Innenminister Thomas de Maizière im Interview "Ich bin ein Law-and-Order-Mann"

(RP). Innenminister Thomas de Maizière (CDU) über Terror-Bekämpfung, härtere Strafen für Angriffe auf Polizisten, den Streit in der schwarz-gelben Regierungskoalition und den Beginn der Karriere von Bundeskanzlerin Angela Merkel

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Foto: ddp

Herr Minister, heute vor zehn Jahren wurde Angela Merkel CDU-Vorsitzende. Sie gelten als ihr Entdecker, stimmt das eigentlich?

De Maizière Das ist übertrieben. Es ist nicht so, als hätte ich das versteckte Talent von Angela Merkel gesehen wie ein Musiklehrer bei einer Schülerin. Wahr ist nur, dass wir uns wenige Tage vor der Volkskammerwahl 1990 kennengelernt haben, als sie Pressesprecherin des Demokratischen Aufbruchs und ich Sprecher der Westberliner CDU war. Als ein stellvertretender Regierungssprecher für die erste frei gewählte DDR-Regierung gesucht wurde, habe ich Frau Merkel empfohlen.

Was ist die größte Veränderung, die Angela Merkel ihrer Partei zugemutet hat?

De Maizière Sie hat nach der Wahlniederlage 1998 erkannt, dass Helmut Kohl und die Union damals auch abgewählt wurden, weil die Menschen einen Modernisierungsstau im Land sahen. In der Opposition haben erst Wolfgang Schäuble und dann Angela Merkel als Parteivorsitzende diesen erforderlichen Modernisierungsprozess sehr erfolgreich vorangetrieben. Das ist eine große Führungsleistung.

Es heißt immer wieder, die Bundeskanzlerin mache von ihrer Richtlinienkompetenz keinen Gebrauch.

De Maizière Das ist Unsinn. Angela Merkel kann auch auf den Tisch hauen, wenn es sein muss. Wichtiger ist aber, dass sie rechtzeitig erkannt hat, dass sich die Menschen und die Wertevorstellungen verändert haben. Es gibt heute beispielsweise konservative Wähler, die für niedrige Steuern, aber gegen Vorratsdatenspeicherung sind. Das wäre früher anders gewesen. Klassische Muster sind selten geworden. Das heißt aber auch: Die sogenannte Kernklientel der CDU schrumpft. Darauf muss man reagieren, wenn man Volkspartei bleiben will. Und dass es Angela Merkel 2009 geschafft hat, die große Koalition zu verlassen und eine bürgerliche Mehrheit zu erreichen, hätten Sie und viele andere doch nie für möglich gehalten.

Den Konservativen in der Partei fehlt das klare Profil.

De Maizière Es gibt zwei Denkrichtungen in der Partei. Geht man auf die schrumpfende Kernklientel ein, mit dem Vorteil der Selbstvergewisserung? Oder nimmt man den Auftrag an, als einzige Volkspartei zu bestehen? Ich bin für Letzteres.

Die bürgerliche Koalition in Düsseldorf hat in Umfragen aktuell keine Mehrheit. Liegt es am Gegenwind durch die Streitereien zwischen Union und FDP im Berliner Regierungsbündnis?

De Maizière Wir haben in der Koalition sicher nicht immer den besten Eindruck gemacht. Aber das hat sich gebessert. Wenn sich jeder in seinem Ressort an seine Arbeit hält, wird es schnell Rückenwind aus Berlin geben.

Viele Unionswähler erhoffen sich von Ihnen, dem Law-and-Order-Mann, das ersehnte Profil. Können Sie damit etwas anfangen?

De Maizière "Law and Order" heißt nichts Anderes, als dass Gesetze eingehalten werden und es Ordnung gibt. Dieser Meinung bin ich zutiefst. Das ist geradezu die Existenzberechtigung der Staatlichkeit. Der Staat hat das Gewaltmonopol, dafür bekommen die Bürger öffentliche Sicherheit. Das ist unser Auftrag. So gesehen, bin ich ein Law-and-Order-Mann.

Die Verrohung der Gesellschaft scheint kaum aufzuhalten.

De Maizière Wir dürfen es nicht zulassen, dass es irgendwo rechtsfreie Räume gibt, sogenannte No-go-Areas, und Gewalt gegen Polizisten. Dann ist der Gesellschaftsvertrag gebrochen. Aber die Antwort sind nicht immer gleich härtere Strafen. Was nützt es, Körperverletzung härter zu bestrafen, wenn sich die Leute nicht daran halten? Gesetze zur öffentlichen Sicherheit brauchen immer strikte Anwendung und ein Klima der Resonanz. Wenn das Gewaltklima steigt, dann brauchen wir in der gesamten Gesellschaft eine Ächtung von Gewalt, mehr Zivilcourage und ein öffentliches Bekenntnis zur Arbeit von Polizisten.

Wie wollen Sie den zahlreichen Übergriffen gegenüber Polizisten begegnen?

De Maizière In diesem Punkt bin ich für eine Strafverschärfung. Es gibt eine schlimme neue Tendenz bei jungen Gewalttätern. Nicht nur Polizisten, sondern sogar Rettungskräfte werden angegriffen, etwa bei Fußballspielen und Demonstrationen. Wir werden die Strafen heraufsetzen, das ist in der Koalition verabredet. Dazu wird die zuständige Bundesjustizministerin, meine Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, im Mai einen Gesetzentwurf vorlegen.

Über die Terrorgefahr in Deutschland wird seltener geredet als vor einigen Jahren. Liegt das daran, dass die Gefahr gesunken ist, oder dass der Innenminister einfach nicht darüber sprechen will?

De Maizière Die Gefahrenlage hat sich in Deutschland nicht verschärft, aber sie ist unverändert hoch. Sie richtet sich nicht vordringlich, aber auch gegen deutsche Ziele.

Muss der Staat elektronische Daten speichern dürfen, um Terror zu bekämpfen?

De Maizière Es gibt eine europäische Richtlinie, die vorsieht, dass zum Zwecke der Strafverfolgung Telekommunikationsverbindungs-Daten vorgehalten werden müssen. Diese Daten sammelt aber nicht der Staat. Die Telekommunikationsanbieter müssen Verbindungsdaten auf Vorrat speichern, damit die Ermittlungsbehörden nach streng rechtlichen Kriterien darauf zugreifen können. Das Bundesverfassungsgericht hat nun die Art und Weise der Speicherung verworfen, nicht aber, dass Daten gespeichert werden dürfen. Ich halte die Vorratsdatenspeicherung im Interesse der öffentlichen Sicherheit für dringend geboten. Wir haben sonst, etwa bei Straftaten, die ausschließlich im Internet begangen werden, wie der Verabredung zu Terrorakten, eine echte Sicherheitslücke.

Sie wollen Ex-Häftlinge aus Guantanamo hierher holen. Warum?

De Maizière Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Aber zunächst: Terroristen holen wir nicht ins Land. Die Hauptlast der Auflösung des Lagers tragen ohnehin die USA. Ich muss doch zur Kenntnis nehmen, dass viele EU-Länder, etwa Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und die Schweiz ehemalige Häftlinge aufgenommen haben. Ich verweise auch darauf, dass wir bereits einen Mann aus Guantanamo aufgenommen haben und es die Union war, die dem damaligen SPD-Außenminister vorgeworfen hat, diesen Häftling zu lange im Lager gelassen zu haben. Wir müssen prüfen, ob und unter welchen Bedingungen wir den USA helfen können. Ich finde, wenn ein Nato-Partner und unser wichtigster Verbündeter uns um Hilfe bittet, sollten wir das solidarisch prüfen. Ich verstehe das als die Tugend eines Konservativen.

Michael Bröcker fasste das Gespräch in unserer Redaktion zusammen.

(RP)
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