Minderheitsregierung in NRW Köpfe und Ziele von Rot-Grün

SPD-Landeschefin Hannelore Kraft will mit den Grünen eine Minderheitsregierung in NRW bilden. Wie könnte ein Kabinett Kraft aussehen? Einige Konturen zeichnen sich bereits ab, nachdem die SPD im Wahlkampf Mitglieder eines "Kompetenzteams" ernannt hat. Die Grünen beanspruchen mit Sicherheit drei Ministerien für sich. Sylvia Löhrmann als Schulministerin gilt als "gesetzt".

SPD-Landeschefin Hannelore Kraft will mit den Grünen eine Minderheitsregierung in NRW bilden. Wie könnte ein Kabinett Kraft aussehen? Einige Konturen zeichnen sich bereits ab, nachdem die SPD im Wahlkampf Mitglieder eines "Kompetenzteams" ernannt hat. Die Grünen beanspruchen mit Sicherheit drei Ministerien für sich. Sylvia Löhrmann als Schulministerin gilt als "gesetzt".

Wie viele Posten beanspruchen die Grünen in einer Minderheitsregierung mit der SPD? Noch am Donnerstagmorgen wies Grünen-Landeschef Arndt Klocke diese Frage weit von sich. Darüber habe man sich noch keine Gedanken gemacht, meinte er treuherzig.

Das nahm ihm natürlich kaum jemand ab, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, war, dass SPD-Landeschefin Hannelore Kraft die von den Grünen so vehement geforderte Minderheitsregierung jetzt doch schnellstmöglich bilden will.

Die SPD-Chefin hatte bereits im Wahlkampf durch die Benennung eines "Kompetenzteams" personelle Pflöcke eingeschlagen. Der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Guntram Schneider, soll neuer Arbeitsminister werden.

Für Mindestlöhne

Schneider wird darauf drängen, dass die von Schwarz-Gelb gestutzte Mitbestimmung im Landesdienst so rasch wie möglich zurückgefahren wird. Ein neues Landespersonalvertretungsgesetz dürfte Schneider bereits fertig in der Schublade haben. Er will zudem eine "faire Bezahlung der Arbeitnehmer durch flächendeckende, gesetzliche Mindestlöhne" einführen und dem Missbrauch von Leih- und Zeitarbeit einen Riegel vorschieben. Die Jugendarbeitslosigkeit soll durch eine Ausbildungsplatzgarantie bekämpft werden.

Das Wirtschaftsressort wird aller Voraussicht nach an den Kölner Wirtschafts-Dezernenten Norbert Walter-Borjans fallen. Er machte bereits in der Ära des früheren SPD-Ministerpräsidenten Johannes Rau in der Staatskanzlei Politik als Regierungssprecher. Der promovierte Volkswirt soll den "Stärkungspakt Stadtfinanzen" umsetzen, der die hochverschuldeten Kommunen in NRW entlasten soll. Die SPD will den "Aufbau Ost" stoppen und die Fördermittel im Westen einsetzen, statt sie "nach Himmelsrichtungen" zu verteilen.

Finanzexpertin der SPD-Fraktion ist die Duisburgerin Gisela Walsken. Auf sie kommt möglicherweise der Kraftakt zu, einen Etat zusammenzustellen, der die Finanzierung der Wahlziele von Rot-Grün ermöglicht. Die Parteien wollen die Studiengebühren abschaffen und die Kindergartengebühren streichen. Schrittweise zumindest. Gleichzeitig soll ein flächendeckendes Kulturangebot zu erschwinglichen Preisen ermöglicht werden.

Integration der Muslime

Chancen auf ein Ministeramt werden auch der Essenerin Britta Altenkamp eingeräumt. Sie könnte sich als Familienministerin dafür stark machen, die Kinderarmut zu bekämpfen. Die SPD will den Zusammenhalt der Menschen in NRW verbessern. Dabei soll auch die Integration der Muslime vorangebracht werden.

Zum Führungskreis der NRW-SPD zählt der Energieexperte Norbert Römer. Der Gewerkschafter ist durch die Tätigkeit bei der IG BCE geprägt. Römer kämpft für den Erhalt eines Sockelbergbaus. Der derzeitige SPD-Schatzmeister könnte ein Ressort übernehmen, das die Bereiche Energie, Infrastruktur, Innovation und Verkehr abdeckt.

Unklar ist, wie das Ressort für Europa- und Bundesangelegenheiten besetzt wird. Das Ministerium ist unmittelbar an die Regierungszentrale angekoppelt. Deswegen kann die Position nur von einer Vertrauensperson der Ministerpräsidentin ausgefüllt werden. Doch die sind rar gesät. Der Bundestagsabgeordnete Dietmar Nietan, Chef des SPD-Bezirks Mittelrhein, brächte jedenfalls die fachlichen Qualitäten mit. Er gehört zu den Europa-Experten der NRW-SPD.

Zülfiye Kaykin, die im Schattenkabinett der SPD als Integrationsexpertin vorgestellt worden war, kommt nach Einschätzung aus Duisburger SPD-Kreisen in der Regierungsmannschaft nicht zum Zug. Der Bund der türkischstämmigen Sozialdemokraten in der NRW-SPD hatte der früheren Geschäftsführerin der Duisburger Moschee vorgeworfen, sie unterhalte Beziehungen zu den "Grauen Wölfen". Kaykin wertete die Behauptung als hässliche Verschwörung.

Längeres gemeinsames Lernen

Und wer tritt für die Grünen in die Regierung ein? Für die Ökopartei, das stand seit jeher fest, wird ihre Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann im Kabinett Kraft vertreten sein, und zwar als Schulministerin. Die gelernte Gymnasiallehrerin Löhrmann wird alles daran setzen, längeres gemeinsames Lernen in NRW durchzusetzen.

Die Solingerin will den "Dauerdruck durch das Turbo-Abi" ebenso abschaffen wie Kopfnoten in den Zeugnissen und verbindliche Grundschulempfehlungen. Auf ihre Autogrammkarte hat sie einen Spruch von Victor Hugo drucken lassen. "Es gibt nichts Mächtigeres auf der Welt als eine Idee, deren Zeit gekommen ist."

Als zweites Ressort werden die Grünen das Umweltministerium für sich beanspruchen. Das Haus wird höchstwahrscheinlich künftig von dem Siegerländer Johannes Remmel geführt. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion war einer der härtesten Widersacher des bisherigen Umweltministers Eckhard Uhlenberg (CDU).

Remmel wirft CDU und FDP vor, bei der Aufklärung des Skandals um das Umweltgift PFT im Trinkwasser versagt zu haben. Denkbar, dass der "Realo" Remmel die Grenzwerte in den bestehenden Umweltzonen verschärft.

Provisorischer Zuschnitt?

Das dritte Ministerium der Grünen würde wieder einer Frau, idealerweise aus dem linken Parteispektrum, zufallen. Die frühere Parteichefin Barbara Steffens gilt als ministrabel. Sie könnte den Bereich Gesundheit übernehmen. Sollte den Grünen auch das Justizministerium angeboten werden, wäre die Kölner Parteivorsitzende Anne Lütkes eine geeignete Kandidatin. Die Rechtsanwältin war bereits in Schleswig-Holstein unter SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis Justizministerin.

Im Landtag hieß es am Donnerstag, möglicherweise würden die Ressorts zunächst nur einen provisorischen Zuschnitt erhalten. Da es als denkbar gilt, dass die FDP nach der Sommerpause in die Regierung eintritt, könnten dann die endgültigen Zuständigkeiten festgezurrt werden. Sollten die Liberalen in eine Ampelkoalition einsteigen, gilt FDP-Chef Andreas Pinkwart als gesetzt. Er hatte in den Sondierungsgesprächen mit SPD und Grünen für das Dreierbündnis gekämpft.

Hannelore Kraft, die am Wochenende 49 Jahre alt geworden ist, wird, wenn sie gewählt ist, die erste Ministerpräsidentin von NRW. Die Mülheimerin gehört der Partei erst seit 1993 an. Damals kam sie als Seiteneinsteigerin und hatte es schwer, sich gegen die altgedienten Genossen mit "Stallgeruch" durchzusetzen. Nach der Wahlniederlage 2005 wurde die frühere Handballspielerin zunächst Fraktionschefin, ab 2007 auch Vorsitzende der NRW-SPD. Jetzt geht ihr Traum, Ministerpräsidentin zu werden, wohl bald in Erfüllung.

(RP)
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