„Das ist ein absoluter Skandal“ Weitere NRW-Minister waren während Flut auf Mallorca

Düsseldorf · Neben der NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser waren offenbar auch die Kommunalministerin, der Europaminister und eine damalige Staatssekretärin aus Leverkusen auf Mallorca, um an der Geburtstagsfeier von Heinen-Essers Ehemann teilzunehmen. Die Ministerin will trotz der Vorwürfe im Amt bleiben.

 Ina Scharrenbach (CDU), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, wartet im Untersuchungsausschuss zur Flut im Februar 2022 auf ihre Aussage.

Ina Scharrenbach (CDU), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, wartet im Untersuchungsausschuss zur Flut im Februar 2022 auf ihre Aussage.

Foto: dpa/David Young

Die Affäre um die Mallorca-Reise von NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) weitet sich aus. Nach einem Bericht des „Kölner Stadt-Anzeigers“ waren auch Kommunalministerin Ina Scharrenbach, Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner und Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (alle CDU) während der Flutkatastrophe auf die Insel gereist. Anlass war die Feier des Geburtstags von Heinen-Essers Ehemann am 23. Juli. Das Umweltministerium bestätigte den Vorgang gegenüber der Zeitung.

Die Opposition fordert nun Konsequenzen. „Ein solch instinkt- und pietätloses Verhalten ist durch nichts zu rechtfertigen“, erklärte NRW-Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD). „Während zehntausende Betroffene des Hochwassers zu diesem Zeitpunkt damit kämpften, die Folgen der Flut zu bewältigen, dinierten mindestens vier hochrangige Vertreterinnen und Vertreter der NRW-Landesregierung offenbar bei einer Geburtstagsfeier auf Mallorca und ließen es sich gut gehen.“

Hochwassers 2021 in NRW: Schäden in Erftstadt, Euskirchen, Bad Münstereifel, Altenahr
22 Bilder

Schwere Schäden durch Überflutungen in NRW

22 Bilder
Foto: dpa/David Young

Kutschaty kritisierte, dass mit Heinen-Esser und Scharrenbach ausgerechnet auch noch diejenigen Ministerinnen beteiligt gewesen seien, die in dieser schweren Katastrophe auf Regierungsseite fachlich zuständig gewesen wären. „Das ist ein absoluter Skandal, der mich fassungslos macht. Erst in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Umweltministerin Heinen-Esser den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss offenbar mindestens getäuscht hatte. Statt für vier Tage war sie sogar für ganze neun Tage zurück nach Mallorca geflogen, um ihren Urlaub auf der Insel fortzusetzen.“ Die von ihr ursprünglich vorgetragenen Gründe für die Rückreise hätten sich da bereits in Luft aufgelöst. „Die neuen Erkenntnisse setzen dem ganzen jetzt aber die Krone auf. Sie sind ein Schlag ins Gesicht all derer, die in dieser Katastrophe so viel verloren haben.“

Kutschaty warf der Umweltministerin eine „Salamitaktik und Vertuschungsversuche“ vor. „Es sollte offenbar ein echter Skandal unter der Decke gehalten werden. Der Urlaub der Umweltministerin wird zum Mallorca-Gate der Landesregierung.“ Kutschaty forderte Ministerpräsident Hendrik Wüst dazu auf, die Affäre umgehend vollständig aufzuklären. „Er kann sich nicht weiter bedeckt halten und muss die Öffentlichkeit darüber informieren, welche Konsequenzen er daraus ziehen wird."

Die Grünen im NRW-Landtag warfen der Umweltministerin vor, Parlament und Öffentlichkeit belogen zu haben. Sie räume die Wahrheit „nur scheibchenweise und gezwungenermaßen nach Recherchen ein“, kritisierte Fraktionschefin Verena Schäffer. Das gelte auch für Scharrenbach, Holthoff-Pförtner und Güler. Wüst müsse darlegen, „welche Konsequenzen er zieht, angesichts dessen, dass Teile seines Kabinetts vor dem Parlament die Unwahrheit sagen und es offenbar mit ihrem Amtseid nicht so genau nehmen“.

Ministerin Heinen-Esser äußerte sich am Mittag vor Journalisten im Landtag und lehnte einen Rücktritt ab. Sie kündigte allerdings an, dem Untersuchungsausschuss sämtliche E-Mails aus der Zeit auf Mallorca zur Verfügung zu stellen. Heinen-Esser erklärte, keine weiteren Kabinettsmitglieder seien zu der „Feier im kleinen Kreis“ in einem Restaurant auf der Urlaubsinsel eingeladen gewesen. Da zuvor Scharrenbach als Vertreterin von Heinen-Esser während deren Abwesenheit angegeben war, stellen sich nun neue Fragen. Heinen-Esser erklärte, für die Vertretungsregel gebe es auf Grundlage der Geschäftsordnung einen Automatismus. Wer sie während der Zeit auf der Insel vertrat, konnte sie auf Nachfrage nicht sagen. Den Vorwurf, sie habe den Ausschuss getäuscht, wies die Ministerin entschieden zurück.

„Es trifft zu, dass Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner am 24. Juli an einer privaten Geburtstagsfeier auf Mallorca teilgenommen hat. Er ist am Freitag gegen Mittag nach Mallorca geflogen und am Sonntagnachmittag zurück nach Deutschland“, erklärte ein Sprecher der Düsseldorfer Staatskanzlei. Der Minister sei in der Zeit vollumfänglich arbeitsfähig und immer erreichbar gewesen. Der Minister sei mit der Fluggesellschaft Eurowings geflogen. Holthoff-Pförtner selbst sagte unserer Redaktion: „Das Leid der von der Unwetterkatastrophe betroffenen Menschen hat mich tief getroffen. Das gilt ganz unabhängig vom Ort, an dem ich mich gerade aufhalte. Sollte ich einen anderen Eindruck erweckt haben, so bedauere ich dies sehr.“

Rückendeckung gab es von der CDU. Deren Fraktionschef Bodo Löttgen sagte unserer Redaktion, er begrüße es ausdrücklich, dass die Umweltministerin bei der Frage ihres Mallorca-Aufenthaltes im Juli 2021 volle Transparenz herstelle – auch wenn es um rein private Belange gehe, deren Klärung nicht in der Zuständigkeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses liege. „Das Parlament und insbesondere der Untersuchungsausschuss haben den Auftrag, die Maßnahmen zu beleuchten und zu hinterfragen, die Regierungsmitglieder zur Krisenbewältigung ergriffen haben – also ob sie ihre Arbeit erledigt haben. Wie sie die private Zeit rund um diese Arbeit verbringen, Familiengeburtstage und persönliche Beziehungen zwischen Kabinettsmitgliedern unterliegen nicht der Kontrolle durch das Parlament.“ Dass die Ministerin diesen Einblick in die Intimsphäre ihrer Familie dennoch zulasse, sei ein richtiger und mutiger Schritt, der zeigt, wie wichtig es ihr sei, das falsche Bild ihrer Person in der Öffentlichkeit gerade zu rücken, so Löttgen. „Die CDU-Fraktion ist sicher, dass die Arbeit des Pua weiterhin von Transparenz, Aufklärungsarbeit und der Erarbeitung konstruktiver Lösungsvorschläge geprägt sein wird.“ Die Ministerin wird am 22. April erneut vom Pua Flut als Zeugin vernommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort