noch das Ende unserer aktuellen Erhebung abwarten. Aber Hendrik Wüst profitiert gerade von seiner Funktion als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Das erhöht seinen Bekanntheitsgrad.
Und Thomas Kutschaty…
Güllner: Wird seinen Bekanntheitsgrad erhöhen, je näher der Wahltermin rückt.
Wie repräsentativ sind Ihre Ergebnisse?
Güllner: Bei allen Fehlertoleranzen, die jede Stichprobe aufweist, können Sie sicher sein, dass die Ergebnisse der Erhebung repräsentativ für die Gesamtheit der Wahlberechtigten in Nordrhein-Westfalen sind.
Warum kann ich da sicher sein?
Güllner: In jeder Erhebungswelle des „NRW-Checks“ werden jeweils 2000 Wahlberechtigte in Nordrhein-Westfalen befragt. Diese Zahl stellt eine belastbare Datenbasis dar. Das gilt auch für die Regionen. Allerdings ist dort mit größeren statistischen Schwankungsbreiten zu rechnen. Bei 200 Befragten je Region können die Ergebnisse um bis zu 7 Prozentpunkte schwanken.
Das ist aber nicht gerade wenig.
Güllner: Da gebe ich Ihnen recht. Abweichungen zwischen Regionen von 4 oder weniger Prozentpunkten dürfen deshalb nur mit Vorsicht interpretiert werden. An den grundsätzlichen Trends ändert das jedoch nichts. Wenn mehr als 70 Prozent für eine allgemeine Impfpflicht sind, ist eine Fehlertoleranz von wenigen Prozentpunkten am Ende unerheblich.
Wie wählen Sie die Befragten aus?
Güllner: Wir verfügen über ein Panel von bundesweit 100.000 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern, die wir online befragen können. In NRW sind es 20.000. Aus diesem repräsentativen Panel wird für den „NRW-Check“ eine Zufallsstichprobe von 2.000 Personen gezogen.
Wie komme ich in Ihr Panel?
Güllner: Gar nicht; Sie können sich dafür nicht bewerben. Es gibt tatsächlich Menschen, die sich einen gewissen Nebenverdienst schaffen, indem sie sich bei online-Panels anderer Anbieter gewissermaßen als Berufsbefragte registrieren und befragen lassen. Das ist bei uns ausgeschlossen. Wir rekrutieren die Teilnehmer unseres Panels ausschließlich im Rahmen unserer täglichen Forsa-Telefonbefragungen. Das heißt, dass wir am Ende jedes Telefonates fragen, ob wir dem Gesprächspartner unter Umständen zu einem späteren Zeitpunkt einen Online-Fragebogen zukommen lassen dürfen. Übrigens: Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass mehr als 30 Prozent der Menschen kaum noch über einen Festanschluss zu erreichen sind, sondern fast ausschließlich über ein Handy telefonieren. Auch das berücksichtigen wir bei unserer Auswahl. Am Ende verfügen wir über einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung.
Sie arbeiten auch für politische Parteien. Auch für solche, die miteinander konkurrieren?
Güllner: Wir sind ein Meinungsforschungsinstitut. Wir arbeiten grundsätzlich für alle Parteien des demokratischen Parteienspektrums – nicht für links- oder rechtsextreme Parteien. Wir haben für die SPD, die FDP oder die Grünen gearbeitet, aktuell arbeiten wir in NRW für die CDU. Solange wir vor einer Wahl für die eine Partei arbeiten, arbeiten wir nicht für eine andere.
Aber Sie arbeiten aktuell für die CDU und für 39 Tageszeitungsunternehmen. Wie verträgt sich das?
Güllner: Das verträgt sich gut. Parteien und Medien stellen unterschiedliche Fragen. Es handelt sich also um verschiedene Studien, die nichts miteinander zu tun haben und die auch nicht miteinander verquickt werden. Der „NRW-Check“ bietet zudem erstmals die Chance, ein breites Stimmungsbild in der Bevölkerung bis tief hinein in die Regionen zu ergründen und die Unterschiede aufzuzeigen: zwischen Rheinschiene und Ruhrgebiet, Münster- und Sauerland, Bergischem Land und Ostwestfalen oder ganz einfach zwischen Stadt und Land.
Hinweis: Die Ergebnisse der aktuellen NRW-Check-Umfrage zur Landtagswahl erscheinen am 9. Februar bei RP ONLINE.