Hendrik Wüst zu Gast beim Ständehaus-Treff „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“

Düsseldorf · NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst verteidigt beim Ständehaus-Treff seinen Umgang mit der Corona-Infektion bei der Israelreise, spricht über die Ukrainekrise und den Tag, an dem ihm Helmut Kohl ein Stück Schweinebraten vom Teller angelte.

Düsseldorf: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst - Talk beim Ständehaus-Treff
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Ständehaus-Treff mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst

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Foto: Bretz, Andreas (abr)

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat beim Ständehaus-Treff in Düsseldorf seine Eindrücke nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs geschildert. Der CDU-Politiker sagte bei der Veranstaltung mit RP-Chefredakteur Moritz Döbler: „Wenn man ganz ehrlich ist, muss man sagen, dass man in dem Moment, in dem der Krieg ausbricht, sich sortieren muss.“ Er habe sich gefragt, welche Folgen der Krieg für NRW habe: „Ich muss nicht den Hobby-Außenpolitiker machen, das ist ja Quatsch.“ Er habe zunächst Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften der energieintensiven Industrie zusammengetrommelt, um sich die direkten Folgen schildern zu lassen. Dann habe er einen Expertenrat mit geostrategischer Kompetenz berufen. „Schlau fragen, den Horizont aufmachen.“

Wüst schilderte eine Begegnung mit einem Paar aus der Ukraine, das beim Ausbruch für einen Urlaubsbesuch nach Düsseldorf gekommen war. Die Frau habe permanent auf die Handys gestarrt und darauf gewartet, dass ihre Tochter sich melde und die Botschaft sende: „Wir haben die Nacht überstanden mit den Enkelkindern.“ Das gehe zu Herzen, so Wüst.

Er mahnte, dass sich der Staat beim Thema Flüchtlinge nicht aus der Verantwortung stehlen dürfe und plädierte für eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge im Bundesgebiet. „Die Lage ist anders als 2015, der Staat muss jetzt auch zeigen, dass er aus 2015 gelernt hat“, sagte er und betonte, der Staat stehe nun vor der großen Herausforderung, Schul- und Kitaplätze für die geflüchteten Kinder zur Verfügung zu stellen.

„Wir müssen die Frauen und Kinder aus den Schulturn- und Messehallen herausholen“, betonte Wüst. Dafür müssten die Frauen und Kinder, die aus der Ukraine nach Deutschland flüchten, im gesamten Bundesgebiet gleichmäßig verteilt werden. Er hoffe, dass die „emotionale Zustimmung zum Helfen“ in der Bevölkerung länger halte als 2015.

In den Umfragen lag der Münsterländer zuletzt klar vor seinem Herausforderer Thomas Kutschaty (SPD). Die Umfragewerte seiner Partei können Wüst ebenfalls optimistisch stimmen: Die CDU liegt bei 32 Prozent, die SPD stagniert bei 27 Prozent. Die Grünen lagen zuletzt bei 17, die FDP bei acht und die AfD bei sechs Prozent.

Mit Blick auf das SPD-Ergebnis im Saarland witzelte Wüst: „Ich nehme auch eine absolute Mehrheit.“ Dann bekannte er sich aber doch zur Koalition mit der FDP und erinnerte an deren Schlussspurt im Wahlkampf 2017: „Wenn Sie diesem Saal damals gesagt hätte, es reicht für eine christlich-liberale Regierung, hätte dieser Saal nur aus Höflichkeit nicht gelacht.“ Dann habe die CDU mit der FDP gut und gerne regiert. „Ich glaube, dass das am Ende klappen kann. Und dafür tun wir jetzt die nächsten Wochen was. Wir sind zwei unterschiedliche Parteien. Wir haben auch nicht 100 Prozent Schnittmenge, aber wir wissen, was wir aneinander haben.“ Das sei wie in einer guten Ehe: „Wir müssen ja nicht jeden Tag auf die Bibel schwören.“

 Zuletzt hatte sich Wüst selbst in Bedrängnis gebracht, weil er bei seiner Reise nach Israel erst nach mehreren Stunden ein Corona-Testergebnis abrief, das zu diesem Zeitpunkt schon positiv war. Wüst verbrachte mehrere Tage im King-David-Hotel in Jerusalem und führte die Amtsgeschäfte digital. „Zehn Tage auf dem Hotelzimmer waren auch nicht so dolle.“ Der Verlauf der Erkrankung sei aber leicht gewesen.

Auf die Aussage Döblers, dass es überraschend sei, wenn der Ministerpräsident mehrere Stunden lang nicht auf sein Handy schaue, konterte Wüst: „Wenn Sie einmal in Yad Vashem waren, dann hätte Sie das nicht überrascht.“ Ob er sich richtig verhalten habe? „Ich werfe mir nichts vor.“ Gleiches gelte für den Besuch bei der israelischen Wirtschaftsministerin, noch dazu, da der erste Test am Vorabend negativ ausgefallen sei.

Zur aktuellen Pandemie-Bekämpfung sagte er: „Wir haben immer noch in Deutschland zwei Millionen über 60-Jährige, die sich nicht haben impfen lassen.“ Zwar könne man sagen, dass diese ein Angebot erhalten hätten. Wenn diese sich aber reihenweise ansteckten, könne auch das die Funktionalität des Gesundheitswesens gefährden. Er sei sehr dafür, dass der Bundestag in seiner Gesetzgebungsarbeit nicht nachlasse.

Rechtssicher könne man eine Impfpflicht aber erst dann ausgestalten, wenn man wisse, mit welcher Variante man es im Herbst zu tun haben würde und welche Impfstoffe es dann gebe. „Deswegen ist die Idee, alles vorzubereiten in einem Gesetz“, sagte Wüst. „Wir sollten jetzt im Bundestag nicht aufhören, an diesem Thema zu arbeiten.“

Zu den Corona-Lockerungen, die die Bundesregierung mit dem neuen Infektionsschutzgesetz beschlossen hat, sagte Wüst: „Der Bund hat die Abstimmung mit den Ländern nicht mehr gesucht. Jetzt muss er die Verantwortung übernehmen.“ Weiter sagte er: „Ich find’s nicht richtig, aber ich muss es ja akzeptieren, wie es ist.“

Launig wurde es, als sich Wüst an eine Begegnung mit Altkanzler Helmut Kohl erinnerte. Der habe beim Abendessen zwei Plätze neben ihm gesessen und ihm gesagt: „Bub, Du musst mehr essen.“ Als Wüst abgewunken habe, habe Kohl an dem Mann zwischen ihnen beiden vorbei mit seiner Gabel ein Stück Schweinebraten von Wüsts Teller gefischt. „Wir andern hatten alle zwei Stücke, er hatte schon drei und hat sich das vierte noch von mir geangelt. Das ist wirklich wahr.“

Wüst gab auch Einblicke in sein erwachendes politisches Interesse als Jugendlicher: „Ich bin nicht als Christdemokrat aus dem Kindergarten gekommen.“ Er habe sich in seiner Jugend eher für den Sozialdemokraten Björn Engholm begeistern können. Als 14-Jähriger habe er dann aber schlimme Bilder aus dem sozialistischen Rumänien gesehen und sich gesagt: „Wenn das Sozialismus ist, will ich was anderes.“

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