„Hybride Formate“ für fast alle Rats-Ausschüsse In der Lokalpolitik sollen künftig Online-Sitzungen möglich sein

Düsseldorf · Viele Gremien in Städten und Gemeinden sollen teilweise, in Notfällen sogar komplett digital tagen dürfen. Das Land Nordrhein-Westfalen bringt dafür eine Gesetzesänderung auf den Weg, der Landtag entscheidet nächste Woche.

 Die Corona-Pandemie hat in vielen Rathäusern die lokalpolitische Arbeit ausgebremst (Symbolbild). Aus dieser Erfahrung will man in NRW lernen.

Die Corona-Pandemie hat in vielen Rathäusern die lokalpolitische Arbeit ausgebremst (Symbolbild). Aus dieser Erfahrung will man in NRW lernen.

Foto: RP/Markus Werning

Kommunalpolitik soll künftig auch online gemacht werden können. Fast alle Ausschüsse von Stadt- und Gemeinderäten sollen künftig „hybrid“ tagen dürfen – wenn sie es wollen und wenn die Kommune geeignete Technik dafür anschafft. Das heißt: Die Ausschuss-Sitzungen finden in Präsenz statt. Aber es können Teilnehmer mit Ton und Bild zugeschaltet werden und dann auch mit abstimmen. In besonderen Krisen, etwa nach Katastrophen oder in Pandemie-Lagen, sollen darüber hinaus sämtliche Gremien, also auch die Räte selbst, hybrid oder komplett online tagen und Beschlüsse fassen dürfen. Die Landesregierung bringt dafür eine Gesetzesänderung auf den Weg, die der Landtag nächste Woche beschließen will.

Zum einen ist das eine Reaktion auf die Probleme in der Corona-Pandemie. Diese hat die lokalpolitische Arbeit vielerorts hart ausgebremst. Ratsausschüsse traten lange Zeit nicht zusammen. Wichtige Debatten über lokale Themen wurden nicht geführt. Entscheidungen, die normalerweise in Räten gefällt würden, wurden auf die schmaler besetzten Hauptausschüsse übertragen. All das, weil Online-Sitzungen gesetzlich nicht vorgesehen waren. Zum anderen sollen gerade die hybriden Formate dafür sorgen, dass sich lokalpolitische Ämter besser mit Familien- und Berufsleben vereinbaren lassen.

Die Voraussetzung für alle digitalen Möglichkeiten ist es, dass die Kommunen die passende Technik vorhalten. Nötig sind beispielsweise sichere Videokonferenz- und Online-Abstimmungssysteme. Die Details dazu werden per Verordnung geregelt. In der Praxis dürften die Anforderungen erst einmal zur Hürde werden: Perfekte Software-Lösungen gibt es noch nicht.

Ob die Bürger lokalpolitische Debatten vom heimischen Sofa aus verfolgen können, wird außerdem weiterhin von den Personen vor Ort abhängen. Die Lokalpolitik kann sich dafür entscheiden, Livestreams anzubieten. Gesetzlich verlangt ist es für die hybriden Formate aber nicht.

In den Landtagsausschüssen für Digitalisierung und Kommunales gab es am Freitag über Parteigrenzen hinweg grundsätzliche Zustimmung zu den Plänen, wenngleich man sich einig war, dass noch nicht alles perfekt sei. Dies sei ein „Einstieg“, hieß es von der SPD; man hätte sich mehr Erfahrungswerte gewünscht. Mehrdad Mostofizadeh von den Grünen sprach von einem „wichtigen Fortschritt“, beklagte aber Unklarheiten: „Wann ist eine außergewöhnliche Lage? Wer stellt die im Zweifelsfall fest?“, fragte er. Außerdem müsse es technische Lösungen für den Fall geben, dass einzelne Ratsmitglieder nicht in einem Live­stream auftauchen wollten, damit so etwas nicht am Ende hybride Sitzungen verhindere. Auch Verbände, Vereine und Kommunen lieferten in Stellungnahmen wenig Kritik und überwiegend Einverständnis. Dem Städtetag NRW geht der Gesetzentwurf nicht weit genug; er forderte „eine generelle Zulässigkeit virtueller Gremiensitzungen auch über Ausnahmesituationen hinaus“.

 Henning Höne (FDP) hofft auf mehr Flexibilität in der Ratsarbeit.

Henning Höne (FDP) hofft auf mehr Flexibilität in der Ratsarbeit.

Foto: picture alliance/dpa/Jonas Güttler

„Wir wissen alle, dass das nicht eine Regelung sein wird, die für die nächsten 100 Jahre genau so hält“, ordnete Henning Höne (FDP) den Gesetzentwurf ein. Man müsse in der Praxis lernen, „was gut funktioniert und was nicht“. Aber die Möglichkeit, sich hybrid zu politischen Gremien zuzuschalten, wenn etwa das Kind krank zu Hause sei, man auf Dienstreise irgendwo im Hotel sitze oder man es nach Feierabend sonst nicht pünktlich schaffen würde: „Das wird vielen Leuten ermöglichen, anders Kommunalpolitik zu machen oder überhaupt erst mitzumachen.“

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