SPD muss sich für Koalition entscheiden Kraft hat die Qual nach der Wahl

Hannelore Kraft und die NRW-SPD sahen lange wie die Überraschungssieger der Landtagswahlen aus. Doch in einem Foto-Finish ging der Partei die Puste aus. Der spektakuläre Wahlerfolg reicht nicht für ein rot-grünes Comeback in Düsseldorf. Jetzt steckt Kraft und mit ihr die gesamte Partei in einem Dilemma.

Landtagswahl 2010: Gabriel gratuliert Kraft in Berlin
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Hannelore Kraft und die NRW-SPD sahen lange wie die Überraschungssieger der Landtagswahlen aus. Doch in einem Foto-Finish ging der Partei die Puste aus. Der spektakuläre Wahlerfolg reicht nicht für ein rot-grünes Comeback in Düsseldorf. Jetzt steckt Kraft und mit ihr die gesamte Partei in einem Dilemma. Zugleich reklamiert die CDU das Amt des Regierungschefs für sich.

Hannelore Kraft dürfte in der letzten Nacht wenig geschlafen haben. Das liegt nicht nur daran, dass sie am Montag bereits um kurz vor sieben Uhr einen Flieger in Richtung Berlin bestiegen hat. Nein, auch das knappe Wahlergebnis und die jetzt anstehende Koalitionsfrage dürfte der Frontfrau der NRW-SPD den Schlaf geraubt haben.

Schon kurze Zeit nach ihrer Ankunft in der Bundeshauptstadt stand Kraft vor der Kamera. Im ARD-Morgenmagazin betonte sie: "Wir haben den Auftrag, die Regierung zu bilden", sagte die Sozialdemokratin. Das ergebe sich aus dem Wahlergebnis. "Es war für uns völlig klar, dass wir die ersten Gespräche mit den Grünen führen. Das werden wir auch tun. Alles weitere obliegt heute den Gremien der SPD."

In der Gretchenfrage wich Kraft abermals aus. Dabei steht sie unter Zugzwang: Eine Einbeziehung der Linkspartei in die Düsseldorfer Regierungsarbeit könnte zu einer Zerreißprobe der Partei führen. Viele SPD-Mitglieder lehnen eine Zusammenarbeit ab, andere wiederum zeigen keinerlei Berührungsängste. Doch das Desaster um Andrea Ypsilantis geplante Koalition in Hessen hat die SPD nicht vergessen - das lindert den Reiz der verbotenen Frucht.

Eine andere Variante kursiert derweil als Gerücht: Die SPD wolle einen Abgeordneten der Linkspartei in ihr Lager herüber ziehen, um so eine Mehrheit zu haben. Kraft entgegnete: "Es gibt jetzt viele Spekulationen. Jetzt muss man erst mal sehen, wie es weitergeht. Man muss jetzt die Gespräche führen. Das wird sicher ein paar Tage dauern."

SPD untermauert Führungsanspruch

Unterdessen untermauerten die Sozialdemokraten ihren Führungsanspruch. Bei dem Empfang im Willy-Brandt-Haus - mit dem obligatorischen Blumenstrauß - gratulierte Parteichef Siegmar Gabriel und sagte: "Das Wahlergebnis muss dazu führen, dass du Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen wirst." Auch der stellvertretende SPD-Chef Olaf Scholz sagte, Kraft sei die Wahlsiegerin. "Sie hat den Regierungsauftrag bekommen." Zunächst werde sie Gespräche mit den Grünen führen, danach wahrscheinlich mit allen anderen Parteien.

"Ich glaube, da muss man abwarten", sagte der Generalsekretär der Landes-SPD, Michael Groschek, am Montag im Bayerischen Rundfunk. "Letztlich bin ich davon überzeugt, dass es im Landtag eine stabile Mehrheit für eine rot-grün geprägte Regierung geben wird."

Das Wunschbündnis mit den Grünen war am Wahlabend zeitweise in greifbarer Nähe. Manche Hochrechnungen sahen eine knappe Mehrheit, die ein rot-grünes Comeback ermöglicht hatte. Doch der Vorsprung schmolz mit der fortschreitenden Zeit dahin - der SPD ging in dem Foto-Finish die Luft aus. Der Überraschungssieg, den vor einigen Monaten niemand der Partei zugetraut hätte, war schnell wieder futsch.

Letztlich wurde die CDU stärkste Partei, sie erreichte nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis 34,6 Prozent der Stimmen, die SPD kam auf 34,5 Prozent. CDU und SPD stellen künftig jeweils 67 Abgeordnete, die Grünen 23, die FDP 13 und die Linke elf.

CDU bereit für große Koalition

Die CDU hat unterdessen Bereitschaft zur Bildung einer großen Koalition signalisiert. Er sehe eine gemeinsame Verantwortung mit der SPD, "Extremisten" von der Regierung fernzuhalten, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Montag in der ARD in Anspielung auf eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei. Diese Variante ist in der SPD ebenfalls nicht unumstritten. Neben der Personalie Jürgen Rüttgers würde sich die Frage stellen, wer den Senior- und wer den Juniorpartner gibt.

Außerdem sind Kraft und Rüttgers an einem Kabinettstisch für viele in SPD und CDU nur schwer vorstellbar. "Wenn es eine große Koalition gibt, dann auf jeden Fall ohne Rüttgers", sagte Bundestags-Fraktionsvize Hubertus Heil dem "Handelsblatt".

Der Ball liegt jetzt bei der SPD und Hannelore Kraft. Zur Stunde tagen die Parteigremium, um einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden. Öffentlichkeit und Partei erwarten eine Erklärung, wo die Reise hingehen soll. Für 12.30 Uhr ist eine Pressekonferenz angekündigt.

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