Endspurt vor der Landtagswahl So lief der Wahlkampfabschluss der Parteien

Rückenwind aus dem hohen Norden in einer Lkw-Anhänger-Fabrik, Störer bei der Grünen-Kundgebung und der Bundeskanzler in Köln. Wir haben Eindrücke von den offiziellen Wahlkampf-Abschlussveranstaltungen der Parteien gesammelt.

Landtagswahl NRW: So lief der Wahlkampfabschluss
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So lief der Wahlkampfabschluss der großen Parteien

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Foto: dpa/Bernd Thissen

Wenn es ein verbindendes Element zwischen den Parteien in diesem Wahlkampf gegeben hat, dann waren es die Störer, die auf den Marktplätzen des Landes mit Tröten, Bassboxen, Trillerpfeifen und Schreien die Veranstaltungen torpedieren wollten – egal ob SPD, CDU, Grüne oder FDP. Hauptsache Krach machen, Hauptsache dagegen sein. Interesse am Dialog? Keines.

CDU in Altenberge

Entsprechend hat die CDU ihren Wahlkampfabschluss an diesem Freitag kurzfristig umorganisiert. Statt wie ursprünglich geplant in der Strandbar Coconut Beach in Münster ist man auf die Werkshalle des Lkw-Anhänger-Produzenten Schmitz Cargobull im nahegelegenen Altenberge ausgewichen. Netter Nebeneffekt: Es drängen sich keine Analogien zu Mallorca -Aufenthalten von Kabinettsmitgliedern auf.

Die Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (NRW) und Daniel Günther (Schleswig-Holstein) stehen vor dem Bus des NRW-Spitzenkandidaten, der in den vergangen drei Wochen 3500 Kilometer Strecke durchs Land hinter sich gebracht hat. Der Wind zerzaust beiden CDU-Politikern die Haare. „Das ist der Rückenwind aus dem Norden“, scherzt Wüst und grinst in die Kameras. Als er darauf angesprochen wird, wie sehr ihn der Wahlkampf schlauche, entgegnet er nur fröhlich: „Ich könnte noch zwei Wochen so weitermachen. Der Wahlkampf macht Spaß.“ Doch bis zur Öffnung der Wahllokale bleiben gottlob nur noch 41 Stunden.

Lange Zeit kam der Wahlkampf nicht so recht in Schwung, kreiste weniger um zentrale Fragen wie bessere Bildung, Transformation, innere Sicherheit oder bezahlbares Wohnen. Die Aufmerksamkeit war anderweitig gebunden. SPD und Grüne trieben mit dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe die CDU vor sich her. Die Konservativen wirkten seltsam paralysiert. Das lag auch an der eigenen Mannschaft. Nur scheibchenweise rückte die frühere Umweltministerin Ursula Heinen-Esser mit Details über ihren umstrittenen Mallorca-Aufenthalt inmitten der Flutkatastrophe heraus. Schnell platzierte die SPD den Begriff „Mallorca-Gate“, der verfing. Heinen-Essers Rücktritt erfolgte dann just in dem Moment, als in Köln die ersten Briefwahlunterlagen versandt wurden. In den Umfragen kostete die Affäre wertvolle Stimmen.

Doch am 22. April wachte die CDU dann auf. In einer konzertierten Aktion wurde erst öffentlich gemacht, dass die SPD versucht hatte, Heinen-Essers Tochter bei Instagram auszuspähen. Dann rieb Staatskanzleichef Nathanael Liminski den Pua-Mitgliedern der SPD öffentlich unter die Nase, dass es durchaus gängige Praxis bei Kutschaty war, gemeinsam mit seinem Staatssekretär in den Urlaub zu fahren. Prompt war es mit der moralischen Überlegenheit der Genossen vorbei. Am Wochenende setzte die CDU nach und warf der SPD deren Russland-Verquickung vor. Seitdem habe die Angriffe der Genossen nachgelassen.

Landtagswahl NRW 2022: Die Spitzenkandidaten bei der NRW-Wahl - CDU, SPD, Grüne, FDP, AfD und Linke
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Das sind die Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen für die Landtagswahl in NRW

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Foto: FOTOS: DPA (4), A. Tiwisina | GRAFIK: C. SCHNETTLER

Daniel Günther steht gut gelaunt am Rednerpult. Von seinen 43,4 Prozent können sie hier in NRW nur träumen. „Moin zusammen!“, sagt Günther und richtet dann gleich mal eine Bitte an die geladenen CDUler aus dem Münsterland. „Hendrik ist mein Chef als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Und wenn man einen guten Chef hat, dann will man den auch behalten.“ Der Saal johlt und klatscht nur noch lauter, als Günther erst über das Podest witzelte, auf dem am Vorabend der deutlich kleinere Thomas Kutschaty beim TV-Duell stand, um auf Augenhöhe zu sein, und dann Wüst und dem Publikum zuruft: „Gemeinsam rocken wir die CDU. Viel Erfolg Euch!“

Wüst, dem oftmals vorgehalten wurde, er komme wegen seiner Kunstpausen zu steif daher, steht am orangen Rednerpult. Im Hintergrund werden unüberhörbar weiter Sattelauflieger zusammengebaut. Von Kunstpausen keine Spur. In dieser Werkshalle mit Heimvorteil und liebsamem Publikum kann man ihm wirklich abnehmen, dass ihm der Wahlkampf Spaß macht. Wüst ruft über den Lärm hinweg: „Wer vorne liegt, der hat den Regierungsauftrag. Darum geht es jetzt auch hier bei uns in NRW.“ Groß ist die Sorge, dass die SPD trotz eines zweiten Platzes versuchen könnte, eine Regierung zu bilden.

SPD in Köln

Kutschaty hat für seinen Abschluss auf den 130 Kilometer Luftlinie entfernten Roncalli-Platz in Köln geladen. Partystimmung herrscht vorm Dom: tosender Beifall, rhythmisches Klatschen für Thomas Kutschaty, Fahnen werden geschwenkt. Eine Gruppe an der Absperrung brüllt, dass sie von der Uniklinik Köln ist und den Tarifvertrag für die Entlastung will: „TVE für uns in NRW“, skandiert das Trüppchen. Bejubelt und beklatscht ruft der SPD-Spitzenkandidat über den Platz hinweg: „Ihr habt so was von Recht“, und: „Wir werden diese Wahl gewinnen.“ Mit leiseren Tönen erzählt er, wie er mit Schülern, Stahlarbeitern, Pflegekräften gesprochen habe: „Die Leute haben Erwartungen, sie haben Hoffnungen.“ Die er natürlich – so die Botschaft – erfüllen will.

 Thomas Kutschaty (l), Spitzenkandidat der SPD in Nordrhein-Westfalen, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Thomas Kutschaty (l), Spitzenkandidat der SPD in Nordrhein-Westfalen, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Foto: dpa/Federico Gambarini

Geschützt wird die Veranstaltung durch ein enormes Polizeiaufgebot. Polizeiwagen säumen die Straßenzüge in der Kölner City und umringen den Platz. An allen Ecken stehen Beamte und schwitzen in der Nachmittagssonne. Die erwarteten Störer tun ihr Bestes, um mit Rufen, Sprechchören, Pfeifen und Tröten auf sich aufmerksam zu machen – doch abgeschirmt und gegen die noch lauteren SPD-Fans haben sie es diesmal schwer.

Rund 1500 Teilnehmer sind nach Zählung der SPD gekommen. Prominente Sozialdemokraten kommen für sie auf die Bühne. Generalsekretär Kevin Kühnert wird schier überrollt von Johlen und Beifall: Nur 18 Kommunen in NRW hätten besonderen Mieterschutz, „das ist doch ein Stück aus dem Tollhaus!“, ruft er. Seine Stimme dringt kaum durch das Tosen. Zwei Ministerpräsidentinnen präsentieren innigste Einigkeit: Hand in Hand kommen Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz und Anke Rehlinger aus dem Saarland vor die Bilder. „Nur mit einer starken SPD kann man am Ende auch eine rot-grüne Regierung in diesem Land stemmen“, sagt Dreyer.

Zum abschließenden Höhepunkt: Bundeskanzler Olaf Scholz. Er schlägt keine krawalligen Töne an: Lange spricht er über den Krieg in der Ukraine. „Wir werden keinen Diktatfrieden akzeptieren“, macht er klar. Und er verspricht eindringlich, man schaffe das mit der Energiesicherheit und Unabhängigkeit von Russland: „Aber wir werden einen Weg einschlagen, den unsere Volkswirtschaft auch tatsächlich beschreiten kann.“ Man werde viel Geld investieren, Infrastruktur aufbauen und ein starkes Industrieland bleiben. „Deutschland hat nur eine Zukunft als Industrieland“, sagt Scholz. Und kommt dann zu den NRW-Themen: Kitas, Wohnen, er verspricht gute Arbeitsplätze und soziale Sicherheit: „Wir werden niemanden alleine lassen. Thomas Kutschaty, du kannst da auf mich zählen.“

Grüne in Düsseldorf

„Wenn zwei sich streiten, arbeitet der Dritte“, hatte Mona Neubaur kurz nach der Schlammschlacht zwischen CDU und SPD gestichelt. Die NRW-Grünen sind trotz des kurzen Schockmoments beim Anne-Spiegel-Rücktritt unbeschadet durch den Wahlkampf gesurft. Und sie profitierten nicht zuletzt von der Beliebtheit ihrer beiden Zugpferde im Bund, Annalena Baerbock und Robert Habeck. „Von hier an Grün“ – so lautet der Slogan der Partei und er passt zum Düsseldorfer Hofgarten, wohin die Partei am letzten offiziellen Wahlkampftag ihren Stargast Habeck eingeladen hat. Etwa 500 Bürger sind gekommen, manche spontan, viele mit dem Fahrrad, viele mit Kindern – klassisches Grünenklientel zumindest auf den ersten Blick. Denn schon nach den ersten Worten der Bundesvorsitzenden Ricarda Lang wird klar: Hier haben sich nicht nur Fans versammelt.

 Robert Habeck umarmt Spitzenkandidatin Mona Neubaur.

Robert Habeck umarmt Spitzenkandidatin Mona Neubaur.

Foto: dpa/David Young

Schrille Pfiffe stören die Redner auf der kleinen Bühne, Schilder aus Pappe werden hochgehalten „Kriegsverbrecher“ steht darauf geschrieben und „Habeck weg“. Dabei ist Habeck noch gar nicht da. Dafür Fahrräder mit AfD-Werbung und der Düsseldorfer AfD-Kandidat Marco Vogt, der den Gegenprotest organisiert hat, mit etwa 50 Leuten, wie er schätzt. Auch kleine Kinder sind dabei, ein etwa Zehnjähriger hält das Anti-Habeck-Schild. „Wir haben viele Fragen an den Wirtschaftsminister“, sagt Vogt.

Ein ganzer Packen Fragen auf Notizzetteln wird eingesammelt, die wenigstens können beantwortet werden – schon allein wegen der Trillerpfeifen. Ein Aktivist schafft es später sogar in die erste Reihe zu Habeck, klebt sich ans Geländer und schreit. Habeck bleibt cool, lässt ihn eine Frage ins Mikro stellen, „dann müssen Sie nicht so schreien“. Auch die NRW-Spitzenkandidatin geht auf den Protest ein; „Weil ich dahinten ein Schild sehe“, sagt Mona Neubaur, „In diesen Zeiten gibt es nur einen Menschen, der Kriegstreiber ist, und das ist Wladimir Putin.“ Neubaur, nach eigenen Worten in den letzten Wochen 13.000 Kilometer durch NRW mit dem E-Van gereist, spult Grünen-Grundsätze bei diesem 227. Termin im Wahlkampf noch einmal ab. Appelliert an die Zuschauer, zur Wahl zu gehen am Sonntag.

Parteichefin Lang betont das Ziel, NRW zu ersten klimaneutralen Region zu machen. „Putin ist keine Zwischenepisode, sondern ein Dauerlauf - es gibt keine Rückkehr zur Normalität“, sagt Lang. Der Bundesminister , der nach Zugverspätung endlich eintrifft, stimmt zu: „Wir müssen ein Land werden, das den Unterschied macht.“

FDP in Düsseldorf

Hendrik Wüst (r), Spitzenkandidaten der CDU Nordrhein-Westfalen und Daniel Günther, Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein (CDU)

Hendrik Wüst (r), Spitzenkandidaten der CDU Nordrhein-Westfalen und Daniel Günther, Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein (CDU)

Foto: dpa/Bernd Thissen

Die FDP hatte ihr großes Event zum Wahlkampfendspurt am Donnerstagabend. Für den außerordentlichen Landesparteitag ist der PSD-Bank-Dome im Look der Liberalen herausgeputzt: pinkfarbener Teppich, über allem dreht sich pink auf Gelb der FDP-Wahlkampfslogan: „Von hier aus weiter“. In einer emotionalen Rede zieht Spitzenkandidat Joachim Stamp Grenzen gegen die Grünen: Die FDP stehe für wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik. „Alles, was wir hier entrümpelt haben, das muss auch weiter entrümpelt werden“ - die Grünen wollten das Gegenteil. „Wir wollen an jeder Schule Talentscouts“ - die Grünen wollten die Primusschule, an der Kinder von der ersten bis zur 10. Klasse zusammenbleiben. Der Gegenkurs ist Programm. Denn, so steht es im Papier zum Wahlaufruf, der an diesem Abend beschlossen wird: „Um den Ministerpräsidenten zu stellen, wird die CDU den Grünen alles zugestehen. Deswegen wollen wir so stark werden, dass keine Regierung ohne uns gebildet werden kann.“ „Auf geht‘s“, ruft Stamp am Ende, und eine Band legt los, passend zur Motivation im Raum: „Ain‘t No Mountain High Enough.“ Die offizielle Wahlkampf-Abschlussveranstaltung der FDP ist am Samstag.

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