Schreiben an Landesregierung Kommunen warnten vor Hambach-Einsatz

Düsseldorf · Stadt Kerpen und Kreis Düren machten 2018 der Landesregierung Alternativvorschläge, die Räumung des Forsts im Kohlerevier zu begründen. Schreiben belegen, wie groß die Vorbehalte gegenüber der Version des Landes waren.

Die neuen Baumhäuser im Hambacher Forst
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Die neuen Baumhäuser im Hambacher Forst

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Foto: RPO/Claudia Hauser

Vertreter der Stadt Kerpen und des Landkreises Düren haben die Landesregierung im Spätsommer 2018 eindringlich vor der Räumung des Hambacher Forsts auf Grundlage baurechtlicher Bedenken gewarnt und Alternativen aufgezeigt. Das belegen zwei Schreiben, die unserer Redaktion vorliegen.

Demnach wandte sich der Bürgermeister der Stadt Kerpen, Dieter Spürck (CDU), am 10. September 2018 an das Kommunal- und Bauministerium von Ina Scharrenbach (CDU). In dem Schreiben hieß es, es dürfe „nicht Ziel des städtischen bauordnungsrechtlichen Einschreitens sein, Rodungsarbeiten für ein bergbautreibendes Unternehmen vorzubereiten“ – auch nicht, wenn offenbar bereits erhebliche kostenintensive Vorbereitungen für eine Amtshilfe seitens der Polizei getroffen worden seien. Spürck wies unter anderem auf den Umstand hin, dass die Besetzung bereits seit 2013 vonstattengehe und in den fünf Jahren keine bauordnungsrechtlichen Maßnahmen eingefordert worden seien.

Der Bürgermeister machte einen Gegenvorschlag: Der Landesbetrieb Wald und Holz könne ein Waldbetretungsverbot aussprechen, das die Polizei durch einen Dauerplatzverweis sichere und durchsetze. Spürck äußerte auch die Sorge vor einer finanziellen Überforderung seiner Stadt.

Prophetisch erscheint sein Hinweis, dass er „das avisierte Vorgehen für rechtlich angreifbar“ halte: „Zudem besteht die erhebliche Gefahr, dass ein Verwaltungsgericht aufgrund der oben skizzierten zeitlichen Zusammenhänge Ermessensfehler insbesondere wegen sachfremder Erwägungen annehmen könnte.“ Im September 2018 hatte die Polizei den von Klimaschutzaktivisten besetzten Wald geräumt. Das Kölner Verwaltungsgericht gab der Stadt 2021 recht – der Einsatz sei rechtswidrig gewesen. Das Land wies die Stadt an, trotz anderslautenden Ratsbeschlusses Berufung einzulegen.

Rita Schrewentigges vom Bauordnungsamt des Kreises Düren wandte sich am selben Tag wie Spürck an das Ministerium: „Der Kreis Düren hält weiterhin an seinen Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit eines bauaufsichtsbehördlichen Einschreitens fest.“

Auch sie schlug eine Alternative vor: „Meines Erachtens sollte es zwei Verfügungen geben, nämlich die an die Aktivisten, die Baumhäuser zu räumen und keine neuen mehr zu errichten. Die Räumung soll durch die Polizei im Wege der Vollzugshilfe mit Mitteln und Kräften der Polizei erfolgen.“ Seien die Baumhäuser von den Besetzern frei, könne die Beseitigung der baulichen Anlagen, „für die ohnehin kein zwingendes Bedürfnis des Einschreitens im Sofortvollzug besteht“, von RWE als Eigentümer gefordert werden: „Insbesondere besteht dann keine Notwendigkeit, seitens der Unteren Bauaufsicht durch Beauftragung von Fremdfirmen für die Aktivisten tätig zu werden. Dann wäre auch das Kostenproblem gelöst.“

Die Schreiben hatte der SPD-Abgeordnete Stefan Kämmerling vom Land unter Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz eingefordert: „Es ist ja schon länger bekannt, dass der fehlende Brandschutz der Baumhäuser nur ein Vorwand war, um den Hambacher Forst mit dem größten und teuersten Polizeieinsatz in der Geschichte unseres Landes räumen zu können.“ Dem Kreis Düren und der Stadt Kerpen sei offensichtlich klar gewesen, dass man einen gesellschaftlichen Konflikt nicht mit der Bauordnung lösen könne. „Sie vertraten selbstbewusst die Auffassung, dass die Räumung mittels Baurecht nicht verhältnismäßig und rechtlich angreifbar sei“, sagt Kämmerling: „Schlussendlich haben sie sogar die Zustimmung zu dem Vorgehen der Landesregierung verweigert und erst auf zwingende Weisung hin agiert.“ Die schwarz-gelbe Landesregierung wollte hier mit dem Kopf durch die Wand.

 Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst.

Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst.

Foto: dpa/Jana Bauch

Jan Heinisch, Staatssekretär im Bauministerium, sagte, die rechtlichen Einschätzungen sowohl der beiden Kommunen als auch vonseiten des Ministeriums inklusive ihrer Begründungen seien hinlänglich bekannt: „Unsere Position wurde bislang auch in verschiedenen Verfahren gerichtlich bestätigt.“ Der eine konkrete Fall gegen die Stadt Düren befinde sich vor Gericht, sodass man hier die Entscheidungen abzuwarten habe, so Heinisch.

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