Landtagswahl NRW 2022  Jenseits des harten Schlagabtauschs

Analyse | Düsseldorf · Die Spitzenkandidaten für die Landtagswahl stellen sich bei der „Berliner Runde“ in Düsseldorf den Fragen mehrerer Chefredakteure. Dabei geht es nicht ausschließlich um das politische Tagesgeschäft.

 Wahlplakate mit Portraits der nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten von CDU, Ministerpräsident Hendrik Wüst (r), und SPD, Thomas Kutschaty (l), stehen auf einer Wiese.

Wahlplakate mit Portraits der nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten von CDU, Ministerpräsident Hendrik Wüst (r), und SPD, Thomas Kutschaty (l), stehen auf einer Wiese.

Foto: dpa/Oliver Berg

Geworfene Eier, ein Skandal als vegetarisches Erweckungserlebnis, eine heisere Stimme und die Frage nach der Neuauflage eines berühmten Gruppenselfies – auf den letzten Metern des Landtagswahlkampfes stellten sich die Spitzenkandidaten nacheinander beim Format „Berliner Runde“ den Fragen von Chefredakteuren und lieferten dabei Einblicke jenseits des harten politischen Schlagabtauschs.

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SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty plauderte darüber, dass er schon um 4 Uhr früh für einen TV-Auftritt aufgestanden sei und die Verkehrslage da noch entspannt gewesen sei – es aber ansonsten nicht besser geworden sei mit den Staus im Land. Der Oppositionsführer gab Einblicke in seine Essgewohnheiten. Er sei seit einigen Jahren Vegetarier. Auslöser war ihm zufolge die „Schweine-Affäre“ um die damalige Umweltministerin Christina Schulze Föcking (CDU).

In ernsterem Ton ordnete er das katastrophale Wahlergebnis aus Schleswig-Holstein ein: „Eckernförde ist nicht Gelsenkirchen und Kiel ist nicht Köln. Vor allem ist Wüst aber nicht Günther.“ In Schleswig-Holstein sei von Anfang an klar gewesen, wie die Wahl ausgehen würde – in NRW nicht, ein Regierungswechsel sei greifbar. Kutschaty wiederholte, dass er auch dann bereit sei, eine Regierungskoalition anzuführen, wenn die SPD bei der Wahl an zweiter Stelle landen würde: „Ich glaube schon, dass es nicht unanständig ist.“

Dafür müssten dann aber nicht zuletzt die Grünen mitspielen. Deren Spitzenkandidatin Mona Neubaur hielt sich bei Fragen nach Farbkombinationen bedeckt. Sie signalisierte jedoch, dass sie sowohl zu Kutschaty als auch zu Wüst einen guten Draht habe. „Mit Kutschaty bin ich per Du, Hendrik Wüst und mich verbindet ein respektvoll freundschaftliches Sie – das könnte sein, dass sich das noch ändert.“

Weniger freundlich ging es dagegen zuletzt bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen in Wuppertal zu. Neubaur schilderte den Journalisten den Eierwurf auf Außenministerin Annalena Baerbock: „Ich hatte kurz das Gefühl, sie fängt das Ei.“ Baerbock habe gut reagiert, sagte Neubaur. „Wir lassen uns nicht einschüchtern.“ Sie räumte ein, dass sie von der Beliebtheit Baerbocks und auch Robert Habecks profitiere. Sie selbst schrecke aber auch nicht davor zurück, unbequeme Dinge verantwortungsvoll anzugehen, sagte Neubaur. Das sei schon bei der Wiederaufrichtung der Partei nach der Wahlschlappe 2017 ihre Maxime gewesen: „Raus aus der grünen Komfortzone.“

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Wenig komfortabel war für die Liberalen das Wahlergebnis vom Sonntag. FDP-Spitzenkandidat und Familienminister Joachim Stamp erklärte die Schlappe so: Die CDU habe den Lohn für die politische Arbeit der FDP eingefahren: „Das machen wir hier in NRW nicht mit.“ Es könne nun entweder zu einer Wachstumspolitik mit Innovation kommen – vorausgesetzt, die FDP sei Mitglied der nächsten Regierung – oder um Ver- und Gebote mit den Grünen. „Das Entscheidende ist, dass wir die anderen, größeren Parteien mit denen nicht alleine lassen dürfen“, sagte er. Für den Fall, dass es zu Verhandlungen über eine Ampel kommen solle, schloss Stamp ein Selfie der Verhandlungsteilnehmer wie im Bund aus: „Es gibt auch bestimmte Dinge, die sind ikonisch und da kann man sich schwer verheben, wenn man versucht, so was nachzumachen. Das wäre sehr gekünstelt.“

In Sachen Schulpolitik verteidigte Stamp seine Parteifreundin, Bildungsministerin Yvonne Gebauer: Kritik am Gesundheitsmanagement habe es während der Pandemie in allen Bundesländern gegeben. Auch er selbst habe das erfahren: „Für die einen war ich der Kindermörder und Durchseucher, weil ich die Kitas offengehalten haben. Für die anderen war ich der Kinderquäler, weil ich es in bestimmten Phasen der Pandemie für notwendig gehalten habe, dass wir Gruppen trennen.“

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kam als letzter direkt aus einer „im Rekordtempo“ abgehaltenen Kabinettssitzung zur „Berliner Runde“ und brachte den Chefredakteuren eine Nachricht mit: NRW werde schon am Mittwoch eine Bundesratsinitiative starten, damit auch Erwerbsminderungs- und Altersrentner, Studierende und Azubis von der Energiepauschale profitierten. Ansonsten sendete er in Sachen Ausstiegsdatum 2030 aus der Braunkohle freundliche Signale an die Grünen, stichelte zugleich bei der Fotovoltaikpflicht auf den Dächern: „Wir wollen Anreize schaffen und es gemeinsam mit den Leuten machen“, sagte Wüst. In Anspielung auf den im Bundesländervergleich guten Platz beim Windkraftausbau und die Kritik der Grünen an der Abstandsregel zur Wohnbebauung sagte Wüst, wenn die Regel so maßgeblich wäre, müssten andere Länder besser dastehen. Er befürchte, dass bei einem Wegfall allenfalls die Zahl der Klagen und nicht die der Windräder steigen werde.

Darauf angesprochen, ob seine belegte Stimme von den Wahlkampfauftritten mit Störern herrühre, antwortete er: „Alles, was an Bakterien herumschwebt, ist von meiner kleinen Mitbewohnerin. Sie ist es nach zwei Tagen los und ich hab‘ es zehn.“ Ihm mache der Straßenwahlkampf Freude.

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