FDP-Fraktionschef im Landtag Henning Höne „Wähler-innen? Klingt für mich wie Schluckauf“

Interview · Henning Höne, Fraktionschef der FDP im Landtag, will im Januar Landesparteivorsitzender werden. Er spricht über zu viel Unterhaltung bei den Öffentlich-Rechtlichen und zu wenig Frauen bei den Liberalen, über das Gendern, Fracking und Atomkraft.

 Portrait Henning Höne 2022  Foto: James Zabel

Portrait Henning Höne 2022 Foto: James Zabel

Foto: James Zabel

Ihr Bundesvorsitzender Christian Lindner macht jetzt einen Podcast. Dürfen wir das von Ihnen auch erwarten, wenn Sie FDP-Landesvorsitzender sind?

Höne Ich denke darüber nach. Es ist eine schöne Möglichkeit, Themen zu setzen und Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, die wir über andere Kanäle schwieriger ansprechen können.

Kommen Sie in öffentlich-rechtlichen Medien nicht genug zum Zuge? Oder spüren Sie da vielleicht eine neue Feindseligkeit?

Höne Sie spielen darauf an, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformieren wollen. Dafür habe ich einigen Zuspruch bekommen. Da findet zu viel Unterhaltung statt, es gibt zu wenig Landespolitik und zu wenig Regionales. Wenn ich höre, dass ARD und ZDF für die Übertragungsrechte der Fußballweltmeisterschaften in Katar und Russland 432 Millionen gezahlt haben – da kann man schon Schnappatmung bekommen, das sind schließlich Gebührengelder. Im Prinzip kann ich überall in Deutschland WDR 2 hören, es heißt nur überall anders: Es gibt 73 Hörfunkwellen, 23 TV-Sender, das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir haben den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt. Die BBC schafft es für weniger Geld, weltweit zum Beispiel für Dokumentationen gefeiert zu werden.

Bei mehreren Landtagswahlen ist die FDP zuletzt abgestürzt. Wie wollen Sie das Blatt wenden?

Höne Die FDP hat einen Marathon vor sich, und der Landesverband NRW spielt dabei eine wichtige Rolle. Einerseits will ich meiner Partei in Berlin den Rücken stärken. Wir sind im Bund in einer schwierigen Koalition, mit der viele unserer Anhänger hadern. Andererseits müssen wir jetzt in NRW zeigen, was 100 Prozent FDP bedeutet – FDP pur, also ohne Koalitionskompromisse, mit Ecken und Kanten. Bei der nächsten Landtagswahl in NRW will ich die FDP wieder mit einem zweistelligen Ergebnis sehen.

Wenn die Bundes-FDP zuletzt mehr Profil zeigen wollte, hat sich das aber negativ auf Umfragen und Wahlen ausgewirkt.

Höne Das nehme ich anders wahr. Wir brauchen eine Partei, die darauf hinweist, dass die Rettungspakete von heute nicht mit den Rettungspaketen von morgen finanziert werden können. Wir können uns nicht damit zufriedengeben, dass auf hohe Lohnkosten und eine schlechter werdende Infrastruktur jetzt auch noch Rekord-Energiepreise kommen. Wir brauchen eine Partei, die sagt: Das ist gefährlich, da müssen wir gegensteuern.

Sie wollen zum Beispiel Fracking, auch in NRW. Da zeigen Sie Profil. Aber gewinnen Sie damit Wähler?

Höne Das wird kommunikativ eine Herausforderung. Aber es ist fatal, naiv und scheinheilig, Fracking komplett auszuschließen, obwohl wir unseren Bedarf über einige Jahre zum guten Teil damit decken könnten. Stattdessen kaufen wir Erdgas aus Katar ein, und für unsere neuen Flüssiggasterminals, mit großem Jubel eröffnet, holen wir Frackinggas aus Nordamerika. Das ist weder preislich noch klimatechnisch besser.

Fracking in Deutschland würde aber in der Nähe dicht besiedelter Gebiete passieren, in den USA nicht.

Höne Dafür gibt es in Deutschland andere Umweltstandards. Wir dürfen nicht aus ideologischen Gründen schon im Vorfeld die Tür zumachen. Es geht nicht nur um diesen Winter, sondern darum, ob am Ende dieser Krise noch jemand da ist, der hier wettbewerbsfähig etwas produziert. Gerade über Energiepolitik müssen wir streiten: Ich verstehe auch nicht, warum sich Grüne und SPD so schwer damit tun, Kernenergie weiterlaufen zu lassen. Die bestehenden Kraftwerke sollten vier, fünf Jahre weiterlaufen, dann sehen wir weiter. Ich möchte 100 Prozent erneuerbare Energie. Bis wir soweit sind brauchen wir eine verlässliche Brücke mit konventionellen Energieträgern.

Sehen Sie auch eine Perspektive für neue, kleinere Meiler? Wir haben nahezu keine Forschung mehr im Bereich der Kernkraft.

Höne Das muss sich zwingend ändern. Die Kernfusion oder Reaktoren, die mit Material laufen könnten, das heute Atommüll ist, bieten Chancen, die wir gut abwägen sollten. Es ist ein Kardinalfehler, Forschung aufzugeben, weil sie politisch unliebsam ist. Deutschland hat heute schon sehr viel an Sachverstand verloren, am Ende müssen wir die Expertise dann teuer einkaufen.

Die „Letzte Generation“ - berechtigter Protest oder gefährliche Radikalisierung?

Höne Der vermeintlich edelste Zweck heiligt nicht die Mittel. Sich irgendwo festzukleben und diejenigen aufzuhalten, die einfach nur zur Arbeit wollen, ist keine Form des Protests, die im demokratischen Miteinander funktioniert. Bei manchen steht eher die Selbstinszenierung im Vordergrund.

Was ist bedrohlicher: Eine Radikalisierung der Klimaproteste oder das Reichsbürgermilieu?

Höne Im rechtsextremen Spektrum wenden Leute Gewalt an, sammeln Waffen und hegen Umsturzpläne, bis weit in gesellschaftliche Kreise hinein, von denen man sich das bisher überhaupt nicht vorstellen konnte. Es ist ganz klar: Die große Gefahr kommt von rechts. Aber das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass man andere Entwicklungen ausblenden darf.

Betrifft das auch den Umgang mit der AfD?

Höne Die AfD ist der parlamentarische Arm der Reichsbürgerszene geworden. Dagegen müssen wir etwas tun. Politische Aufklärung ist geboten, aber die AfD sollte auch flächendeckend vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Wenn Sie Landesvorsitzender sind, wer wird Ihr Generalsekretär?

Höne Sollte ich gewählt werden, werde ich dem Parteitag Moritz Körner zur Wiederwahl vorschlagen. Moritz Körner macht einen guten Job, er hat Spaß an der Aufgabe, er ist für uns eine starke Stimme in Brüssel, und hat noch eine lange Liste mit Ideen und Zielen für unseren Landesverband. Außerdem stehen wir im Landesvorstand vor einem größeren Wechsel. Die stellvertretenden Vorsitzenden Angela Freimuth und Alexander Graf Lambsdorff werden nicht mehr antreten. In Zukunft wollen wir drei statt zwei Stellvertretende haben, dafür gibt es im Moment vier oder fünf Bewerbungen.

Wollen Sie als Landesvorsitzender offensiv für mehr Frauen in Parteifunktionen und auf Wahllisten sorgen?

Höne Ja. Das ist eine Aufgabe für den Vorsitzenden und für alle Führungskräfte in der Partei auf allen Ebenen. Würden so viele Frauen FDP wählen, wie das Männer tun, wären wir in Niedersachsen noch im Landtag. Es kann uns nicht zufriedenstellen, dass der Frauenanteil in der Gesellschaft bei 50 Prozent liegt, aber bei unseren Mitgliedern bei 20 Prozent. Die letzte Liste zur Kreistagswahl in Coesfeld, für die ich als Kreisvorsitzender die Verantwortung trug, hatte unter den ersten zwölf Listenplätzen sechs Frauen und sechs Männer. Und da gab es keine förmliche Quote, das war einfach viel Arbeit und ich habe viele Gespräche geführt.

Gendern Sie?

Höne Ich mache nicht diese Pause im Wort wie bei Wähler-innen. Das klingt für mich wie Schluckauf. Aber ich verstehe andererseits auch nicht die Aufregung darum: Wenn jemand das machen möchte, ist mir das völlig recht. Ich selbst sage Wählerinnen und Wähler. Das finde ich auch wichtig. Sprache beeinflusst unser Bewusstsein.

Der Landesrechnungshof hat die Finanzpläne von Schwarz-Grün innerhalb von nur einer Woche wegen Verfassungsproblemen zwei Mal abgestraft. Dann jetzt eine erneute Kehrtwende. Die FDP hatte bereits Verfassungsklage erwägt.

Höne Ja, von Beginn an haben wir Korrekturen gefordert und eigene Hilfsprogramme vorgeschlagen. Diese wurden von CDU und Grünen kategorisch abgelehnt. Mit mehreren Kehrtwenden hat das Kabinett von Ministerpräsident Wüst in diesen historisch kurzen Haushaltsberatungen ein bisher nie dagewesenes Chaos angerichtet. Die aktuelle Situation ist für eine derartige Irrfahrt viel zu ernst. Auf unseren Druck hin, gemeinsam mit der SPD, werden diese Chaoswochen jetzt beendet. Und wir stellen die Rechtssicherheit wieder her. Menschen, Betriebe, soziale Infrastruktur und Kommunen in Nordrhein-Westfalen sollen wieder aufatmen können. Das Land NRW kann sie unbürokratisch und verfassungskonform unterstützen, ohne neue Kreditschulden aufzunehmen. Das haben die Freien Demokraten schon vor mehreren Wochen gefordert und entsprechende Wege aufgezeigt. Dieses ganze Verfahren hat Vertrauen schwer beschädigt. Sowohl zwischen den Fraktionen im Landtag als auch in der Bevölkerung. Spätestens jetzt stellt sich die Frage, wer die politische Verantwortung für dieses nie dagewesene Chaos übernimmt.

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