Karneval 2017 und Landespolitik Kraft und Laschet zu blass für die Jecken

Düsseldorf · Die Landespolitik spielt selbst im Wahljahr keine Rolle im Karneval. Die Kölner Karnevalisten sahen von einer Persiflage ab, weil das Thema derzeit niemanden beschäftige. Manche Karnevalisten sagen, die Wahl sei zu uninteressant.

 Diese Montage zeigt Armin Laschet und Hannelore Kraft, die Spitzenkandidaten von CDU und SPD zur Landtagswahl.

Diese Montage zeigt Armin Laschet und Hannelore Kraft, die Spitzenkandidaten von CDU und SPD zur Landtagswahl.

Foto: dpa / Montage: Radowski

Es war ein eindeutiges politisches Statement, das Hannelore Kraft mit ihrem Kostüm in der ARD-Fernsehsitzung in Köln-Gürzenich setzte. Als blasse, bröckelnde Freiheitsstatue schunkelte sie im Publikum mit. Die SPD-Ministerpräsidentin zeigte mit ihrer traurigen "Miss Liberty" eindeutig, was sie von der Politik von Donald Trump hält — nämlich nichts.

Um im Karneval aufzufallen, müssen die Landespolitiker wie Kraft als Freiheitsstatue Initiative ergreifen. Denn der Karneval selbst nimmt kaum Notiz von ihnen. Die Landtagswahl scheint keine Rolle zu spielen im närrischen Treiben. Motivwagen, bei denen Kraft, ihre Minister oder die Opposition mit CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet auf die Schippe genommen werden, sucht man vergebens. Zu langweilig, zu blass, zu farblos, nicht bekannt genug, heißt es bei einigen Karnevalisten. Das interessiere niemanden, meinen manche.

"Wen soll das vom Hocker hauen?", heißt es in Köln

Beim Festkomitee Kölner Karneval erklärt man das Fehlen von landespolitischen Motiven damit, dass die Landtagswahl schließlich noch Zukunftsmusik sei. Man habe sich mit der Thematik Landtagswahl beschäftigt, aber von einer Persiflage abgesehen, sagte Sigrid Krebs, Sprecherin des Festkomitees Kölner Karneval.

"Die Wahl ist erst im Mai. Im Kölner Rosenmontagszug persiflieren wir jedoch eher die Themen, die die Menschen jetzt aktuell oder in den gerade zurückliegenden Wochen bewegen", sagte Krebs. Stattdessen werden Kraft und Laschet beim Kölner Rosenmontagszug mitfahren.

Statt auf Landespolitik setzt man in Köln vor allem auf den neuen US-Präsidenten Donald Trump. Natürlich auch auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Und ein bisschen auf Lokalpolitiker wie Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos). "Natürlich könnte man den Wahlkampf in NRW zum Thema machen. Aber mal wirklich: Wen soll das vom Hocker hauen", heißt es aus Kölner Karnevalskreisen.

Tilly: "Da gibt es keine großen Themen, keinen echten Zoff"

Für den Düsseldorfer Wagenbaumeister Jacques Tilly ist die Landespolitik närrisches No Go, will heißen: Sie ist in seinen Augen so adrenalintreibend wie ein Schlaflied, ihr fehlt jeder Aufregefaktor, und ohne den geht bei Tilly nichts. "Da gibt es keine großen Themen, keinen echten Zoff und keine Gesichter, die sich lohnen." Ministerpräsidentin Kraft sei "die ewig mürrisch dreinblickende Landesmutti", sie hat für Tilly keinen Reiz.

Ihr Herausforderer Laschet, der mit der Sicherheitspolitik einen letzten vergeblichen Versuch starte, ein Thema zum Skandal aufzupumpen, sei erst recht kein Fall für einen Wagenbau. Er fällt durch den Rost wie viele Minister in Bund und Land, die kein Mensch am Straßenrand in der gebotenen Sekundenschnelle erkenne, wenn er als Karikatur auf dem Wagen vorbeirolle.

Tilly hat in den vergangenen Jahren nur zweimal Mottowagen mit Spitzenpolitikern des Landes gebaut. Beim ersten Mal musste 2009 der damalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (2009) dran glauben. Weil er Mittel für die Obdachlosenhilfe gestrichen hatte, war er im Düsseldorfer Zug als Skinhead zu sehen, der das Cello von Thomas Beckmann zerdrosch, der für die Armen spielt. Kraft und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne) kamen 2011 zu karnevalistischen Ehren. Damals flog ihnen der Landesetat um die Ohren, und Tilly hatte den Topf, in dem dieses Süppchen angerührt worden war, explodieren lassen und beide Landesmütter schwarz eingefärbt.

Enthüllung in Düsseldorf traditionell erst am Rosenmontag

In Düsseldorf werden die Wagen noch traditionell bis zum Rosenmontag nicht der Öffentlichkeit gezeigt. Diese Besonderheit des Wagenbauers Tilly ist dem Düsseldorfer heilig: Seit 17 Jahren hält er alle politischen Wagen bis zum Zug geheim, damit dem Oberwagenbauer weder Politiker noch Anwälte beim Parodieren in den Arm fallen können. Seine Wagen schaffen es regelmäßig in die ARD-"Tagesschau" und sorgen bisweilen auch international für hitzige Diskussionen und diplomatische Verwicklungen. Provokation ist das Programm des Zuges, dessen Wagen seit 1983 von Jacques Tilly gestaltet werden.

Die Kölner Motivwagen wurden hingegen schon in der vergangenen Woche der Öffentlichkeit vorgestellt. So zeigt ein Persiflage-Wagen den US-Präsidenten Trump, der als Neuling in die Schulklasse kommt. Neben ihm will niemand sitzen — außer Russlands Präsident Wladimir Putin. Trump gibt sich als Rüpel und greift der Freiheitsstatue dreist zwischen die Beine. "Diesen Wagen können wir bis Rosenmontag noch aktuell ergänzen, durch entsprechende Aufschriften auf der Schultafel", sagte Zugleiter Christoph Kuckelkorn.

Ein Motivwagen zeigt die Bundeskanzlerin, wie sie als Marienkäfer hilflos auf dem Rücken liegt. Auch der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, bekommt sein Fett weg: Als "Super Mario" hüpft er auf den Zinsen herum und zerdeppert mit einem Hammer das Sparschwein der Sparer. Weitere Themen sind der Brexit und die Kölner Oberbürgermeisterin, die ihrer eigenen Verwaltung den Hintern versohlt.

(csh)
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