Konstituierung des Landtags „Unsere Demokratie ist wehrhaft“

Kurz nach seiner Wiederwahl zum NRW-Landtagspräsidenten äußert er sich im Interview mit unserer Redaktion über die katastrophal niedrige Wahlbeteiligung, die Herausforderungen für die neuen Abgeordneten und den Zeitplan für den Erweiterungsbau.

  André Kuper (CDU), Landtagspräsident, steht im Landtag vor dem Kunstwerk Interferenzen von Günther Uecker.

André Kuper (CDU), Landtagspräsident, steht im Landtag vor dem Kunstwerk Interferenzen von Günther Uecker.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Was wird der auffälligste Unterschied der 18. Legislaturperiode zur 17. sein?

Kuper Die Herausforderungen sind andere als zu Beginn der letzten Legislaturperiode. Wir erleben Krieg in Europa, steigende Preise, einen drastischen Handlungsdruck bei der Energiewende – wir haben eine Vielzahl von Dingen, die wir als Parlamentarier gleichzeitig angehen müssen. Es wird darum gehen, die Sorgen und Nöte der Menschen im Plenum und den Ausschüssen zu verhandeln und Antworten zu geben. Wir brauchen mehr denn je gute Kompromisse.

Die AfD musste deutlich Federn lassen. Wird das den Diskurs versachlichen?

Kuper Wir Abgeordneten geloben, dass wir uns für den Frieden einsetzen. Von daher ist es jetzt wichtig, alle Abgeordneten darauf hinzuweisen, dass wir die freiheitliche demokratische Grundordnung vertreten. Streit in der Sache kann konstruktiv sein. Störungen sind dagegen für mich keine Form der freien Meinungsäußerungen. Wir haben uns entsprechende Grundregeln gegeben und müssen uns daran auch halten.

Sie haben alle Fraktionen in den vergangenen Tagen besucht. Was haben Sie dort angesprochen?

Kuper Ich habe auch die gerade genannten Punkte angesprochen und auch darauf hingewiesen, dass wir als gute Demokraten Mehrheitsentscheidungen respektieren müssen. Man darf sie durchaus kritisieren, muss sie aber akzeptieren.

Mehrheitsentscheidungen sind ein gutes Stichwort. Wie repräsentativ ist der Landtag angesichts der erschreckend niedrigen Wahlbeteiligung überhaupt noch?

Kuper Wir müssen das dringend aufarbeiten und analysieren. Ich höre aus dem Land ganz unterschiedliche Dinge. Teils gab es an den Wahlkampfständen die Rückmeldung: „Wieso stehen Sie denn schon wieder hier, wir haben doch gerade erst gewählt.“ Das erklärt aber nicht den drastischen Rückgang bei der Wahlbeteiligung. Wir benötigen dringend Antworten darauf. Es gab in der Pandemie eine deutliche Polarisierung der Gesellschaft. Das Augenmerk lag dabei so stark wie selten auf der Landespolitik, weil hier die unmittelbaren Entscheidungen für die Bürger getroffen wurden. Ich bin mir sicher, dass mit den anstehenden Herausforderungen auch wieder der Landtag in den Fokus rückt.

Was können Sie schon jetzt unternehmen, um das Interesse zu steigern?

Kuper Wir hatten mehrere Programme auf den Weg gebracht, um insbesondere jungen Menschen den Landtag näher zu bringen. Die Zahl der Besucher war von 30.000 auf gut 100.000 im Jahr gestiegen. Mit Corona brach das weg. Mich hat das sehr frustriert. Wir werden jetzt wieder starten und intensivieren. Ich will darüber hinaus mit dem Präsidium auch in der Fläche stärker präsent sein. Leider können nicht alle 18 Millionen Bürger Nordrhein-Westfalens in den Landtag kommen. Deshalb werden wir in die Städte und Regionen gehen und mehr Gesicht zeigen. Entsprechende Formate werde ich dem Präsidium vorschlagen.

Sie hatten in der vergangenen Legislaturperiode Sicherheitsvorfälle mit Aktivisten. Wie wollen Sie den Balanceakt hinbekommen, den Landtag offen zu halten, aber solche Vorfälle zu verhindern?

Kuper Eine 100-prozentige Sicherheit kann es hier nicht geben, weil der Landtag das Haus der Bürger mit einer entsprechenden Offenheit und Transparenz ist. Aber wir haben die bestmöglichen Vorbereitungen getroffen.

Also keine strengeren Regeln für den NRW-Landtag?

Kuper Meines Erachtens nicht. Wir haben zum Ende der vergangenen Legislaturperiode noch einmal Verschärfungen für die Sicherheit nach innen und außen vorgenommen. Neben den Pollern auf dem Vorplatz als sichtbarer Schutz des Gebäudes verlangen wir von den Mitarbeitern der Abgeordneten auch ein polizeiliches Führungszeugnis. Wenn es dort für den Landtag gefährliche Einträge gibt, können sie zwar trotzdem beschäftigt werden, die Abgeordneten müssten dann aber die Personalkosten selbst tragen. Sollte es zudem Hinweise auf grobe verfassungsrechtliche Verstöße oder strafrechtlich relevante Taten geben, können auch die Zugangsrechte im Parlament beschränkt werden. Unsere Demokratie ist wehrhaft.

Der Landtag ist zwar um vier Abgeordnete kleiner, aber das löst nicht das Platzproblem.

Kuper Das stimmt. Die Anzahl der Fachausschusssitzungen hat sich vervielfacht. Die Fraktionen nehmen sich sehr viel mehr Zeit, vor Gesetzgebungsverfahren mit Betroffenen, Vereinen, Verbänden und Organisationen zu sprechen. Das begrüße ich ausdrücklich, weil Demokratie eine ausreichende Beteiligung der Bürger erfordert. Die Sitzungssäle werden viel mehr genutzt: von 2000 Terminen pro Jahr auf 12.000. Wir brauchen insbesondere mehr große Sitzungsräume. Die Landtagsverwaltung arbeitet zum Teil schon in angemieteten Räumen in den Liegenschaften in der Nähe Landtags. Dafür geben wir nahezu fünf Millionen Euro an Miete aus pro Jahr. Deshalb braucht das Parlament ein Erweiterungsgebäude.

Wie weit sind dafür die Vorbereitungen?

Kuper Wir haben im Ältestenrat die Ursprungsplanung noch einmal verfeinert. Die Anzahl der geplanten Büros haben wir aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Home-Office reduziert und dafür mehr Sitzungssäle eingeplant. Große Foyers sind nicht mehr vorgesehen, eingespart worden. Die Aufträge für die Flachplanungen sind nun ausgeschrieben und sollen im August/September vorliegen. Dann gilt es die Aufträge hierfür zu erteilen. Bei der Stadt Düsseldorf läuft derzeit das Bauleitplanverfahren. Wenn alles erfolgreich zum Abschluss kommt, könnte theoretisch Ende 2023 Baubeginn sein, so dass die Fertigstellung idealerweise zum Ende der Legislaturperiode oder Anfang der kommenden ist. Aber auch wir haben mit den Widrigkeiten in der Baubranche – Materialknappheit, Fachkräftemangel – zu kämpfen. Es gibt also noch einige Fragezeichen an der Stelle. 

Wie weit sind Sie bei der Vorbereitung für die neuen Abgeordneten?

Kuper Wir liegen gut im Zeitplan. Bis zum 1. Juni hatten die ausscheidenden Abgeordneten ein Mandat und konnten ihre Büros nutzen. Jetzt kommen die Umzüge, bis Ende Juni werden alle neuen Abgeordneten ihre Büros beziehen können. Wir stehen da vor größeren Herausforderungen, weil es noch Umbau- und Renovierungsarbeiten im Landtag gibt. Das von den renommierten Architekten Eller und Eller geplante Parlamentsgebäude ist noch immer zeitgemäß, aber über 30 Jahre alt. Beim Starkregen gab es kürzlich an mehreren Stellen Wassereinbrüche. Das heißt: Auch wir müssen klimatische Sanierungen und technische Erneuerungen vornehmen und Barrierefreiheit schaffen.

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