Erstes Treffen in Düsseldorf „Gute Gespräche“ für Schwarz-Grün
Düsseldorf · In Düsseldorf kommt es nur drei Tage nach der Wahl zur ersten Begegnung von CDU und Grünen. Es wäre die Konstellation, die sich die Bürger mehrheitlich wünschen. Zehn Politiker führen die ersten Gespräche. Wer ist neben Wüst und Neubaur dabei? Ein Überblick.

Diese Zehn sprechen heute über Schwarz-Grün
Als sich Grüne und FDP in Berlin zu ersten Gesprächen über eine mögliche Ampelkoalition im Bund zusammenfanden, da entstand ein ikonografisches Bild: das Instagram-Selfie der damaligen Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie von FDP-Chef Christian Lindner und seinem Generalsekretär Volker Wissing. Ein Selfie der Teilnehmer des heutigen Treffens im Westdeutschen Handwerkskammertag würde sich etwas schwieriger gestalten. Statt vier Personen müssten zehn aufs Bild. Noch geht es heute bei dem Treffen von Spitzenpolitikern der Grünen und der CDU nach der NRW-Landtagswahl um eine „Bewertung der aktuellen politischen Lage“. De facto handelt es sich um Vorgespräche zu Sondierungen, die wiederum die Vorstufe echter Koalitionsverhandlungen sind. Auffällig aufseiten der CDU: Generalsekretär Josef Hovenjürgen ist nicht mit dabei.
Nach zweieinhalb Stunden dann weißer Rauch: „Es war ein angenehmes, offenes und ehrliches Gespräch“, sagte die Spitzenkandidatin der Grünen, Mona Neubaur. „Jetzt gehen wir damit zurück in unsere Parteien und werten das aus.“ Ihr CDU-Gegenüber, Hendrik Wüst, erklärte: „Es war ein erstes gutes Gespräch in einem guten Geist und jetzt gehen wir damit in die Gremien der Parteien, um alles weitere zu beraten.“ Zu Inhalten äußerten sich beide nicht. Die beiden Gruppen hatten sich zuvor vor dem Gebäude des Westdeutschen Handwerkskammertags mit dem Faust-Gruß begrüßt. Eingeladen zum ersten Treffen hatte die CDU. Wer mit dabei war, erklären wir im Folgenden:
Hendrik Wüst Der Ministerpräsident hat das Kopf-an-Kopf-Rennen mit Thomas Kutschaty am Ende deutlich für sich gewonnen. Er ist der strahlende Sieger des Wahlabends. Zwar verkündete er, dass er mit allen demokratischen Parteien reden wolle und versandte noch am Montagabend Einladungen an Grüne, SPD und FDP. Doch im Landesvorstand heißt es dazu, die Gespräche mit SPD und FDP dürften wohl kurz ausfallen. Der Münsterländer Wüst ist seit Oktober 2021 im Amt. Er hat schon im Wahlkampf immer wieder den Grünen Entgegenkommen signalisiert – etwa in Sachen Braunkohleausstieg, Ausbau der Erneuerbaren und Mobilitätswende. Sein bisheriger Vize, FDP-Landeschef Joachim Stamp, verstieg sich jüngst zu der Aussage: Die CDU werde all ihre Positionen preisgeben, damit Wüst Ministerpräsident bleiben könne. Ganz so einfach dürfte es die CDU den Grünen dann aber doch nicht machen.
Mona Neubaur Ungewöhnlich in sich gekehrt wirkte die Grünen-Landeschefin, als sie am Wahlabend mit ihrer Entourage über die Flure des Landtags eilte. Beobachter konnten den Eindruck bekommen, Neubaur habe die Wahl verloren. Dabei ist es der Parteivorsitzenden, die in ihrem Leben noch kein politisches Mandat besessen hat, gelungen, das Wahlergebnis von 2017 zu verdreifachen. Mit einem realpolitischen Kurs hat sie es zudem geschafft, Vorbehalte im Wirtschaftslager abzubauen. Jüngst lud sie Evonik-Chef Christian Kullmann zum Parteitag nach Düsseldorf. Der revanchierte sich mit einem Loblied auf die Ökopartei. Das dürfte auch Ängste in den Reihen der CDU eindämmen. Neubaur stammt zwar aus Bayern, lebt aber seit ihrem Studium in Düsseldorf und fühlt sich auch als Düsseldorferin.
Bodo Löttgen Der 63-Jährige stammt aus dem Oberbergischen, arbeitete lange Zeit beim Bundeskriminalamt unter anderem als Personenschützer. Seit 2005 sitzt er mit einer Unterbrechung im Landtag, legte dort zunächst den Fokus auf Kommunalpolitik. Als die Wahl 2012 verloren ging, machte Laschet den angriffslustigen Löttgen zum Generalsekretär, 2017 wurde er nach dem Wiedereinzug ins Parlament Fraktionschef und hielt nach Angaben von Abgeordneten durchaus autoritär den Laden beisammen. Wegen seiner guten Drähte zur Fraktionsspitze der FDP wurde die Ein-Stimmen-Mehrheit nie zum Problem. Ob er seinen Posten auch in dieser Legislaturperiode behält, ist noch offen. Wollen würde er – wie man hört – schon.
Felix Banaszak Der Grünen-Co-Chef in NRW ist erst im vergangenen Herbst in den Bundestag gewählt worden. Der Fachmann fürs Sozialpolitische hat bereits Verhandlungserfahrungen sammeln können: Am Koalitionsvertrag der Ampel arbeitete er mit. Dort leitete er die grüne Verhandlungsgruppe „Bildung und Chancen für Alle“. Zuvor war der 32-Jährige unter anderem Mitarbeiter beim Europa-Abgeordneten Sven Giegold und Leiter des NRW-Europabüros in Düsseldorf.
Ina Scharrenbach Weil die Liste bei der CDU aufgrund der zahlreichen errungenen Direktmandate überhaupt nicht zog und sie im Wahlkreis Unna II das Nachsehen gegen den früheren SPD-Arbeitsminister Rainer Schmeltzer hatte, muss sich die Kommunal- und Bauministerin trotz des Listenplatzes zwei noch gedulden, ehe sie in den Landtag einziehen kann. Ein möglicher Weg dorthin: Ihr Staatssekretär Jan Heinisch hat ein Direktmandat errungen und muss deshalb seinen Staatssekretärsposten aufgeben. Will er nach der Regierungsbildung zurück ins Ministerium, könnte er den Sitz wieder abgeben und Platz machen für die Chefin. Der wurden selbst Ambitionen auf die Nachfolge von Armin Laschet nachgesagt. Da der Ministerpräsident aber aus der Mitte des Landtags gewählt werden muss, fehlte ihr die Grundvoraussetzung. Die Chefin der Frauen-Union gilt als extrem fleißig. Wochenende für Wochenende reiste sie ins Flutgebiet, um mit den Menschen vor Ort zu sprechen. Umso ärgerlicher war, als bekannt wurde, dass ausgerechnet sie an der umstrittenen Geburtstagsfeier auf Mallorca für den Ehemann der inzwischen zurückgetretenen Kabinettskollegin Ursula Heinen-Esser (CDU) teilnahm. Dafür entschuldigte sie sich später.
Josefine Paul Die Co-Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, hat ihren Wahlkreis in Münster. In der abgelaufenen Legislaturperiode war sie unter anderem familienpolitische Sprecherin und zuständig für Frauen- und Queerpolitik. Sie ist liiert mit der sächsischen Justizministerin Katja Meyer, die wie Paul in Münster studierte. Fast genau ein Jahr vor Wüsts Wahl zum Ministerpräsidenten übernahm die heute 40-jährige Paul gemeinsam mit Verena Schäffer die Fraktionsführung. Seitdem hat sie sich im Parlament als angriffslustige und schlagfertige Schnell-Rednerin einen Namen gemacht.
Nathanael Liminski Er gilt als der Mann, der im Hintergrund die Fäden zieht. Wüst sagte einmal, Liminski sei der Grund für das geräuschlose Regieren in NRW. Zuletzt ist Nathanael Liminski aber wegen seiner Bewerbung um ein Landtagsmandat öfter öffentlich aufgetreten. Eine realistische Chance auf das Direktmandat hatte er im Kölner Stadtteil Ehrenfeld allerdings nie. Der ging an den Grünen-Politiker Arndt Klocke. Liminski war schon unter Armin Laschet Chef der Staatskanzlei. Auch dem politischen Gegner nötigt es oft Respekt ab, wie gut der CdS, so die offizielle Abkürzung, in allen Themen ist, die auf Landes- und Bundesebene von Bedeutung sind. Die SPD versuchte seine Herkunft aus einer erzkatholischen Familie im Bundestagswahlkampf 2021 zu thematisieren. Der Schuss ging aber nach hinten los: Ein entsprechendes Wahlkampfvideo wurde wieder eingestampft. Von früheren kritischen Äußerungen zum Thema Homosexualität hat sich Liminski inzwischen öffentlich distanziert.
Verena Schäffer Die 35-Jährige ist Co-Fraktionschefin der Grünen. Ihr fachpolitisches Themenfeld ist die Innenpolitik. Dass sie jedoch Innenministerin wird, ist unwahrscheinlich. Hendrik Wüst wird alles daransetzen, dass Herbert Reul (CDU) den Job behält. Schäffer stammt aus dem linken Flügel der Partei, machte sich aber schnell durch ihre enorme Sachkenntnis im schwierigen Feld der Innenpolitik einen Namen – selbst in Polizeikreisen wird das anerkannt. Die Mutter zweier Kinder sorgte dafür, dass im Landtag erstmals ein Kinderzimmer eingerichtet wurde. Den Spagat zwischen Familie und aufreibender Karriere als Berufspolitikerin bekommt sie augenscheinlich problemlos hin. Wie Paul gilt sie als angriffslustige Rednerin, arbeitete sich in der vergangenen Legislaturperiode regelmäßig an der FDP ab.
Serap Güler Die CDU-Politikerin ist eine Entdeckung Armin Laschets. Er traf sie 2006 am Rande einer Veranstaltung, machte sie in seiner Rolle als Integrationsminister zur Referentin und später zur Staatssekretärin. Die liberale Muslimin gilt als Kritikerin der autoritären Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seit der Wahl im Herbst sitzt sie im Bundestag. Güler geriet im Zuge der „Mallorca-Affäre“ ins Rampenlicht, weil auch sie während der Flutkatastrophe an der Geburtstagsparty von Ursula Heinen-Essers Ehemann auf der Ferieninsel teilnahm.
Raoul Roßbach Die Funktion des Grünenpolitikers nennt sich zwar politischer Landesgeschäftsführer. Übersetzt in die Begrifflichkeiten der anderen Parteien ist er damit aber der Generalsekretär der Grünen in NRW. Roßbach ist ein Kind des Ruhrgebiets, studierte wie Paul in Münster und wie Neubaur in Düsseldorf. Er ist maßgeblich für die Kampagnenfähigkeit der Partei verantwortlich.