Bericht zum Sachstand „Krude und bizarr“ – Innenminister warnt vor Reichsbürgern in NRW

Düsseldorf · Innenminister Herbert Reul (CDU) geht davon aus, dass in NRW weitere Reichsbürger-Netzwerke aufgedeckt werden könnten – und, dass diese gefährlich sind. Mehrere Fraktionen fordern die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz.

Innenminister Herbert Reul.

Innenminister Herbert Reul.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) warnt davor, die Gefahr durch Reichsbürger in NRW zu unterschätzen. Die bei einer bundesweiten Razzia aufgedeckten Umsturzpläne: „Die mögen einem ja oft krude und bizarr vorkommen, und sie strotzen vor Verschwörungsmythen“, sagte Reul bei einem Bericht zum Sachstand im Innenausschuss des Landtages. „Natürlich stand der Staatsstreich nicht bevor, das hat auch kein Mensch behauptet.“

Aber den bisherigen Ermittlungen zufolge hatte es eine größere Menge von teils militärisch und polizeilich ausgebildeten Personen gegeben, die in strategische Planungen eingestiegen seien: „In dem Moment spätestens ist die Sache brandgefährlich“, sagte Reul. Auch dass bei der Razzia in der vergangenen Woche nur zwei Beschuldigte aus NRW in den Blick genommen wurden, bedeutet für Reul wenig. Denn dabei müsse es nicht bleiben: Wenn nun ermittelt werde, würden Stück für Stück weitere Kontakte überprüft.

Man dürfe nicht nur darauf schauen, ob die Akteure ihr eigentliches Ziel tatsächlich hätten erreichen können, ergänzte der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Jürgen Kayser. „Sondern: Was sind die Zwischenschritte auf dem Weg zu diesem Ziel?“ Auch die rechtsterroristische Gruppe NSU und die linksterroristische RAF hätten ihre Ziele nicht erreicht. „Aber beide Gruppierungen haben gemordet.“ Und das hätte man auch bei dem nun aufgedeckten Netzwerk aus der Reichsbürgerszene nicht ausschließen können.

SPD-Innenpolitikerin Christina Kampmann schlug kritisch den Bogen zur Diskussion um Klimaaktivisten. Mit Blick auf die „Letzte Generation“ hatte Innenminister Reul unlängst angedeutet, dass man es womöglich mit einer kriminellen Vereinigung zu tun habe. Für die Reichsbürger hingegen sei der Verfassungsschutz bislang nicht von einer festen Organisation ausgegangen. Da stelle sich die Frage, so Kampmann, ob das Land die Bedrohung von rechts unterschätze: „auch nach NSU, auch nach Hanau“.

Dagegen wehrte sich Verfassungsschützer Kayser. Seine Behörde habe frühzeitig darauf hingewiesen, dass es im Zuge der Corona-Proteste zu neuen Vernetzungen gekommen sei. Da mischten sich Menschen aus dem bürgerlichen Lager, Corona-Leugner, Rechtsextreme. „Und was eint die eigentlich? Der Hass auf den Staat.“

Von SPD, Grünen und CDU kamen Forderungen, der Verfassungsschutz möge die AfD beobachten oder das zumindest erwägen. „Wir prüfen das Fortlaufend“, erklärte dazu Jürgen Kayser.

Verärgert reagierte der AfD-Abgeordnete Markus Wagner auf den Vorstoß der Parteien. „Das ist ja so durchschaubar wie erwartbar“, sagte er. Die AfD werde für die Taten einzelner in Haftung genommen. Er verlangte zu wissen, ob auch andere mutmaßliche Täter irgendwelchen Parteien angehört hätten – was allerdings nicht zu beantworten war - und sagte über die Beschuldigten: „Es ist nicht strafbar, einen an der Waffel zu haben.“

Woraufhin der CDU-Politiker Christos Katzidis darauf anspielte, dass das exakt die Haltung war, vor der der Innenminister gerade noch gewarnt hatte. Er richtete sich an Wagner: „Faszinierend, wie Sie alles runterreden.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort