Inklusion in NRW Eltern fordern Fortbildungszwang für Lehrer in den Ferien

Düsseldorf · Beim gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Handicap in NRW holpert es. Zwei Verbände, die Eltern behinderter Kinder vertreten, fordern deshalb eine schärfere Gangart gegenüber den Lehrern. Vielerorts fehle der Wille, sich auf die Inklusion einzustellen, lautet die Kritik.

 Der Anteil der Schüler mit Handicap an Regelschulen steigt – viele Lehrer aber fühlen sich darauf nicht ausreichend vorbereitet (Symbolbild).

Der Anteil der Schüler mit Handicap an Regelschulen steigt – viele Lehrer aber fühlen sich darauf nicht ausreichend vorbereitet (Symbolbild).

Foto: dpa/Jonas Güttler

Lehrer in Nordrhein-Westfalen sollen verpflichtet werden, auf einen Teil ihrer Ferien zu verzichten, um besser auf den Unterricht mit behinderten Kindern vorbereitet zu sein – so fordern es zwei Elternverbände. „Wenn das Ministerium die Verbesserung inklusiver Bildung will und sich das nicht von allein entwickelt, bedarf es einer stärkeren zentralen Steuerung, zum Beispiel durch gezielte, verpflichtende Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, auch in den Ferien“, sagte Bernd Kochanek, Landesvorsitzender des Verbands „Gemeinsam leben, gemeinsam lernen“, unserer Redaktion.

„Die letzte Woche der Sommerferien wäre gut“

Eva-Maria Thoms, Vorsitzende des Kölner Vereins „Mittendrin“, ergänzte: „Um das ganze Kollegium fortzubilden, müsste man die unterrichtsfreie Zeit nutzen. Ein guter Termin für verpflichtende Inklusionsfortbildungen wäre die letzte Woche der Sommerferien.“ Beide Vereine setzen sich für einen möglichst weitgehenden gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Handicap ein.

Kochanek und Thoms begründen ihren Vorstoß mit der mangelhaften Umsetzung der schulischen Inklusion in NRW. Aus den Schulen, von den Lehrerverbänden und aus dem Ministerium sei zu hören, „dass Fortbildungsangebote nicht flächendeckend angenommen werden und in Teilen inhaltlich am Ziel vorbeigehen“, sagte Kochanek. Insbesondere nutzten die Schulleiter die Angebote nicht konsequent „zur Herstellung inklusiver Unterrichtskompetenz und zur Verankerung von Inklusion im Schulprogramm“. Kochaneks Fazit: „Wir nehmen in vielen Bereichen einen fehlenden Willen wahr, Inklusion umzusetzen.“ Bisher sei vom Vorsatz der Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP), die Qualität der inklusiven Bildung zu steigern, „an der Basis nichts Spürbares angekommen“.

Thoms sagte, nur die Hälfte der inklusiv unterrichtenden weiterführenden Schulen habe überhaupt ein Konzept für den gemeinsamen Unterricht; in vielen Schulen bildeten sich nur einzelne Lehrer fort. „Dann ist es nicht verwunderlich, dass es mit der Qualität der inklusiven Bildung hapert, und deshalb muss es verpflichtende Fortbildungen geben.“ Die meisten Lehrer fühlten sich für die Inklusion nicht kompetent, aber nur die wenigsten bildeten sich fort.

Ministerium: Schulen entscheiden eigenständig

Das Schulgesetz sieht eine Pflicht zur Fortbildung vor. Dort heißt es: „Lehrer sind verpflichtet, sich fortzubilden und an dienstlichen Fortbildungsmaßnahmen auch in der unterrichtsfreien Zeit teilzunehmen.“ Von der Möglichkeit, Lehrer in den Ferien zur Fortbildung heranzuziehen, wird allerdings bisher kein Gebrauch gemacht – befüchtet wird eine Verschärfung der Proteste gegen die Inklusion, sollte es dazu kommen. Nach Angaben des Ministeriums entscheiden die Schulen eigenständig „je nach Bedarf vor Ort, welche schulinternen Fortbildungen mit dem gesamten Kollegium oder mit einem Teilkollegium durchgeführt werden“. Das Ministerium erarbeitet derzeit Eckpunkte, wie die Qualität der Inklusion gesteigert werden soll.

In einer Forsa-Umfrage für den Lehrerverband Bildung und Erziehung hatten 2017 nur 21 Prozent der Lehrer in NRW das Fortbildungsangebot als sehr gut, gut oder befriedigend eingestuft. Bundesweit berichteten 39 Prozent der Lehrer, die inklusive Klassen unterrichten, es habe dafür kein besonderes Vorgespräch gegeben; 53 Prozent gaben ihre Vorbereitungszeit mit höchstens wenigen Wochen an.

Positivere Zahlen legt das Ministerium auf Nachfrage vor: Demnach beurteilten 90 Prozent der Teilnehmer die Qualität ihrer Inklusions-Fortbildungen als sehr gut, gut oder befriedigend. An dem Programm unter dem Titel „Schulen auf dem Weg zur Inklusion“ nahmen demnach zwischen August 2016 und Januar 2018 insgesamt 31.740 Lehrer teil.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft lehnt eine Fortbildungspflicht in den Ferien strikt ab. Das sei „kontraproduktiv und wird die Inklusionsgegner beflügeln“, sagte die Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. Im Übrigen würden die Ferien die „im Vergleich zum sonstigen öffentlichen Dienst höhere Arbeitszeit“ ausgleichen.

(fvo)
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