Kopftuch, Kippa und Kreuz Kritik an geplantem Verbot religiöser Symbole in der Justiz in NRW

Düsseldorf · Ist die Neutralität der Justiz beeinträchtigt, wenn die Gerichtsprotokollantin eine Kette mit Kreuz am Hals trägt oder der Wachtmeister eine Kippa? Könnte sein, meint die NRW-Regierung. Sie will öffentlich keine religiösen Symbole am Justizpersonal sehen.

 Der Umriss eines abgehängten Kreuzes ist in einem Gerichtssaal im Düsseldorfer Landgericht noch zu sehen.

Der Umriss eines abgehängten Kreuzes ist in einem Gerichtssaal im Düsseldorfer Landgericht noch zu sehen.

Foto: dpa/Martin Gerten

(dpa) Das von der Landesregierung geplante Verbot religiöser Kleidung und Symbole für das Justizpersonal stößt auf Widerstand. Zur Anhörung am heutigen Mittwoch im Landtag äußern Rechtswissenschaftler und die Kirchen erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an dem Vorhaben.

Die Novelle greife durch das Verbot, Kleidung zu tragen, die mit einer Religion oder Weltanschauung verbunden werde, „erheblich in das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein“, stellen das Katholische und das Evangelische Büro NRW in einer gemeinsamen Stellungnahme fest. „Faktisch würde das geplante Gesetz insbesondere kopftuchtragende muslimische Frauen betreffen.“

Das schwarz-gelbe „Justizneutralitätsgesetz“ sieht vor, dass Beamte und Beschäftigte bei öffentlichen Terminen wie Gerichtsverhandlungen weder Kopftuch noch Kippa oder sichtbare christliche Kreuze tragen dürfen. Es dürfe „nicht der geringste Anschein von Voreingenommenheit erweckt werden“.

Der Münsteraner Staatsrechtler Hinnerk Wißmann stellt fest, dass „so im Grunde Berufsverbote verhängt werden“. Es stehe fest, „dass die religionsskeptischen und integrationsfeindlichen Kosten den möglichen Nutzen überwiegen“. Recht sprechen könne man auch mit Kippa, Kopftuch oder Kreuz. Die Landesregierung sieht das anders: Ein milderes Mittel, um die Neutralität zu sichern, gebe es nicht.

Gelten sollen die Vorschriften sowohl für mündliche und für Hauptverhandlungen als auch für Verkündungs-, Orts-, Erörterungs- oder Beweistermine. „Symbolhafter Ertrag und grundrechtliche Kosten stehen in keinem angemessenen Verhältnis“, urteilt Wißmann. Schließlich werde der Großteil der Rechtsfindung nicht öffentlich, sondern am Schreibtisch und ohne Robe erarbeitet. „Die notwendige Qualitätssicherung der Justiz zielt auf das, was im Kopf steckt, nicht auf das, was ihn umhüllt.“

Mit seiner Ausdehnung auf alle Justizbeschäftigten gehe der Gesetzentwurf im Ländervergleich besonders weit und übertreffe sogar die bayerischen Regelungen. Ebenso wie der Berliner Rechtswissenschaftler Ulrich Battis und die Kirchen weist Wißmann auf die Risiken der verfassungsrechtlich hochumstrittenen und noch ungeklärten Lage hin.

Der Gesetzentwurf sieht auch vor, das für Richter und Beamte bereits geltende Gesichtsverhüllungsverbot bei dienstlichen Tätigkeiten auf alle Justizbeschäftigten auszuweiten. Das begrüßen die christlichen Kirchen uneingeschränkt: Seinem Gegenüber ins Gesicht schauen zu können, sei „unerlässlich für einen offenen und vertrauensvollen Umgang“ und das „uneingeschränkte Funktionieren der Justiz“.

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