Kolumne: Hier in NRW Zwischen Baum und Borke

SPD und FDP müssen zwei Rollen gleichzeitig spielen: Regierung und Opposition. Die jüngsten Corona-Beschlüsse machen daraus einen Drahtseilakt - mit überraschenden Wendungen.

 Strichzeichnung Kirsten Bialdiga

Strichzeichnung Kirsten Bialdiga

Foto: RP/Phil Ninh

Sozialdemokrat oder Liberaler in Nordrhein-Westfalen zu sein, ist zurzeit nicht ganz einfach. Die SPD im Bund hat die Corona-Beschlüsse zum „Lockdown light“ als Regierungspartei mit ausgearbeitet. In Nordrhein-Westfalen aber muss sie als Oppositionspartei die Schwachpunkte dieser Maßnahmen offenlegen und eben gerade das angreifen, was sie in Berlin vertritt.

Umgekehrt verhält es sich bei der FDP. Als Oppositionspartei im Bund greift sie die Corona-Regeln frontal an. FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte die Bürger gar auf, gegen die Verordnungen zu klagen. In Nordrhein-Westfalen hingegen, wo die Liberalen mitregieren und wo sie die in Corona-Zeiten noch wichtigeren Schlüsselressorts Schule, Familie und Wirtschaft innehaben, müssen sie die Beschlüsse aus Berlin vor den Bürgern vertreten.

Das führt im Landtag zu interessanten Balanceakten. FDP-Vizeministerpräsident und Familienminister Joachim Stamp sprach jüngst von „staatspolitischer Verantwortung, um ein bundeseinheitliches Vorgehen zu ermöglichen.“ Eigentlich aber sehe er die Schließung von Gastronomie und Sport kritisch, fügte er eilig hinzu. Noch weiter ging FDP-Fraktionschef Christof Rasche. In seiner Partei hielten viele das Vorgehen für überzogen und kontraproduktiv, bekannte der FDP-Politiker. Wer Rasches Rede im Landesparlament am Freitag verfolgte, konnte phasenweise den Eindruck gewinnen, die Opposition sei gerade am Zuge.

Zumal sich die FDP in einem weiteren Punkt mit der SPD in NRW sehr einig ist. Beide Parteien fordern mit Nachdruck, die Parlamente stärker in die Corona-Politik einzubeziehen und die Regeln mit einer klaren zeitlichen Befristung zu versehen.

So viel Gemeinsamkeit zwischen einer Regierungs- und einer Oppositionspartei lässt aufhorchen, eineinhalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl in NRW.

(kib)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort