CDU stellt SPD Ultimatum in Blogger-Affäre Klärungsbedarf wegen "Theobald Tiger"
Düsseldorf · Der Streit um angebliche "Dankeschön-Aufträge" der rot-grünen Landesregierung an mutmaßliche Sympathisanten spitzt sich zu. Die NRW-CDU hat die Staatskanzlei von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) aufgefordert, bis Freitagmittag zehn Fragen zu den umstrittenen Vorgängen zu beantworten.

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Andernfalls gehe er davon aus, dass die "ungeheuerlichen Vorwürfe" zuträfen, sagte der CDU-Politiker Karl-Josef Laumann vor der Presse in Düsseldorf. Der Generalsekretär der NRW-CDU, Oliver Wittke, sprach von einem "in den letzten Jahren beispiellosen Vorgang".
Wie berichtet, geht es um fünf Aufträge zur Erstellung von Informationsbroschüren, die das SPD-geführte Familienministerium an die Agentur Steinkuehler-com in Düsseldorf vergeben hat. Das Auftragsvolumen beträgt nach Angaben einer Ministeriumssprecherin rund 300 000 Euro. Regierungssprecher Thomas Breustedt hat versichert, dass die Aufträge gemäß den geltenden Vergaberichtlinien erteilt worden seien. Er warf der Union, die in diesem Zusammenhang von möglichen "Gefälligkeitsaufträgen" spricht, vor, einen "Schmutzwahlkampf" zu führen.
Mysteriöse Blogger
Hintergrund des Streits, der durch einen Bericht des Magazins "Stern" ausgelöst worden ist, sind Spekulationen, dass der Geschäftsführer der Düsseldorfer Agentur, der frühere Journalist Karl-Heinz Steinkühler, für den Blog "Wir in NRW" tätig gewesen sein könnte. In diesem Blog hatten Autoren, die Pseudonyme wie "Theobald Tiger" und "Kaspar Hauser" benutzten, im Wahlkampf 2010 massiv gegen die Regierung von Jürgen Rüttgers (CDU) agitiert. "Es steht der Verdacht im Raum, dass Frau Kraft eine anonyme Anti-CDU-Kampagne im letzten Landtagswahlkampf nachträglich mit Steuergeldern belohnt hat", erklärte dazu gestern CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe in Berlin.
Unter der Überschrift "Dankeschön-Aufträge der Landesregierung" hat die NRW-CDU zehn Fragen an die Staatskanzlei formuliert. Unter anderem will sie wissen, ob die Landesregierung bei der Auftragsvergabe gewusst habe, dass "Steinkühler ein wesentlicher Autor des Blogs ,Wir in NRW' war". Gefragt wird auch danach, welche Referenzen die Agentur vorweisen konnte, "die sie für die freihändige Vergabe qualifizierte".
Die CDU verweist auch darauf, dass das Familienministerium 20 Prozent seines 1,5 Millionen Euro umfassenden Etats für Öffentlichkeitsarbeit an nur eine Agentur vergeben habe. "Pflegt das Ministerium zu weiteren Agenturen derart intensive Geschäftsbeziehungen?" will Laumann wissen. Er forderte die Regierung zur Offenlegung der Unterlagen auf. Dann werde sich zeigen, ob die entsprechenden Vermerke von politisch Verantwortlichen abgezeichnet worden seien.
Einstweilige Verfügung
Donnerstagbbend teilte das von Ute Schäfer (SPD) geleitete Ministerium mit, dass es beim Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen den "Stern" erwirkt habe. Das Magazin dürfe jetzt nicht mehr den Eindruck erwecken, als stehe die Auftragsvergabe an die Agentur Steinkuehler-com im Zusammenhang mit der Berichterstattung des Blogs "Wir in NRW". Dies bedeute "in der Konsequenz, dass die Berichterstattung rechtswidrig war. Der Artikel hätte so nicht geschrieben werden dürfen", sagte eine Ministeriumssprecherin.
Unterdessen wehrt sich die Essener "WAZ" gegen die Behauptung der CDU Recklinghausen, die Zeitung habe nach einer Intervention von Regierungschefin Hannelore Kraft bei der "WAZ"-Chefredaktion wochenlang auf eine Berichterstattung über diese Vorgänge verzichtet. Diese Behauptung sei unwahr und inzwischen widerrufen worden, teilte die "WAZ" mit: "Es gab und gibt keine Einflussnahme von Frau Kraft auf die Berichterstattung in der WAZ."
Dem "Stern" zufolge hat im Jahr 2010 auch Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) die Agentur Steinkühlers eingeschaltet. Dabei sei es um Steinbrücks Teilnahme an einer Podiumsdiskussion in Frankfurt/Main gegangen. Die Höhe der Provision für den Ex-Journalisten sei nicht bekannt. Steinkühler selbst, der bis Ende 2009 Leiter des Düsseldorfer "Focus"-Büros war, mochte gestern gegenüber unserer Zeitung keine offizielle Stellungnahme abgeben.