Kinderpornografie Künstliche Intelligenz gegen Kinderpornografie

Düsseldorf · Im Kampf gegen Kinderpornografie stoßen die Ermittler an ihre Grenzen. NRW will sie mit Künstlicher Intelligenz unterstützen. Dazu schließt das Land eine ungewöhnliche Allianz mit dem Software-Riesen Mircosoft.

  Markus Hartmann (l), Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW), und Peter Biesenbach, nordrhein-westfälischer Justizminister, sprechen präsentieren das Forschungsprojekt «Künstlichen Intelligenz gegen Kinderpornografie».

Markus Hartmann (l), Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW), und Peter Biesenbach, nordrhein-westfälischer Justizminister, sprechen präsentieren das Forschungsprojekt «Künstlichen Intelligenz gegen Kinderpornografie».

Foto: dpa/Marcel Kusch

Das dramatisch wachsende Angebot von Kinderpornografie im Netz überfordert die Kapazitäten von Polizei und Justiz. NRW setzt deshalb auf ungewöhnlichen Verstärkung: Zusammen mit dem weltgrößten Softwarehersteller Microsoft hat das Land eine automatisierte Bildauswertung entwickelt, die jetzt auf das Erkennen von Kinderpornografie trainiert wird.

Nach Einschätzung von NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU), der die Kooperation eingefädelt hat, ist die Technik ab kommendem Jahr einsatzreif. Bei der Vorstellung des Projektes erläuterte der Minister den dringenden Bedarf: „Die Ermittlerinnen und Ermittler in den Behörden schaffen es nicht, den riesigen Datenmengen Herr zu werden. Auch bei den Staatsanwaltschaften wachsen die Verfahren an.“

Nach Angaben der NRW-Stabsstelle gegen Kinderprnografie kann ein Sachbearbeiter im Schnitt 500 Bilder pro Stunde auswerten. Der aktuelle Auswertungsbedarf liegt aber bei drei Petabyte, was der Datenmenge von mehreren Hundert Millionen Bildern entspricht. Die Folgen hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erst kürzlich mit harten Zahlen beschrieben: Von rund 1900 landesweit angängigen Kindesmissbrauchs- und Kinderpornografieverfahren konnten Mitte Juni mangels Personal nur zwölf Prozent ausgewertet werden. Aus gleichem Grund waren 557 Durchsuchungsbeschlüsse noch nicht vollstreckt.

Datenmengen, die menschliche Ermittler erst nach Monaten bewältigt haben, könne die Künstliche Intelligenz binnen weniger Stunden verarbeiten. „Und das ohne psychische Schäden“, sagte Biesenbach unter Verweis auf die enorme Belastung, unter der die Ermittler bei der notwendigen Auswertung des verstörenden Materials leiden.

Software, die bereits behördlich bekannte Kinderpornografie automatisch identifiziert, gibt es bereits. Die von NRW und Microsoft entwickelte Künstliche Intelligenz soll aber auch neue Kinderpornos identifizieren können. Eine wesentliche Herausforderung dabei ist auch das geltende Recht: Weil die Weitergabe entsprechenden Materials auch Behörden streng verboten ist, musste eine neue Technik entwickelt werden, um die Bilder an die neue Auswertungstechnik übergeben zu können. „Wir betreten technisches und juristisches Neuland“, sagte Biesenbach. Seines Wissens sei NRW damit auch international Innovationsführer. Nach Informationen unserer Redaktion wird aber auch die Polizei in Niedersachsachsen im Kampf gegen Kinderschänder künftig auf künstliche Intelligenz setzen. „Wir haben ein solches Projekt“, bestätigte eine Sprecherin des Landeskriminalamtes Niedersachsen.

Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) hält Technologien wie die Künstliche Intelligenz im Kampf gegen Kinderpornografie für noch nicht ausgereift. „Es gibt bereits jetzt Programme, die tatsächlich auch Missbrauchsabbildungen erkennen können. Aber diese bieten aus meiner Sicht derzeit noch keine 100 Prozent-Lösung“, sagte Sven Schneider, Dezernatsleiter im Cybercrime-Kompetenzzentrum des LKA, unserer Redaktion.

Im Bereich der Gefahrenabwehr, wo es um möglicherweise noch andauernde Missbrauchsfälle gehe, benötige man Software mit extrem hoher Erkennungsrate. „Wir können es uns unter diesem Aspekt nicht leisten, dass solche Bilder von der Software übersehen werden“, sagte Schneider. Kürzlich habe er noch mit einem Institut telefoniert, das solche Software entwickelt. „Und deren Produkt zur Erkennung von Missbrauchsabbildungen ist bei Erkennungsraten von 50 bis 60 Prozent. Eine andere Firma gibt derzeit an, bei etwa 80 Prozent Erkennungsrate zu liegen“, erklärte der Dezernatsleiter. Das sei alles noch weit entfernt von dem, wo die Polizei hinwolle. „Ich habe den Eindruck, dass wir mittelfristig dahin kommen. Nur wird das noch eine ganze Zeit dauern“, betonte er.

Grundsätzlich begrüße das LKA als Ermittlungsbehörde jede Anstrengung, die auf diesem Gebiet unternommen werde. „Es gibt viele Neuerungen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, die vielversprechend sind, aber noch keine 100-Prozent-Lösung bieten“, sagte Schneider.

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