FDP-Chef Philipp Rösler im Interview "In der Mitte ist nur noch die FDP"
Düsseldorf · Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler über den Zustand der schwarz-gelben Koalition, über Konfliktthemen wie Betreuungsgeld und Mindestlohn sowie die Frage, wie die Freien Demokraten die Bürger bei den Abgaben entlasten wollen.
Die öffentliche Wahrnehmung der Berliner Koalition ist auch nach drei Jahren mies. Es wird spekuliert, ob die Kanzlerin den Stecker zieht?
Rösler Die öffentliche Wahrnehmung stimmt nicht immer mit den tatsächlichen Ergebnissen der christlich-liberalen Koalition überein. Die Arbeitsmarktdaten, die Wirtschaftsdaten in Deutschland sind im internationalen Vergleich glänzend. Was erwartet die Bevölkerung von der Bundesregierung? Dass wir gut regieren und solide arbeiten. Das tun wir, auch wenn die Kommunikation hin und wieder verbesserungswürdig ist. Die Koalition steht, und sie wird sicher bis 2013 halten.
Werden Sie zentrale Konfliktthemen wie das Betreuungsgeld oder die Pendlerpauschale noch vor den Landtagswahlen lösen?
Rösler Wir haben gerade erst in einem Koalitionsausschuss wichtige Fragen geklärt, etwa bei den Themen Zuwanderung und Sorgerecht. Der Einstieg in die qualifizierte Zuwanderung ist am vergangenen Freitag vom Bundestag beschlossen worden. Das ist ein großer Erfolg für uns Liberale auf dem Weg zu einer neuen Willkommenskultur in Deutschland.
Herr Rösler, die Union hat ein Mindestlohnkonzept beschlossen. Findet das Ihre Zustimmung?
Rösler Das ist eine reine unionsinterne Angelegenheit. Auf das konkrete Regierungshandeln wird sich das nicht auswirken. Im Koalitionsvertrag ist ein einheitlicher flächendeckender Mindestlohn ausgeschlossen. Zu einem wichtigen Punkt der sozialen Marktwirtschaft gehört die Tarifautonomie. Die FDP wird nicht zulassen, dass daran gerüttelt wird.
Die Union will, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften in einer Kommission den Mindestlohn festlegen sollen.
Rösler Wer das Modell genau betrachtet, sieht, dass in dieser Kommission diejenigen einen Lohn verhandeln sollen, die selbst nicht unmittelbar betroffen sein werden. Die Idee der Tarifautonomie war immer, Handeln und Haften zusammenzubringen. Mit dem Mindestlohn rückt die Union weiter nach links. Es muss aber einen geben, der für die soziale Marktwirtschaft streitet. Der Platz in der Mitte ist frei geworden. Da steht nur noch die FDP.
Die Union schüttet das Füllhorn aus. Höhere Mütterrenten, eine neue Zuschussrente. Einführung eines Betreuungsgeldes. Wo wird die FDP ein Veto einlegen?
Rösler Beim Betreuungsgeld ist jetzt die Union am Zug. Wenn konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen, werden wir diese bewerten. Das Betreuungsgeld ist aber ausdrücklich kein Lieblingsprojekt der FDP. Was eine weitere Rentenleistung angeht, bin ich mehr als skeptisch, ob neue Ausgaben finanzierbar sind. Wir haben ein Rentensystem, das nach dem Äquivalenzprinzip aufgebaut ist. Wer einseitige Subventionen einbauen will, muss sagen, wie er es finanzieren will.
Die Sozialkassen sind gefüllt, die Steuereinnahmen sprudeln. Wann entlastet die schwarz-gelbe Koalition die Bürger?
Rösler Die FDP hat einen klugen Vorschlag vorgelegt, um die Beitragszahler zu entlasten. Wir fordern die Abschaffung der Praxisgebühr. Das Instrument hat die versprochene Lenkungswirkung, die Arztbesuche zu reduzieren, nachweislich nicht erbracht. Zudem ist der bürokratische Aufwand für die Kassen und Praxen enorm. Die Praxisgebühr ist gescheitert. Hier setzen wir auf die Vernunft der Union.
Hat der FDP-Vorsitzende mit dem neuen Thema Wachstum die Steuersenkungen ad acta gelegt?
Rösler Dem Bundesrat liegt ein Gesetz vor, mit dem die Koalition die kalte Progression, also die schleichende Steuererhöhung für Arbeitnehmer bei Lohnsteigerungen, abmildern will. Leider blockieren SPD und Grüne diese notwendige Korrektur. Wer es ernst meint mit Steuergerechtigkeit, muss diesem Vorschlag zustimmen. Wenn Frau Kraft und die SPD dem Vorschlag zustimmen, dann ist die Mehrheit da. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die SPD eine solche Blockade den Arbeitnehmern und Facharbeitern am Werkstor erklären kann. Ein Teil dieser Korrektur ist übrigens vom Verfassungsgericht vorgegeben.
Ihr Generalsekretär Patrick Döring will auch die Pendlerpauschale erhöhen. Wie ist das mit der soliden Finanzpolitik vereinbar, die Sie predigen?
Rösler Der Staat hat durch die höheren Benzinpreise unbestritten zusätzliche Einnahmen. Wir sollten prüfen, wie hoch diese zusätzlichen Einnahmen sind. Ich bin dann dafür, dieses Geld an die Bürger zurückzugeben, die von den hohen Preisen besonders betroffen sind. Das sind die Pendler, die mit zu den Leistungsträgern zählen. Eine maßvolle Anhebung ist hier das geeignete Instrument. Dass kann haushaltsneutral umgesetzt werden.
In NRW will die FDP mit einem strikten Anti-Schulden-Kurs punkten und verspricht keine neuen Schulden. Ist das seriös?
Rösler Es muss eine Generation geben, die anfängt, Schulden abzubauen. Die FDP hat, beginnend mit unserem Dreikönigstreffen zu Beginn des Jahres, das Thema Konsolidierung der Haushalte neben einer Wachstumspolitik in den Mittelpunkt gestellt. Ziel der FDP ist es, bereits 2014 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen. Dass Haushaltskonsolidierung erfolgreich möglich ist, zeigen Länder mit liberaler Beteiligung wie Sachsen oder Bayern. In NRW gab es im vergangenen Jahr Rekordsteuereinnahmen. Trotzdem legt Rot-Grün einen Haushalt mit deutlich über drei Milliarden Euro neuen Schulden vor. Das ist das Gegenteil von seriöser Finanzpolitik. Hier müssen wir gegensteuern. Niemand in Nordrhein-Westfalen steht so konsequent für den Abbau von Schulden wie unser Spitzenkandidat Christian Lindner. Und niemand kämpft so leidenschaftlich für die Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung wie die FDP.
In Schleswig-Holstein und NRW profilieren sich die Spitzenkandidaten gegen die Bundespartei und gegen Sie. Wie gehen Sie damit um?
Rösler Das sehe ich anders. Wir sind inhaltlich auf einer Linie und werben für den Abbau von Schulden und eine wachstumsorientierte Politik.
Sie stehen als Parteivorsitzender seit Monaten in der Kritik. Beobachter sagen, Sie sind misstrauischer geworden und haben im Amt ihre Natürlichkeit verloren.
Rösler Das mögen andere beurteilen. Aber es ist doch klar, dass ich als Vizekanzler und Bundesvorsitzender eine andere Verantwortung habe als früher. Die Verantwortung ist hoch, immerhin treffe ich Entscheidungen, die Auswirkungen auf Millionen Menschen haben. Ich gehe die Dinge mit Respekt und einem Grundvertrauen in meinen Kompass an. Ich habe meinen Weg als Parteichef und als Minister gefunden. Und ich habe noch viel vor.
Michael Bröcker fasste das Gespräch zusammen.