Misshandlungen in Flüchtlingsheimen CDU wirft Jäger "schludrige Art der Amtsführung" vor

Düsseldorf · Wachleute in NRW-Flüchtlingsheimen sollen durch Polizei und Verfassungsschutz überprüft werden. Das hat NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) angekündigt. Derzeit werden hunderte Flüchtlinge in sämtlichen Einrichtungen zu den Misshandlungen und nach möglichen weiteren Übergriffen befragt. Massive Kritik kommt von der CDU im Landtag.

 Innenminister Ralf Jäger (SPD) und der Arnsberger Regierungspräsident Gerd Bollermann informierten am Dienstag die Öffentlichkeit.

Innenminister Ralf Jäger (SPD) und der Arnsberger Regierungspräsident Gerd Bollermann informierten am Dienstag die Öffentlichkeit.

Foto: dpa, rwe jai

In mindestens drei Unterkünften in Nordrhein-Westfalen sollen Flüchtlinge durch Wachleute misshandelt worden sein. Es werde gegen elf Verdächtige ermittelt, teilte Jäger mit. Zwei von ihnen hätten Geständnisse abgelegt.

Jäger sagte, bislang gebe es keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Eine entsprechende Aussage eines Verdächtigen in Burbach, der damit andere Wachleute in ein solches Licht rückte, müsse mit der nötigen Vorsicht gewertet werden. Ein Ermittler sagte am Dienstag, einer der Wachleute in Burbach trage die Tätowierung "Ruhm und Ehre" auf dem Unterarm.

Um die Standards in den Landesunterkünften zu gewährleisten, werde ab sofort eine zehnköpfige "Taskforce" geschaffen, sagte Jäger. Die Zusammenarbeit mit dem betroffenen Sicherheitsdienst sei gekündigt worden. Es werde den Sicherheitsunternehmen zudem untersagt, die Arbeit an Subunternehmen zu delegieren.

Jäger räumte ein, dass es für eine Überprüfung der Wachleute beim Verfassungsschutz keine Rechtsgrundlage gebe. Deshalb müssten diese einer solchen Überprüfung zustimmen. Die Sicherheitsunternehmen würden aber vertraglich verpflichtet, nur überprüftes Personal in den Unterkünften einzusetzen.

Der Innenminister entschuldigte sich bei den Asylbewerbern. Was geschehen sei, sei menschenverachtend. "Es macht uns alle wütend und beschämt uns." Er sicherte zu, dass jedem Hinweis auf solche Vorfälle nachgegangen werde: "Hier wird nichts unter den Teppich gekehrt." Weil in Burbach Asylbewerber in einem "Problemzimmer" eingeschlossen worden sein sollen, seien die Ermittlungen inzwischen um den Vorwurf der Freiheitsberaubung erweitert worden, sagte Jäger.

Der für die Unterkünfte zuständige Arnsberger Regierungspräsident Gerd Bollermann wies auf die angespannte Situation hin, die die stark steigende Zahl der Flüchtlinge verursache. Land und Kommunen hätten alle Hände voll zu tun, neue Unterkünfte und Kapazitäten aus dem Boden zu stampfen.

NRW-Oppositionsführer Armin Laschet (CDU) warf Jäger dagegen "eklatantes Organisationsversagen" und eine "schludrige Art der Amtsführung" vor. In Sachsen sei bereits 2010 eine Art TÜV für Unterkünfte eingeführt worden. In NRW dagegen solle nun eine "Taskforce" von zehn Mitarbeitern an nur einem Nachmittag für Besuche und Kontrollen in Flüchtlingsheimen geschult werden, kritisierte Laschet.

Bei den Ermittlungen führt eine Spur nach Rheinland-Pfalz - zu einem Polizisten. Der Beamte des Polizeipräsidiums Koblenz soll an der Führung einer Sicherheitsfirma beteiligt gewesen sein, die im nordrhein-westfälischen Burbach tätig gewesen sei, teilte die Polizei in Koblenz am Dienstag mit. Die Wohn- und Geschäftsräume des Polizisten und seiner Ehefrau seien durchsucht worden. Der Polizist wurde vom Dienst suspendiert. Unklar blieb zunächst, ob Mitarbeiter der Firma direkt an den Übergriffen beteiligt waren.

Der Betreiber der Heime in Burbach und Essen, die Firma European Homecare (EHC), appellierte an die Politik, bei Konsequenzen darauf zu achten, "dass die Realität in den Einrichtungen nicht zu kurz kommt". Das Betreuungspersonal sehe sich wegen der stark steigenden Flüchtlingszahlen "verstärkt mit interkulturellen Problemen und Konflikten konfrontiert", sagte EHC-Geschäftsführer Sascha Korte. Die Polizei hatte in der Burbacher Flüchtlingsunterkunft binnen eines Jahres 300 Einsätze absolviert.

EHC räumte ein, dass der gekündigte Sicherheitsdienst noch in Heimen in NRW tätig sei. Das sei für einen gleitenden Übergang zu neuen Dienstleistern notwendig.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bezeichnete die Vorfälle als bestürzend. Er hielt sich aber mit politischen Schuldzuweisungen zurück. "Ich bin zuversichtlich, dass das Land Nordrhein-Westfalen die bestürzenden und bedrückenden Vorfälle restlos aufklären wird, und ich bin ebenso zuversichtlich, dass das Land Nordrhein-Westfalen diese Mängel unverzüglich abstellen wird", sagte er am Dienstag in München.

In Burbach im Siegerland sollen private Wachmänner einen Flüchtling gezwungen haben, sich auf eine mit Erbrochenem verschmutzte Matratze zu legen. Ein von den Männern aufgenommenes Video war in die Hände der Ermittler gelangt.

Außerdem hatte die Polizei ein Foto gefunden, auf dem ein Sicherheitsmann einem gefesselt am Boden liegenden Flüchtling einen Fuß in den Nacken stellt. Hinzu kommen Verdachtsfälle in Essen und Bad Berleburg.

(rl)
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