Bis zu 50.000 Euro Sind die Gebühren für Klimakleber überhaupt rechtens?
Düsseldorf · Künftig sollen sogenannte „Klimakleber“ dafür zahlen, wenn sie sich auf Straßen festkleben und mit Zwang von der Polizei weggebracht werden. Bis zu 50.000 Euro können fällig werden. Doch Experten haben Bedenken.

Festgeklebt — Aktivisten blockieren Airport Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen will Menschen wie die Aktivisten der „Letzten Generation“ zur Kasse bitten, wenn sie für teure Polizeieinsätze sorgen. Dazu hat Innenminister Herbert Reul (CDU) die Gebührenordnung ändern lassen. Bis zu 50.000 Euro will das Land den Störern in Rechnung stellen. Jetzt sagen Fachleute: So einfach gehe das nicht. Nötig sei eine echte Gesetzesänderung.
„Das sind hier wesentliche Entscheidungen, und die müssen durchs Parlament entschieden werden, die dürfen nicht durch die Exekutive entschieden werden“, erklärte Professor Jörg Ennuschat, Experte für öffentliches und Verwaltungsrecht von der Ruhr-Universität Bochum, am Donnerstag bei einer Sachverständigenanhörung vor der Politik im Innenausschuss des Landtags. Er habe „ganz erhebliche Bedenken“ zu dem Vorgehen des Landes NRW.
So seien im Polizeigesetz bereits verschiedene Kostenregelungen vorgesehen – aber eben gerade nicht für die Ausübung des sogenannten „unmittelbaren Zwangs“, der angewendet wird, um beispielsweise Straßenblockaden aufzulösen. Dem Fachmann zufolge bedeutet das im Umkehrschluss: Dafür sollen nach dem Willen des Gesetzgebers keine Kosten anfallen. Und das, so die Auffassung des Experten, kann das Land nicht einfach durch eine Gebührenordnung aushebeln.
„Man muss es besser machen, wenn man es machen möchte“, befand auch der Fachmann für Verwaltungsrecht Wilhelm Achelpöhler. „Das muss durch ein Gesetz geregelt werden. Und zwar deshalb, weil es bereits durch ein Gesetz geregelt ist: das Polizeigesetz.“
Die politische Opposition reagierte mit scharfer Kritik nach der Einschätzung der Sachverständigen. „Deutlicher hätte gar nicht werden können, dass es offensichtlich nicht funktioniert, wie der Innenminister das plant“, sagte die Innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag, Christina Kampmann. „Das war eine juristische Klatsche für den Innenminister, die zeigt, dass es ohne eine breite Beteiligung des Parlaments eben nicht geht.“
Die FDP warf Schwarz-Grün „schlampige Arbeit“ vor. „Es zeigte sich, was die Landesregierung eilig am Parlament vorbei auf den Weg gebracht hat, ist weder verfassungsgemäß noch praktikabel“, sagte der Innen-Experte der FDP-Fraktion, Marc Lürbke.
Verhaltene Äußerungen kamen aus der CDU. Offenbar gebe es bei der Frage der erforderlichen Rechtsgrundlage unterschiedliche Auffassungen. Aber im juristischen Bereich sei das keine Seltenheit, hieß es aus der Fraktion: „Wir werden jetzt versuchen, diese Fragen zu klären." Das Innenministerium selbst verwies auf eine weitere Anhörung, die inzwischen geplant ist. Dieser wolle man nicht vorgreifen.
Bereits im Vorfeld hatte die neue Gebührenordnung allerdings innerhalb der Regierungskoalition Unruhe ausgelöst. Es sei eine sehr grundsätzliche Frage, ob der Staat Polizeieinsätze in Rechnung stellen sollte, gab die Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer zu bedenken, und kritisierte den Alleingang von Innenminister Herbert Reul. Der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ sagte sie: „Es ist bedauerlich, dass der Innenminister vor einer so einschneidenden Änderung der Landesgebührenordnung nicht die offene Debatte innerhalb der Koalition gesucht hat.“
In der Diskussion bleibt, ob die Androhung von Kosten von bis zu 50.000 Euro gegebenenfalls juristisch angreifbar wäre, weil sie Menschen davon abschrecken könnte, sich an Protesten zu beteiligen. Es wäre zumindest zu prüfen, ob auf diese Weise ein „übermäßiges Risiko für die Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit“ bestehe, regte Experte Achelpöhler an.
Ganz ausdrücklich begrüßten Vertreter der Polizei das Ansinnen, Aktivisten an den Kosten zu beteiligen, die sie verursachen. Etwas anderes sei rechtstreuen Bürgerinnen und Bürgern auch „nicht zu verkaufen“, sagte Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Allerdings müsse das Land noch für Klarheit darüber sorgen, nach welche Regeln die Gelder eingetrieben werden sollten und wer das tun solle. Bei den Behörden fürchtet man nämlich großen Verwaltungsaufwand. „Meine Kolleginnen und Kollegen werden, egal in welcher Direktion sie arbeiten, diesen Workflow nicht stemmen können“, so Huth.
Gebühren seien ein effektives Instrument, aber auch ein „Riesen Verwaltungsmonster“, ergänzte Manuel Ostermann von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er betonte zudem, dass es dabei ausschließlich um die Erstattung von Personal- und Sachkosten gehe, also nicht etwa um Schadenersatz. Wenn durch Störer etwas beschädigt wird, etwa eine Straßenoberfläche, muss dies anders geltend gemacht werden.